Kein Alkoholkonsum am Hauptbahnhof

Der Hauptbahnhof ist zur Zeit eine riesige Baustelle. Das Eingangsgebäude ist abgerissen und wird in den nächsten Jahren durch einen kompletten Neubau ersetzt. Aber auch die Regeln in und um den Bahnhof haben sich geändert. Denn seit 2017 ist es verboten, im Bahnhofsbereich Alkohol zu konsumieren, seit 2018 sogar rund um die Uhr. Und das hat nichts mit Corona zu tun. Damit soll die hohe Anzahl von Ordnungswidrigkeiten und „Roheitsdelikten“ (Raub, Körperverletzung, etc.) durch alkoholisierte Personen verringert werden. Da die geltende Verordnung demnächst ausläuft, musste der Kreisverwaltungsausschuss am Dienstag entscheiden, ob das Alkoholverbot verlängert werden soll und wie die Stadt mit der „Steherszene“ im Bahnhofsbereich umgeht.

Ausgangspunkt war eine Vorlage des Kreisverwaltungsreferats (KVR), in der die Entwicklung der Sicherheitslage am Hauptbahnhof seit 2017 nachgezeichnet wird. Denn das Verbot kann nach geltender Rechtslage nur dann bestehen bleiben, wenn „an den in der Verordnung bezeichneten Orten aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums regelmäßig, d.h. nicht nur vereinzelt oder gelegentlich, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen werden.“ Den räumlichen Bereich der Verordnung sieht man hier:

Der Bahnhofsbereich in München – das Alkoholverbot gilt nur im inneren Bereich (dunkelblau). Die anderen Bereiche dienen als Vergleichsgebiete; Quelle: Anlagen zur Vorlage des KVR.

Die vorgelegten Daten zur Sicherheitslage am Hauptbahnhof sind etwas diffus. Sowohl der begonnene Umbau des Bahnhofs als auch die Corona-Pandemie erschweren genaue Vergleiche. Erkennbar ist allerdings, dass mit der Einführung des Alkoholverbots rund um die Uhr die Anzahl der Straftaten im inneren Bereich (dunkelblau) deutlich stärker zurückgegangen ist als im gesamten Stadtgebiet (-28% im Vergleich mit – 1%). Fraglich ist allerdings, ob das Verbot nur eine Verdrängung in angrenzende Gebiete bewirkt. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang der nördliche Bahnhofsbereich mit dem Botanischen Garten genannt (der mittelblaue Bereich im Bild oben). Hier ist es laut Polizeibericht in der Tat in den letzten Monaten zu einem Anstieg der Delikte gekommen.

Neben der Begründung der reinen Ordnungsmaßnahmen erläutert die Anlage 10 der Vorlage die Anstrengungen der Stadt, alkoholabhängigen Personen eine Alternative anzubieten, nämlich die Begegnungsstätte „D3“ am Anfang der Dachauer Straße. Der Ansatz ist der gleiche wie bei den bislang vom Freistaat verhinderten Drogenkonsumräumen. Suchtgefährdete Personen können im D3 – in Maßen – mitgebrachten Alkohol konsumieren und erhalten Unterstützung und Therapieangebote. Betrieben wird die Einrichtung von der Caritas. In ihrem Bericht bestätigt die Leitung des D3, dass viele Besucher sich vorher an verschiedenen Bereichen des Bahnhofs aufgehalten haben. Allerdings hat auch hier Corona alles verändert. Starke Begrenzungen der Besucher behindern die Arbeit der Begegnungsstätte. Gleichzeitig ist der Bedarf nach Unterstützung weiter gestiegen, auch von Personen, die sich bislang nicht im Bahnhofsbereich aufgehalten haben.

Aus meiner Sicht geht der Ansatz der Verwaltung, die Sicherheitslage am Bahnhof durch eine Kombination aus Verboten und Angeboten für alkoholabhängige Mitbürger zu verbessern, in die richtige Richtung. Allerdings werden damit die Probleme nicht kurzfristig gelöst, schon gar nicht in Zeiten der Pandemie, die immer mehr Personen in wirtschaftliche Notlagen bringt und damit das Risiko von Alkoholmissbrauch erhöht.

Im Stadtrat war die Verlängerung des Alkoholverbots allerdings umstritten, mit Ablehnung von beiden Enden des politischen Spektrums: Sowohl die Bayernpartei als auch die LINKE haben gegen eine Fortführung des Verbots gestimmt. Die einen, weil es eine unangemessene Einschränkung der persönlichen Freiheit sei, und die anderen als untauglichen Versuch, Suchtkranke aus dem Bahnhofsbereich einfach zu vertreiben. Auch bei den Grünen gab es wohl Vorbehalte gegen das Alkoholverbot, ohne dass in der Debatte klar wurde, warum eigentlich. Im Rahmen der Abstimmung mit der SPD, die die Vorlage unterstützt, hat man sich jedoch auf den Kompromiss verständigt, das Verbot zunächst nur um zwei Jahre zu verlängern und mit einer umfassenden Evaluation zu begleiten. Ob der Erkenntnisgewinn dabei wesentlich über das hinausgeht, was bereits der aktuellen Vorlage und ihren Anlagen zu entnehmen ist, erscheint mir zweifelhaft. Denn die nächsten zwei Jahre werden ohnehin noch von der Sondersituation der Corona-Pandemie und dem Umbau des Bahnhofs geprägt sein und wenig Neues über einen „Normalzustand“ am Bahnhof erkennen lassen.

Corona und die Folgen (V)

Wie hoch wird der finanzielle Schaden der Corona-Pandemie für die Stadt München? Und was folgt daraus? Diese Fragen kann niemand seriös beantworten, weil niemand weiß, wie lange die Pandemie noch die Gesundheit und das (Wirtschafts-) Leben in der Stadt beeinträchtigen wird. Zahlen aus der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses erlauben jedoch eine erste (Mindest-) Abschätzung – es sind schon jetzt etwa 2 Milliarden Euro.

Am schlimmsten sind die Ausfälle der Gewerbesteuer. Geschäfte und Unternehmen, die wegen des Lockdowns keine Umsätze erwirtschaften, zahlen auch keine Steuern. Die Entwicklung der Gewerbesteuer in Vergangenheit und Zukunft (Schätzung) zeigt folgendes Schaubild aus den Unterlagen der Stadtkämmerei für die Ausschusssitzung:

Entwicklung der Gewerbesteuereinnahme 2015 – 2024. Die grauen Balken bezeichnen die Gewerbesteuerumlage, die München an den Bund und den Freistaat abführen muss. Rot markiert ist der – einmalige – Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle in 2020 durch den Bund von 630 Millionen; Quelle: Vorlage zum Antrag der SPD-Fraktion für mehr Unterstützung der Kommunen, rote Markierung hinzugefügt

Man erkennt unmittelbar, dass der eigentliche Einbruch der Gewerbesteuer (netto, blaue Linie) erst in 2021 kommt, da im laufenden Jahr alle Kommunen und damit auch München eine einmalige Erstattung der Ausfälle der Gewerbesteuer aus dem Bundeshaushalt bekommen haben (der „Wumms“ von Olaf Scholz). Im Vergleich zu 2020 fehlen damit mindestens 400 Millionen Euro Gewerbesteuer allein in 2021. Und ob es danach tatsächlich wieder aufwärts geht, steht in den Sternen.

Insgesamt bewertet die Stadtkämmerei die Finanzlage in der Mittelfristigen Finanzplanung gegenwärtig so:

Alleine bei den Steuern und ähnlichen Abgaben muss die Einnahmeerwartung in den Jahren 2021 bis 2023, also im Zeitraum von nur 3 Jahren, in einer Größenordnung von 2 Mrd. € gegenüber der bisherigen Finanzplanung 2019 bis 2023 […] zurückgenommen werden.

