Corona und die Kriminalität in München

Wer diesen Seiten schon etwas länger folgt, wird sich vielleicht an einen Bericht zum Sicherheitsreport 2019 erinnern. Die damaligen Überlegungen zur guten Sicherheitslage in München gelten – jedenfalls auf den ersten Blick – auch für den Sicherheitsreport 2020, der gestern im Kreisverwaltungsausschuss vorgestellt worden ist. Man sieht auch, dass die zahlreichen Corona-Maßnahmen wenigstens einen Vorteil haben: Die Sicherheitslage ist 2020 in vielen Bereichen noch besser geworden. Auf den Punkt gebracht kann man das am Schusswaffengebrauch der Münchner Polizei ablesen:

Käme ein Polizist aus Chicago nach München, würde er vermutlich nach wenigen Wochen aus Langeweile seinen Job aufgeben.

Ein genauerer Blick auf das umfangreiche Zahlenwerk des Sicherheitsreports 2020 zeigt jedoch einige Verschiebungen in den Statistiken und auch beunruhigende Entwicklungen. Denn wie im Einzelhandel führt Corona zu einer Art „Strukturwandel“ der Kriminalität, der im Folgenden kurz beleuchtet werden soll:

Diebstahl ist