Was ergibt sich daraus ? Welche unmittelbaren Auswirkungen wird das auf die Stadt München und ihrer Bürger haben? Dazu muss man etwas länger ausholen:

In den letzten Jahren hat die Stadt München den Schuldenstand deutlich zurückgeführt. Das kann man an einem Schaubild der Stadtkämmerei auf muenchen.de ablesen:

Entwicklung des Schuldenstands der Stadt München seit 2007

Das sieht – bis auf 2020 – ganz gut aus. Es ist aber ein unvollständiges Bild, da gleichzeitig ein erheblicher Investitionsrückstau entstanden ist, beispielsweise bei den Schulen, dem Wohnungsbau oder dem Ausbau des ÖPNV. Daher war die Planung der Stadtkämmerei mit Zustimmung des Stadtrates schon 2019 davon ausgegangen, dass die Schulden ab 2020 wieder steigen werden, bis auf auf ungefähr 5 Mrd. Euro in 2023. Mit Corona sind das jetzt über 7 Mrd. Euro bis zum Jahr 2024 geworden.

Wie muss man einen solchen Betrag bewerten? Das hängt von der weiteren Zinsentwicklung ab. In der Sitzung hat der Kämmerer erläutert, dass man bisher (langfristig) von etwa 4% Zinsen ausgegangen sei. Dann würde die gesamte Zinslast pro Jahr bei fast 300 Mio. Euro liegen. Zum Vergleich: Der Finanzhaushalt der Stadt umfasst etwa 7 Mrd. Euro. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, kann die Stadt jedoch nur über einen Teil ihres Haushaltes frei verfügen – geschätzt ungefähr 3 Mrd. Euro. Der Rest betrifft Zahlungen, zu denen die Stadt gesetzlich verpflichtet ist oder sich langfristig gebunden hat, z.B. mit den Kosten für das eigene Personal. Die genannten Zinsen verringern daher in Zukunft jedes Jahr die tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten um etwa 10 %, und dabei ist eine Tilgung der Schulden noch nicht berücksichtigt. Wenn allerdings die Zinsen niedriger ausfallen – was zumindest gegenwärtig der Fall zu sein scheint – ist die Belastung entsprechend geringer.

In der Ausschusssitzung gab es eine kurze, aber intensive Diskussion dazu. Die FDP-Fraktion hat angeregt, mit einer „Rasenmäherkürzung“ um 10% in allen Referaten die Verschuldung zu begrenzen. Insbesondere sollte auf „nice-to-have“ Projekte der Rathauskoalition wie weitere Radwege verzichtet werden. Das traf erwartungsgemäß bei der grün-roten Mehrheit nicht auf Zustimmung. Der Hinweis auf den Radwegeausbau ist in der Tat wenig hilfreich, da es dabei um Beträge geht, die bei dem erwarteten Schuldenstand von 7 Mrd. Euro keine nennenswerte Rolle spielen.

Ob eine „Rasenmäherkürzung“ der richtige Weg ist, erscheint mir schwierig zu beurteilen. In den letzten Monate habe ich den Sparwillen der Stadträte bei Einzelentscheidungen häufig vermisst, vergleiche hier und hier. Mit vielen kleinen Beschlüssen große Einsparvolumina zu erreichen, ist politisch schwierig. Umgekehrt halte ich das Argument aus der SPD-Fraktion für richtig, dass ein unterschiedsloses Kürzen das Ende des politischen Gestaltungswillens des Stadtrates in finanziell schwierigen Zeiten wäre.

Vielversprechend erscheint mir, die Liste „Große Vorhaben„, die der Kämmerer ebenfalls vorgelegt hat, noch einmal kritisch zu prüfen. Dort finden sich viele Großprojekte, die in den nächsten Jahren dreistellige, manchmal auch vierstellige Millionenbeträge kosten werden. Da kann sich jeder aussuchen, was sie oder er für verzichtbar hält oder was deutlich bescheidener ausfallen sollte. Meine persönlichen Favoriten sind zum einen die aufwändige Sanierung des Gasteigs mit geplanten 450 Mio. Euro und der teure Ausbau der S8 zum Flughafen, der mit einer Tieferlegung der Strecke in Ismaning mit bis zu 1,8 Mrd. zu Buche schlagen soll. Damit hätte man den Corona-Schaden – soweit gegenwärtig absehbar – schon wieder eingespart.

Drogenkonsumräume – nicht in Bayern

Das Thema Drogen ist nicht erst seit Corona in der öffentlichen Wahrnehmung auf dem Rückzug – allerdings zu Unrecht. 2019 hat München mit 53 Drogentoten bundesweit den dritten Platz „erobert“ und liegt inzwischen vor Köln und Frankfurt. Vergleicht man die Bundesländer, nimmt Bayern einen traurigen Spitzenplatz ein. Warum sich daran sobald nichts ändern wird, konnte man in der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses erfahren.

Viele Städte versuchen mit sogenannten Drogenkonsumräumen („Drückerstuben“), Begleitrisiken des Drogenkonsums wie Infektionskrankheiten zu minimieren, indem saubere Spritzen bereitliegen und der eigene Konsum mitgebrachter Drogen vor Ort toleriert wird. Gleichzeitig wird dort mit geschultem Personal eine Anlaufstelle geschaffen, in der Drogenabhängige niederschwellig Hilfe und den Einstieg in eine Therapie finden können. Ein willkommener Nebeneffekt solcher Räume ist, dass der Drogenkonsum in der Öffentlichkeit (z.B. Parks) weniger in Erscheinung tritt. In Frankfurt ist mit diesem Ansatz die Anzahl der Drogentoten von 142 im Jahr 1992 auf aktuell etwa 20 pro Jahr zurückgegangen.

Diese Zusammenhänge hat auch die Münchner CSU-Stadtratsfraktion erkannt und 2018 einen Antrag für ein Modellprojekt gestellt. Danach soll in München im Umfeld einer Universitätsklinik ein Drogenkonsumraum eingerichtet werden und der Betrieb von der Klinik wissenschaftlich begleitet werden. Die Begründung des Antrag ist überzeugend formuliert, hier ein Auszug:

„Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die hohe Sterblichkeit von drogenabhängigen Menschen durch entsprechende Therapieangebote reduziert werden kann. Drogenkonsumräume wie die geplante Ambulanz können die unmittelbaren Konsumrisiken reduzieren sowie die Implementierung stabilisierender und präventiver Strategien erleichtern.

Der Stadtrat ist diesem Antrag in der Vollversammlung vom 4. Oktober 2018 mit großer Mehrheit gefolgt. Allerdings kann die Stadt München solch einen Drogenkonsumraum nur mit Zustimmung des Freistaates einrichten, vgl. § 10a Betäubungsmittelgesetz:

(1) Einer Erlaubnis der zuständigen obersten Landesbehörde bedarf, wer eine Einrichtung betreiben will, in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird (Drogenkonsumraum).

Nun könnte man denken, dass der Freistaat solch eine Erlaubnis innerhalb weniger Monate erteilt, wenn die Stadt München dies mit guten Gründen auf einen Antrag der CSU-Stadtratsfraktion hin für sinnvoll hält. Dies umso mehr, da Nürnberg ebenfalls solch einen Modellversuch starten möchte und sich auch der 78. Bayrische Ärztetag kürzlich dafür ausgesprochen hat, vgl. die heutige Vorlage des Gesundheitsreferats.

Dem ist allerdings nicht so. Im Gegenteil, wie aus der Vorlage hervorgeht, hat es das bayrische Gesundheitsministerium bislang nicht einmal für nötig befunden, auf die entsprechende Anfrage des Oberbürgermeisters vom 16. Januar 2020 auch nur zu antworten. Die für die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes erforderliche Rechtsverordnung des Freistaates ist daher nicht in Sicht.

Erheiternd war bei diesem traurigen Thema nur der Erklärungsversuch der Sprecherin der CSU-Stadtratsfraktion. Die Abgeordneten des Landtages seien halt „mehrheitlich vom Land“ . Mit anderen Worten ist eine moderne Drogenpolitik, die in vielen Städten Deutschlands Erfolg hat, den CSU-Landtagsabgeordneten aus dem ländlichen Raum einfach nicht vermittelbar.

Die Energiewende der Stadtwerke – in Zukunft vielleicht auch regional

Manches geht schneller als man denkt. Die Stadtwerke München haben bei der Stromerzeugung bereits 2008 die Energiewende eingeläutet und eine „Ausbauoffensive Erneuerbare Energien“ begonnen. Durch erhebliche Investitionen an vielen Standorten in Europa ist es gelungen, etwa 6,0 TWh/ Jahr regenerativen Strom zu erzeugen. Das sind ungefähr 80% des gesamten Stromverbrauchs Münchens von gegenwärtig etwa 7,2 TWh/ Jahr. Das Ziel einer vollständigen regenerativen Stromversorgung der Stadt ist damit zum Greifen nahe. In der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft wurde dazu ein Zwischenbericht vorgelegt. Darin wird auch auf den Hauptkritikpunkt an der Ausbauoffensive eingegangen, nämlich dass der weitaus größte Teil des regenerativen Stroms nicht regional erzeugt wird, sondern mit Windkraftanlagen in der Nordsee.

Grundlage des Zwischenberichts ist ein externes Gutachten (vorgelegt in zwei Teilen, hier und hier) des Hamburg Instituts, einer Beratungsgesellschaft für Fragen der Energieversorgung mit regenerativen Energien. Auf fast 50 Seiten werden alle Aspekte der Ausbauoffensive beleuchtet und insbesondere die Potenziale einer stärkeren regionalen Energieversorgung untersucht.

Für 2035 rechnen die Stadtwerke mit einem Bedarf von maximal 8,4 TWh/Jahr, wenn bis dahin fast 40% der 900.000 Fahrzeuge in München elektrisch unterwegs sind. Die Ausbauoffensive soll daher fortgesetzt werden, um 2025 eine regenerative Deckung von 100% zu erreichen und danach den weiter steigenden Stromverbrauch bedienen zu können.

Zum Kritikpunkt der regenerativen Energieerzeugung fernab von München steht im Gutachten Folgendes: Die Betrachtung des erzeugten und des verbrauchten Stroms ist tatsächlich rein bilanziell, d.h. es wird die Strommenge, die von den Stadtwerken in ihren regenerativen Anlagen in Europa erzeugt wird, mit dem Verbrauch in München verglichen, unabhängig davon, wo der Strom der städtischen Verbraucher physikalisch herkommt, z.B. aus dem noch nicht abgeschalteten Kohlekraftwerk München Nord. Das ist aber bei einem elektrischen Verbundnetz, wie es in Europa existiert, ganz unvermeidbar. Vereinfachend betrachtet kann man sich dazu eine Art „europäischen Stromsee“ vorstellen, der Zuflüsse und Abflüsse hat. Durch die Errichtung von Windkraftanlagen in Norwegen haben die Stadtwerke seit 2008 einen neuen regenerativen Zufluss zu diesem Stromsee geschaffen, der fast genauso groß ist, wie der Abfluss, den München entnimmt.

Aus meiner Sicht ist diese Berechnungsmethode zulässig und etwas anderes als der „moderne Ablasshandel“, wenn für eine Flugreise CO2-Kompensationszahlungen geleistet werden. Dabei steht nämlich der CO2 Erzeugung durch das Flugzeug gerade keine tatsächliche CO2-Entnahme aus der Atmosphäre gegenüber, sondern nur das (vage) Versprechen des Zahlungsempfängers, mit dem Geld ein Projekt zu finanzieren, das irgendwann zu einer CO2-Speicherung, beispielsweise in einem Baum, führen soll.

In jedem Fall lässt das Gutachten keinen Zweifel daran, dass der schnelle Aufbau der regenerativen Energieerzeugung lokal und regional im erfolgten Umfang unmöglich gewesen wäre. In der Tat leisten die bislang in München und Umgebung installierten regenerativen Kraftwerke gerade 0.46 TWh/ Jahr, also nur etwa 6% des verbrauchten Stroms, vgl. die folgende Tabelle aus dem Gutachten:

Übersicht der regenerativen Kraftwerke der Stadtwerke in München und Umgebung. Die vierte Spalte zeigt wieviel Strom damit in 2019 erzeugt worden ist.

Dabei springt der mit 0,3% vernachlässigbare Anteil der Photovoltaik ins Auge. Das überrascht, denn bundesweit liegt der Anteil der solaren Stromerzeugung immerhin bei 9%.

Grundsätzlich gibt es in München viele Dachflächen, die für die Photovoltaik geeignet wären aber ungenutzt bleiben. Das Gutachten verweist auf frühere Studien, die Potenziale zwischen 700 GWh/ Jahr und 5 TWh/ Jahr angeben, letzteres nur als sogenanntes „technisches Potential“, d.h. wenn wirklich auf jedem Dach eine Solarzelle installiert würde. Anschaulich werden diese Betrachtungen durch eine genaue Karte Münchens, die bereits 2010 erstellt worden ist. Da kann man jede Dachfläche sehen, die grundsätzlich für die Stromerzeugung geeignet wäre – einschließlich der Südseite der Frauenkirche!

Ausschnitt der Karte zu potentiellen Nutzung von Solarenergie in München von 2010

Das Gutachten des Hamburg Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass mit erheblichen Anstrengungen etwa 1,8 TWh/Jahr durch Photovoltaik lokal erzeugt werden könnten – ein Vielfaches der gegenwärtigen Solarstromproduktion in München. Andere Möglichkeiten zur Steigerung der regionalen Stromerzeugung scheiden demgegenüber aus, denn ein weiterer Ausbau der Wasserkraft führt zu ökologischen Schäden und neue Windkraftanlagen werden in Bayern praktisch nicht mehr genehmigt.

Warum stockt dann der Ausbau der Solarenergie in München? Das Gutachten fasst die fehlenden politischen Voraussetzungen so zusammen:

Fehlende politische Voraussetzungen für einen schnellen Ausbau der Solarenergie in Städten; Quelle: Gutachten des Hamburg Instituts

Die kommunalpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt München stehen erst an dritter Stelle. Für einen umfangreichen Ausbau der Solarenergie fehlt es am politischen Willen des Freistaats und insbesondere im Bund. Auch die aktuelle Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wird daran voraussichtlich nichts ändern, denn die geltenden Beschränkungen des Ausbaus der Solarenergie sollen erhalten bleiben, damit der Strompreis nicht steigt.

Dr. Florian Bieberbach, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Stadtwerke, hat in der Sitzung auf Fragen der Stadträte hin, diese Analyse bestätigt. Darüber hinaus bräuchten die Stadtwerke Zugriff auf mehr Dachflächen in der Stadt. Über die komplizierten rechtlichen Dreiecksbeziehungen, die dafür jedoch notwendig sind, wurde bereits hier berichtet.

Trotzdem will der Stadtrat einen neuen Anlauf zum Ausbau der Solarenergie in München nehmen. Nach einer hitzigen Debatte, die jedoch nicht inhaltliche Aspekte sondern nur formale Einwendungen der CSU-Fraktion gegen die Antragsformulierung der grün-roten Rathausmehrheit betraf, hat der Ausschuss mit großer Mehrheit die Stadtwerke beauftragt, die Ausbauoffensive fortzusetzen. Der Anteil an regional erzeugtem Ökostrom soll bis 2035 auf 35% des Stromverbrauchs der Münchner Haushalte gesteigert werden. Ob und gegebenenfalls wann dieses ehrgeizige Ziel tatsächlich erreicht wird, erscheint mit jedoch bei den geltenden bundes- und landespolitischen Rahmenbedingungen mehr als unsicher.

Erhaltungssatzungen zum Mieterschutz – ein komplexes Thema

Der anhaltende Druck auf den Münchner Wohnungsmarkt ist ein Dauerproblem, das sich auch durch ständigen Wohnungsbau nicht lösen lässt. Die Anzahl der jährlich fertig gestellten neuen Bauobjekte kann bestenfalls den Zuzug nach München ausgleichen. Schon gar nicht können die wenigen Neubauprojekte in den inneren Stadtbezirken die enorme Nachfrage bedienen. Die Folge ist eine fortgesetzte Verdrängung von alteingesessenen Bewohnern – die bekannte Gentrifizierung. Durch Luxussanierungen oder die Umwandlung in Eigentumswohnungen werden Mieter aus ihrer vertrauten Nachbarschaft gedrängt und müssen günstigeren Wohnraum suchen. Inzwischen sind in München davon nicht nur einkommensschwache Bevölkerungsgruppen betroffen, sondern auch Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen (ca. 4000 EUR / Monat).

Eine vorausschauende Stadtplanung kann dabei nicht tatenlos zusehen. Geht die „Münchner Mischung“, d.h. das Nebeneinander von verschiedenen Einkommensgruppen in einem Stadtteil verloren, drohen langfristig amerikanische Verhältnisse mit „Gated Communities“ auf der einen und sozialen Brennpunkten auf der anderen Seite. Die Stadt München hat daher bereits 1987 erste Erhaltungssatzungen erlassen, um den Verdrängungsprozess zu bremsen. In der Ausschusssitzung am vergangenen Mittwoch wurden zwei Erhaltungssatzungen behandelt, eine Verlängerung in Sendling und eine neues Gebiet in Schwabing. Grund genug einmal zu untersuchen, was dieses Werkzeug der Stadtplanung leisten kann und wie es in München zur Anwendung kommt. Wer sich einen vollständigen Überblick zu diesem Thema verschaffen möchte, findet hier eine gut lesbare Broschüre des Stadtplanungsreferats.

Grundsätzlich hat ein Vermieter beim Umgang mit seinem Eigentum freie Hand. So kann er beispielsweise Modernisierungen durchführen oder auch ein Mehrparteienhaus aufteilen, um Wohnungen einzeln zu verkaufen. Allerdings hat die SPD-geführte Bundesregierung bereits 1976 den Städten die Möglichkeit gegeben, steuernd einzugreifen. Im § 172 BauGB findet sich seitdem folgende Regelung:

„Die Gemeinde kann [… ] durch eine […] Satzung Gebiete bezeichnen, in denen […] zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung […] der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen.

Die Stadt kann damit typische Vorgänge, die mit einer Gentrifizierung verbunden sind, prüfen und untersagen. Allerdings enthält § 172 BauGB auch Ausnahmen, in denen eine Genehmigung erteilt werden muss. Die ist beispielsweise der Fall, wenn ein Vermieter einen „zeitgemäßen [keinen Luxus!] Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung“ herstellen möchte, was natürlich zu höheren Mieten führt. Im Ergebnis kann eine Erhaltungssatzung die Aufwertung eines Gebietes nicht verhindern, sondern nur verlangsamen. Das erscheint mir auch richtig, weil bei einer Blockade jeglicher Entwicklungsmöglichkeiten viele Vermieter das wirtschaftliche Interesse an ihren Immobilien verlieren würden, die dann faktisch einem fortschreitenden Verfall preisgeben wären.

Wo liegen Gebiete mit Erhaltungssatzung in München? Ein Frage, die sicher viele Mieter und Vermieter interessiert. Die Stadtverwaltung bietet dazu eine interaktive Karte an (danke Digitalisierung!). Ein Klick auf das entsprechende Gebiet liefert zwei Links zu einer Detaildarstellung und zum Wortlaut der dort geltenden Satzung. Hier ein Beispiel:

Interaktive Karte zu Gebieten in München mit einer Erhaltungssatzung

Wie man sieht, liegen die meisten Gebiete etwas verstreut innerhalb des Mittleren Rings. Das wirft die Frage auf, nach welchen Kriterien Erhaltungssatzungen erlassen werden. Warum sind beispielsweise in Sendling manche Teile abgedeckt und andere nicht?

Ein Blick in eine der Vorlagen des Stadtplanungsschusses vom Mittwoch hilft da weiter. Seit 1987 hat die Stadtverwaltung einen umfangreichen Katalog von Indikatoren entwickelt, anhand dessen der Stadtrat über den Erlass einer Erhaltungssatzung entscheidet:

Indikatoren für den Erlass einer Erhaltungssatzung; Quelle: Vorlage zur Erhaltungssatzung Sendling-Westpark

Vereinfacht gesprochen zeigt das Aufwertungspotential das Alter der jeweiligen Bausubstanz und damit die Wahrscheinlichkeit, dass von Vermietern umfangreiche Modernisierungen vorgenommen werden. Die Gentrifizierungsdynamik drückt das Risiko aus, dass reine Marktkräfte im jeweiligen Gebiet die Mietpreise bestimmen, beispielsweise wenn demnächst viele Wohnungen aus einer Sozialbindung fallen, die bislang die Mieten gedeckelt hat. Die Verdrängungsgefahr wird durch die wirtschaftliche Situation der Bewohner bestimmt und gibt somit an, wie stark sie von Mietpreisanstiegen bedroht sind.

Für jeden Indikator wird ein Vergleich mit Durchschnittswerten für den gesamten Stadtbezirk, für das Gebiet innerhalb des Mittleren Rings und für München insgesamt vorgenommen. Das sieht in der aktuellen Vorlage für die Erhaltungssatzung Sendling-Westpark so aus:

Vergleich der Indikatoren mit Durchschnittswerten für den Stadtbezirk, das gesamte Gebiet innerhalb des mittleren Rings und München insgesamt; Quelle: Vorlage zur Erhaltungssatzung Sendling-Westpark (Hervorhebung hinzugefügt)

In Sendling-Westpark zeigen nur wenige Indikatoren deutliche Abweichungen von den Durchschnittswerten. Maßgebliche Überlegung für die vorgeschlagene Erhaltungssatzung ist wohl die hohe Verdrängungsgefahr aufgrund der niedrigen Kaufkraft und des großen Anteils an Haushalten mit sehr geringen Nettoeinkommen (Indikatoren VG07 und VG08).

So präzise die Erfassung der einzelnen Indikatoren ist, so unscharf erscheint mir jedoch die Bewertung der Ergebnisse. Eine klare Regel, wie viele Indikatoren sich von Durchschnittswerten unterscheiden müssen, um den Erlass einer Erhaltungssatzung zu rechtfertigen, lässt sich nicht erkennen. Noch deutlicher wurde das bei der zweiten Vorlage zu einer weiteren Erhaltungssatzung in Schwabing, die hier nicht im einzelnen diskutiert werden soll. Im Ergebnis werden die Indikatoren nicht gegeneinander abgewogen oder aufaddiert, sondern dienen als ein Reservoir möglicher Begründungen für eine letztlich politisch zu treffende Entscheidung.

Die Diskussion der beiden Vorlagen im Stadtplanungsausschuss verlief entlang vorhersehbarer Fronten. Die FDP war strikt dagegen, mit dem Argument, dass mit den Erhaltungssatzungen Renditemöglichkeiten von privaten Eigentümern eingeschränkt würden, die eine oder mehrere Wohnungen zur privaten Altersvorsorge erworben hätten. Die SPD hat als Wortführer der Rathauskoalition bei diesem Thema die Vorlage vehement verteidigt, unterstützt von den Grünen, die inzwischen auch ihre eigene bürgerliche Wählerklientel von den rasant ansteigenden Mieten bedroht sehen. Auch die CSU hat zugestimmt. Die Notwendigkeit, steuernd in den überhitzten Münchner Mietmarkt einzugreifen, wird damit von einer großen Mehrheit des Stadtrates anerkannt. Das erscheint auch mir die richtige Entscheidung zu sein.

Ob die beiden Erhaltungssatzungen aber wirklich Bestand haben, wird sich möglicherweise erst vor den Gerichten herausstellen. Um dafür gut gerüstet zu sein, wird das Stadtplanungsreferat ein umfassendes Rechtsgutachten in Auftrag geben. Das wird hoffentlich klären, ob die erläuterte Vorgehensweise zum Erlass von Erhaltungssatzungen in München so auch in Zukunft Bestand haben kann oder ob das Verfahren verändert werden muss.

Kinderbetreuung – Muss man wirklich alles fördern?

Die Suche nach Krippen- oder Kindergartenplätzen ist in München nicht einfach. Zwar hat sich die Lage in den letzten Jahren deutlich verbessert, aber der Versorgungsgrad ist in vielen Stadtteilen immer noch unzureichend. Daher versucht die Stadtverwaltung ständig, ihre eigenen Betreuungskapazitäten zu steigern. Gleichzeitig werden Einrichtungen privater Träger mit erheblichen Mitteln gefördert. So standen am Dienstag auf der Tagesordnung des Ausschusses für Kinder- und Jugendhilfe zwei neue städtische Projekte sowie Zuschüsse für insgesamt vier private Neubauten. Schaut man sich die entsprechenden Unterlagen im Detail an, kann man jedoch ins Staunen kommen, wer mit einem Millionenbetrag in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte gefördert wird.

Bei den nicht-städtischen Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen gibt es verschiedene Anbieter. Beispielsweise betreiben die beiden Kirchen zahlreiche Kindergärten. Vielfach haben sich auch Eltern zusammengetan und selbst eine gemeinnützige Kita aufgebaut. Inzwischen gibt es aber auch eine wachsende Anzahl kommerziell betriebener Krippen und Kindergärten, darunter einige, die monatliche Gebühren im vierstelligen Bereich verlangen.

Dagegen ist aus meiner Sicht nichts einzuwenden. Kinderbetreuung und frühkindliche Erziehung sind Dienstleistungen, deren Preis, wenn sie von privater Seite angeboten werden, durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Wer sich beispielsweise als „bilinguale Premium-Kita“ versteht, ausgestattet mit „Bibliothek und Sauna“ für die Kleinen sowie einem eigenen Koch, der jeden Tag „Lebensmittel ausschließlich aus regionaler und biologisch-dynamischer Landwirtschaft“ frisch zubereitet, kann für eine Ganztagesbetreuung in München ohne Probleme weit über 1200 EUR verlangen, zzgl. einer Verpflegungspauschale von 161 EUR. Da bleibt man dann auch unter sich, wie mit entsprechenden „Testimonials“ zufriedener Eltern zum Ausdruck gebracht werden soll:

Als Unternehmerpaar bietet […..] genau den passenden Betreuungsansatz für uns: Absolute Flexibilität, anspruchsvolle Pädagogik und einen tollen Rundum-Service.

Die Kids sind bei […] einfach super aufgehoben. Es macht ihnen sehr viel Spaß jeden Tag. Und wenn ich es mal nicht ganz pünktlich schaffe, werde ich auch nicht schief angeguckt. Dr. [….] Geschäftsführerin.

Nur, muss solch eine Einrichtung mit einem Millionenbetrag durch Steuergelder gefördert werden, insbesondere in Zeiten, in denen jeder Euro zweimal umgedreht werden muss ?

Bei den Betriebskosten erfolgt eine Förderung durch die Stadt München nur dann, wenn die Gebühren abhängig vom Einkommen der Eltern gestaffelt sind und bestimmte Höhen nicht überschreiten oder es sich um eine gemeinnützige Eltern-Kind-Initiative handelt. Dem liegt der Grundgedanke zugrunde, dass öffentliche Fördergelder nur dann eingesetzt werden sollten, wenn eine Betreuungseinrichtung breiten Bevölkerungskreisen zugänglich ist. Kommerzielle Krippen bzw. Kindergärten, die aufgrund ihrer Gebührenhöhe den weitaus größten Teil der Elternschaft ausschließen, gehören nicht dazu.

Anders sieht die Situation bei den Investitionskosten aus. Gemäß einer der Vorlagen für die Sitzung am Dienstag soll die private Kinderbetreuungseinrichtung, von deren Website die obigen Zitate stammen, für einen Neubau in Harlaching einen Baukostenzuschuss von 1,7 Mio EUR erhalten. Dabei handelt es sich nicht um einen Kredit, sondern um eine direkte Auszahlung. Dafür verpflichtet sich die geförderte GmbH für 25 Jahre dort eine Krippe und einen Kindergarten zu betreiben. Damit bezahlt die Stadt München den größten Teil der Baukosten einer kommerziellen Betreuungseinrichtung, die aufgrund ihrer Gebühren nur einem ganz kleinen Teil der Münchner Bevölkerung zugänglich sein wird und deren Betreiber nach 25 Jahren frei über eine Immobilie in Bestlage verfügen können. In der Vorlage wird zwar darauf hingewiesen, dass Teile oder sogar der gesamte Betrag durch den Freistaat Bayern refinanziert werden. Doch auch dort sind die Mittel begrenzt, insbesondere in Zeiten einer Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Folgen.

Nun könnte man einwenden, dass mit dieser Förderung immerhin Betreuungsplätze geschaffen werden, von denen es immer noch zu wenige gibt, auch in Harlaching. Dem ist entgegenzuhalten, dass man mit dem genannten Betrag auch andere Träger unterstützen könnte, die Betreuungsangebote für Kinder schaffen, die nicht nur aus einer ganz exklusiven Bevölkerungsgruppe kommen. Aus meiner Sicht gilt hier nichts anderes als bei der Förderung von Wohnraum, der in München ebenfalls knapp ist. Da käme niemand auf den Gedanken, einem Investor 60% der Baukosten für Luxuswohnungen zu bezuschussen mit dem Argument, dass damit jedenfalls neuer Wohnraum geschaffen wird.

Möglicherweise ist der Grund für diese verfehlte Förderung, dass es bislang keine Regeln gibt, mit der ein Investitionskostenzuschuss für Kinderbetreuungseinrichtungen an eine sozialverträgliche Gebührenstruktur gekoppelt wird. Die Ablehnung der Förderung im Einzelfall durch den Stadtrat könnte daher rechtlich problematisch sein und vor Gericht scheitern. Im Ergebnis wird jetzt ein siebenstelliger Betrag für eine Einrichtung aufgewendet, die sicher nicht dazu dient, die Stadtgesellschaft zusammenzuführen. Denn die so wichtige soziale Durchmischung wird dort eher verhindert als gefördert.

Wirklich überraschend war für mich, dass keine der Stadtratsfraktionen im Ausschuss dazu Stellung genommen hat. Im Gegenteil, die Vorlage wurde ohne jeden Einwand einfach durchgewunken. Maßgeblich war wohl die Überlegung, dass bei einer kompletten Refinanzierung des Zuschusses durch den Freistaat die Stadt ohne eigenen Kosten zusätzliche Krippen- und Kindergartenplätze bekommt – egal welcher Art.

Corona und die Folgen (IV)

Die Pandemie beschäftigt weiterhin in vielfältiger Weise die Kommunalpolitik der Stadt München. Mehrere Berichte auf diesen Seiten haben sich mit der aktuellen Situation in den städtischen Krankenhäusern befasst. Auch die erheblichen Einnahmeausfälle im städtischen Haushalt waren und sind immer wieder Gegenstand von Beratungen des Stadtrates. Die heutige Sitzung des Sozialausschusses (zusammen mit dem Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe) hat deutlich gezeigt, wer von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und der Infektionsschutzmaßnahmen am schlimmsten betroffen ist.

Die Anzahl der Münchner, die Hilfe wegen Überschuldung suchen, ist in den vergangenen Monaten dramatisch angestiegen. Waren es im Februar ungefähr 500 Personen, die Kontakt zur städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung aufgenommen haben, ist diese Zahl im Juli auf fast 1400 gestiegen. Arbeitsplatzverlust, beispielsweise in der Gastronomie oder im Kulturbereich, führen bei vielen Betroffenen zu existentiellen Nöten. Die Folgen des aktuellen „Lockdown light“ sind da noch nicht mit berücksichtigt.

Überschuldung geht häufig mit dem Verlust der eigenen Wohnung einher. Die Anträge für Sozialwohnungen beim Amt für Wohnen und Migration haben um fast 20% zugenommen, von ca. 30.000 in 2019 auf voraussichtlich 35.000 in 2020. Täglich erkundigen sich 600 – 800 Anrufer beim Servicetelefon der Stadt über die Unterstützungsmöglichkeiten bei der Suche nach günstigem Wohnraum.

Vor diesem Hintergrund erscheint es mir trotz der miserablen Finanzlage der Stadt nachvollziehbar, wenn das Sozialreferat mit seiner heutigen Sitzungsvorlage zusätzliche Stellen zur Beratung von in Not geratenen Münchnerinnen und Münchner schaffen möchte. Dafür werden Personalkosten von jährlich ca. 1.3 Mio EUR beantragt, allerdings befristet für die nächsten drei Jahre. Damit sollen die langen Verfahrensdauern – vier Monate bis zu einem Beratungstermin bei der Schuldnerberatung und sechs Monate bis zu einen Wohnungsbescheid – verkürzt werden.

Zum Vergleich: Das Gesamtbudget des Sozialreferats für 2021 liegt gemäß der ebenfalls heute vorgelegten Haushaltsplanung bei knapp 1,5 Mrd EUR und ist damit geringfügig höher als in 2020.

Bestandteile des Aufwandsbudgets des Sozialreferats 2019 – 2021 (Planung); Quelle: S. 4 der Vorlage zur Haushaltsplanung

Wo es im Haushalt des Sozialreferats Einsparmöglichkeiten gibt, soll bis Mitte 2021 im Rahmen einer detaillierten „Aufgabenkritik“ genauer untersucht werden. Die Anzahl der Mitarbeiter ist bereits rückläufig, von rechnerisch etwa 3700 Vollzeitbeschäftigen in 2018 auf 3637 in 2020.

Die Stadträte haben den zusätzlichen Stellen für die oben genannten Beratungsangebote mit großer Mehrheit zugestimmt. Allerdings waren sie optimistischer im Hinblick auf das baldige Ende der Pandemie, so dass auf einen Änderungsantrag der Grünen und SPD hin die Befristung der meisten Stellen auf zwei Jahre verkürzt worden ist. Es bleibt zu hoffen, dass wir dann das Virus und seine Folgen tatsächlich hinter uns haben.

Mobilfunkausbau: Vorfahrt für die Stadtwerke

Schon einmal ist auf diesen Seiten über die Schwierigkeiten des Mobilfunkausbaus in München berichtet worden. Am vergangenen Donnerstag hat die Vollversammlung des Stadtrates mit den Stimmen der grün-roten Mehrheit einen wegweisenden Beschluss zu diesem Thema verabschiedet. Danach soll der Aufbau des 5G-Netzes bevorzugt mit Mikrozellen erfolgen, wobei die Stadtwerke mit ihrer Tochter M-Net eine koordinierende Rolle übernehmen werden.

Ausgangspunkt der Diskussion war eine Vorlage des Referats für Arbeit und Wirtschaft, um die Genehmigung von neuen Mobilfunkanlagen zu beschleunigen. Die Bearbeitungsdauer von im Schnitt eineinhalb Jahren liegt an einem verwaltungsinternen Dauerstreit zwischen dem Referat für Arbeit und Wirtschaft und anderen Referaten, die Eingriffe in das Stadtbild und in Grünflächen durch zusätzliche Mobilfunkanlagen minimieren möchten.

Neue Standorte werden zum einen für das bestehende Netz aus 4G-Makrozellen benötigt aber auch für das zukünftige 5G-Netz. Und genau hier setzt der Gestaltungswille der Rathausmehrheit an. Mit einem Änderungsantrag vorgestellt von der SPD-Fraktion wurde eine Festlegung getroffen, dass das 5G-Netz bevorzugt mit Mikrozellen aufgebaut wird. Ferner sollen die Stadtwerke in Zukunft für den gesamten Netzausbau eine koordinierende Funktion übernehmen und wo immer möglich, Standorte von den vier Netzbetreibern gemeinsam genutzt werden („Sharing-Modell“).

Die CSU-Fraktion fand dieses Konzept nicht überzeugend. Damit entstünde lediglich eine weitere „Schnittstelle“ ohne Entscheidungsbefugnis, die den Stillstand beim Genehmigen neuer Standorte nicht überwinden könne. Außerdem hätten die Stadtwerke gar kein Interesse an diesem Thema, da sie kein Mobilfunkbetreiber seien. Schließlich sei das Sharing von Mobilfunkmasten auch jetzt schon ständige Praxis.

Der zweite und der dritte Einwand wurden von einem Vertreter von M-Net und einer Vertreterin der Stadtwerke sofort widerlegt. M-Net betreibt ein flächendeckendes Glasfasernetz in München und hat nach eigener Aussage ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, dieses Netz mit dem Anschluss von 5G-Mikrozellen zusätzlich auszulasten. Zugleich können die Stadtwerke den Strom für die Mikrozellen liefern und zum Teil auch weitere geeignete Mobilfunkstandorte auf ihren Liegenschaften anbieten. Im Übrigen werde Sharing in München mit seiner hohen Mobilfunknachfrage anders als im ländlichen Raum von den Netzbetreibern bislang nicht praktiziert.

Aus meiner Sicht ist es stimmig, die Stadtwerke am 5G-Ausbau zu beteiligen. Wie von der SPD-Fraktion zu Recht angemerkt, gehört ein leistungsfähiger Mobilfunk zur Daseinsvorsorge. Ein starker öffentlicher Einfluss ist daher genauso wichtig wie in anderen Bereichen der öffentlichen Infrastruktur (Strom, Wasser, Gesundheit, etc.). Die Bedenken der ÖDP, dass dadurch rechtliche Probleme zu erwarten seien, halte ich im Grundsatz nicht für gerechtfertigt, da M-Net nicht als Wettbewerber der Mobilfunkbetreiber auftritt, sondern als Grundlagenanbieter für den Aufbau der weiteren Infrastruktur. Trotzdem sind Interessenkollisionen nicht ganz ausgeschlossen, wenn die Stadtwerke einerseits den Genehmigungsprozess für neue Anlagen koordinieren sollen und andererseits daran auch wirtschaftlich partizipieren wollen.

Auch die Festlegung auf Mikrozellen als bevorzugtes Infrastrukturelement für den 5G-Netzaufbau finde ich richtig. Wie vom Vertreter von M-Net bereits früher ausgeführt, können damit Netzwerke aufgebaut werden, die eine hohe Leistungsfähigkeit mit geringsten Eingriffen in das Stadtbild verbinden. Das ist die richtige Zielvorgabe für den weiteren Mobilfunkausbau in einer dicht besiedelten Großstadt wie München mit seiner historisch gewachsenen Architektur.

Zweifelhaft ist allerdings weiterhin, wie der Stillstand in der Verwaltung bei den anstehenden Genehmigungsverfahren überwunden werden kann. Dieser Punkt, der ja der Ausgangspunkt der Vorlage gewesen ist, scheint immer noch ungelöst. Das ist schade, denn die Diskussion im Stadtrat hat auch gezeigt, dass es neben dem in weiter Ferne liegenden autonomen Fahren auch andere Anwendungen gibt, die von schnellem Mobilfunk profitieren werden und damit auch neue wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten mit sich bringen.

Die aktuelle Corona-Lage in München: Licht und Schatten

Wo stehen wir in der zweiten Welle? Sind die Zahlen endlich rückläufig oder braucht es weitere Maßnahmen? Wie sieht es in den Krankenhäusern und Heimen aus? Sind die Schulen Hotspots? Das sind Fragen, zu denen es meistens nur auf Bundes- und Landesebene Antworten gibt. Die gestrige Vollversammlung des Stadtrats hat jedoch die Möglichkeit geboten, sich ein aktuelles Bild der Lage in München zu verschaffen.

Wie bereits vor einem Monat hat zunächst der Leiter der Branddirektion einen Überblick gegeben, gefolgt von Fragen und Kommentaren aus den Reihen des Stadtrats.

1. Das Infektionsgeschehen

Auf muenchen.de informiert die Stadt weiterhin tagesgenau über die 7-Tage Inzidenz und weitere Daten zum Verlauf der Pandemie in München. Seit dem 13. November sind die Infektionszahlen rückläufig, aber immer noch auf hohem Niveau:

Leicht rückläufige Werte für die 7-Tage Inzidenz in München; Quelle: muenchen.de

Der Oberbranddirektor war jedoch optimistisch, dass sich der Trend nach unten fortsetzt.

2. Tests und Nachverfolgung

Die Kapazität der städtischen Teststation auf der Theresienwiese steigt weiter, von gegenwärtig 8.700 Tests auf 11.200 Test pro Woche. Daneben gibt es mobile Teststationen, beispielsweise für Schulen, mit einer zusätzlichen Kapazität von bislang 7000, demnächst 10.500 Tests.

Zur effektiven Pandemiebekämpfung ist die unmittelbare Benachrichtigung von positiv Getesteten und ihren Kontaktpersonen entscheidend. Gegenwärtig sind in München etwas weniger als 7000 Personen infiziert, die im Schnitt jeweils vier Kontaktpersonen benennen. Damit müssen insgesamt etwa 35.000 Personen nachverfolgt werden – keine leichte Aufgabe.

Zwei Probleme treten dabei auf: Zum einen hat sich in den letzten Wochen die Bearbeitung in den Laboren verzögert und es kam zu Rückstaus von bis zu 5 Tagen. Zum anderen war die personelle und räumliche Ausstattung der Nachverfolgungsteams in München unzureichend. Das soll sich ändern. Dazu hat die Stadt eine Messehalle angemietet, in der ab Dezember 400 Mitarbeiter mit Call-Center-Ausstattung ihre Arbeit aufnehmen werden. Aber auch schon vorher soll es bei der Weiterleitung von Testergebnissen der Labore keine Verzögerungen mehr geben. Auf Nachfragen der CSU-Fraktion konnte die Leiterin des Gesundheitsreferats bestätigen, dass jedenfalls ab sofort positiv Getestete unmittelbar über eine App („Doctor Box“) informiert werden und spätestens 24 Stunden später zusätzlich per Brief.

3. Intensivbetten

Die Anzahl der aktuell freien Intensivbetten in München wird nicht nur durch die Anzahl der Patienten bestimmt (aktuell 88). Maßgeblich ist auch wieviel Kapazität die Krankenhäuser bereitstellen, indem sie andere Operationen verschieben und dafür – jedenfalls kurzfristig – finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Gegenwärtig gilt „Level 2“, d.h. noch ist es den Krankenhäusern selbst überlassen, inwieweit sie Betten für Corona Patienten freihalten. Die folgende Tabelle aus der Präsentation des Oberbranddirektors zeigt auch die weiteren Level 3 und 4:

Die Kapazitäten der Münchner Krankenhäuser; Quelle: Präsentation des Oberbranddirektors

Mit „Level 4“ wären insgesamt 500 Betten verfügbar, das ist mehr als das Fünffache der aktuellen Belegung, allerdings nur dann, wenn alle nicht lebensrettenden Operationen in München verschoben würden. Im Lichte der Infektionszahlen rechnet der Oberbranddirektor mit einem leichten weiteren Anstieg der Belegung, bevor in einer knappen Woche auch hier die Zahlen zurückgehen sollten.

3. Schulen

Inzwischen stellt die Stadt München auf ihrer Website auch die Zahlen zur aktuellen Situation an den Schulen dar. Dort findet man folgendes Bild:

Das Infektionsgeschehen an Münchens Schulen; Quelle: muenchen.de

Deutlich hat der Oberbranddirektor darauf hingewiesen, dass das Infektionsgeschehen hier sehr überschaubar ist. Insgesamt 219 Kinder sind aktuell erkrankt und 18 Lehrkräfte. Bei insgesamt fast 7000 aktuell erkrankten Münchnerinnen und Münchnern sind das gerade einmal 3,5% aller Krankheitsfälle. Auch die Anzahl der Klassen in Quarantäne liegt für fast alle Schularten bei weniger als 5%. Das bedeutet, dass mehr als 95% aller Schüler von der Maskenpflicht einmal abgesehen ganz normal unterrichtet werden können.

In der Diskussion hat der Oberbürgermeister – wie ich finde zu Recht – angemerkt, dass diese Situation keine Abweichung vom Regelbetrieb in den Schulen rechtfertigen kann. Es bleibt zu hoffen, dass die aufgeregte Diskussion auf Landes- und Bundesebene nicht zu anderen Vorgaben führen wird.

4. Pflegeheime

Nach den Ausführungen des Oberbranddirektors ist die Situation erheblich besser als im Frühjahr. Dennoch gelten in der zweiten Welle schon wieder 20 Pflegeeinrichtungen in München als Hotspots mit mehreren Infizierten. Insgesamt 183 Heimbewohner sind bereits erkrankt. Die extreme Altersabhängigkeit des mit Corona verbundenen Sterberisikos lässt nichts Gutes erwarten. Ein Blick auf die Münchner Corona Todesfallstatistik zeigt in aller Deutlichkeit die Gefahren für ältere und hochbetagte Münchnerinnen und Münchner:

Altersverteilung der an Corona Verstorbenen in München: Fast 2/3 der Fälle waren über 80 Jahre alt und damit häufig in Pflegeeinrichtungen untergebracht. Quelle: muechen.de

Warum es offensichtlich auch in der zweiten Welle nicht ausreichend gelingt, den Virus von den hochgefährdeten Heimbewohnern fernzuhalten, wurde durch die Nachfrage des ÖDP-Stadtrates klar: Eine vorbeugende regelmäßige Reihentestung des Pflegepersonals findet in München gegenwärtig nicht statt, weder mit PCR-Tests noch mit Schnelltests. Laut Aussage des Oberbranddirektors sind vom Freistaat bislang 5000 Schnelltests ausgegeben worden, wobei unklar blieb, ob das die Stadt München oder ganz Bayern betrifft. Die Leiterin des Sozialreferats konnte ergänzen, dass das Münchenstift, der Betreiber der städtischen Pflegeheime, ab Dezember in der Lage sein wird, sein Personal einmal die Woche zu testen.

Meiner Meinung nach kommt das viel zu spät und ist immer noch kein ausreichender Schutz der Heimbewohner. Wird ein Mitarbeiter am Montag getestet und steckt er sich am Dienstag irgendwo an, besteht ein erhebliches Risiko, dass er ab Donnerstag oder spätestens Freitag anfängt, den Virus an Heimbewohner weiterzugeben. Der Stadt München ist allerdings kein Vorwurf zu machen. Das Problem liegt vielmehr an der mangelnden Verfügbarkeit von Tests und damit der völlig verfehlten Teststrategie des Freistaats, wie die Gesundheitsreferentin in der Vollversammlung zutreffend festgestellt hat. Viel zu lange hat sich die Staatsregierung darauf fokussiert, durch frei verfügbare Test das allgemeine Infektionsgeschehen in der Bevölkerung herunterzudrücken. Daher hat man jetzt, auf dem Höhepunkt der zweiten Welle, keine ausreichende Testkapazität, um sämtliches Pflegepersonal mindestens alle zwei Tage zu testen. Die Folge ist das Bayern sowohl absolut als auch relativ zur Bevölkerung die meisten Toten in Heimen hat, wie das RKI vor zwei Tagen berichtet hat.

Unverständlich ist mir insbesondere der noch immer nicht behobene Mangel an Schnelltests in Bayern. Zum Vergleich, die Slowakei hat es bereits Ende Oktober geschafft, ihre gesamte Bevölkerung damit zu testen. Dasselbe findet in den nächsten Tagen in Südtirol statt. Es müssen daher deutlich mehr als die oben erwähnten 5000 Stück am Markt erhältlich gewesen sein.

Das Ganze ist sehr bitter, nicht nur für die Heimbewohner in München selbst, sondern auch für deren Angehörige, die in den nächsten Monaten noch in großer Unruhe sein werden, bis der Beginn der Impfung das Problem hoffentlich beenden wird.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Corona-Lage in München nicht außer Kontrolle ist, weder in der allgemeinen Bevölkerung, noch in den Krankenhäusern und schon gar nicht in den Schulen. Aber es bleibt schwierig, denn der weitere Infektionsverlauf ist immer noch unsicher und die Gefahr ist für hochbetagte Münchnerinnen und Münchner, die auf Pflege angewiesen sind, weiterhin sehr hoch.

Ein großes Softwareprojekt

Wer in einem Unternehmen in der IT- oder Finanzabteilung Verantwortung trägt, kennt die enormen Herausforderungen, die der Umstieg auf eine neue Software mit sich bringt. Bereits in 2019 hat sich der Stadtrat mit einem Grundsatzbeschluss und einem Umsetzungsbeschluss entschieden, im Rahmen des Projekts „digital4finance“ das 20 Jahre alte SAP-System der Stadt durch die aktuelle SAP S4/HANA Software zu ersetzen. Bei über 6000 städtischen SAP-Anwendern ist offensichtlich, welche Bedeutung dieses Projekt für die Münchner Stadtverwaltung hat.

Im Finanzausschuss am vergangenen Dienstag war es daher eine gute Nachricht, dass der Softwareumstieg bislang im Zeitplan liegt. Mit knapp 154 Mio EUR wird es vielleicht noch ein paar Millionen günstiger als zunächst geplant. Dabei kann München leider nicht auf die Erfahrungen anderer Städte zurückgreifen. Im Umsetzungsbeschluss heißt es dazu:

….im Rahmen des Städtetages [wurde] bei den Großstadtkämmerern der aktuelle Stand der eigenen Planungen für S/4HANA abgefragt. Derzeit existieren jedoch noch keine Vergleichsprojekte, die bereits eine belastbare Kostendarstellung zur Verfügung stellen könnten.

München ist somit für die neue Software eine Art Referenzkunde. Wenn der Umstieg hier scheitert, so der Kämmerer, scheitert damit auch SAP S4/HANA, jedenfalls im öffentlichen Sektor.

Wo steht nun die Einführung des neuen Systems ? Wie bei jedem Umzug ist ein erster Schritt das Entrümpeln. Ineffiziente Prozesse in der Verwaltung werden nicht dadurch besser, dass man sie mit einer neuen Software abbildet. Mit ca. 150 sogenannten „Fit-2-Standard“ Workshops wird gegenwärtig untersucht, inwieweit Vorgänge in der Münchner Stadtverwaltung durch Standardprozesse der neuen Software abgebildet werden können.

Flussdiagram der Workshops zur Konfiguration der neuen Geschäftsprozesse; Quelle: Sachstandsbericht der Stadtkämmerei

Soweit das nicht der Fall ist, wird entschieden, ob der Verwaltungsvorgang vereinfacht werden kann oder ob tatsächlich individuelle Anpassungen der Software benötigt werden:

Auswertung der Workshops und Anpassung der Prozesses bzw. der Software; Quelle: Sachstandsbericht

Und was hat der Münchner Bürger davon ? Zunächst einmal die Hoffnung auf eine effizientere Verwaltung. Beispielsweise gelingt es dann vielleicht, fällige Beiträge ohne große Zeitverzögerung in Rechnung zu stellen und nicht erst Jahre später wie früher für den Unterricht der städtischen Musikschule.

Darüber hinaus soll das neue System auch modernere Formen der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen ermöglichen. Im aktuellen Sachstandsbericht wird als Beispiel („Show Case“) die Anmeldung eines neuen Hundes bei der Stadtverwaltung gezeigt, ein Vorgang, der bei über 36.000 Hunden in München eine gewisse Bedeutung hat. Bislang funktioniert die Online-Anmeldung so:

Ablaufdiagramm der bisherigen Vorgänge zur Anmeldung eines neuen Hundes in München; Quelle: Sachstandsbericht

Ohne auf die Details einzugehen erkennt man, dass der Anmelder bislang jede Menge Tastatureingaben in Onlineformulare vornehmen muss und in der Verwaltung noch Papierakten dazu geführt werden.

In Zukunft soll ein mit künstlicher Intelligenz versehener Computer den Anmelder in einer Art Gespräch( Fachbegriff „Chatbot“) mit einer entsprechenden App durch den Anmeldevorgang führen:

Chatbot für die Anmeldung eines Hundes bei der Stadt München, einschließlich automatischer Erkennung der Hunderasse; Quelle: Sachstandsbericht

Zweifelsohne eine intelligente Lösung, insbesondere wenn die erzeugten Daten in Zukunft auch innerhalb der Verwaltung nur noch digital bearbeitet werden. Man fragt sich allerdings, ob ein erheblicher Teil der Hundehalter wirklich mit solch einer App umgehen kann und will oder nicht weiterhin einen persönlichen Ansprechpartner in der Stadtverwaltung bevorzugt.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass der Umstieg auf die neue Software weiterhin ohne Zeitverzug und Kostensteigerung funktioniert und das neue SAP-System wie geplant ab 2023 stufenweise in Betrieb gehen kann.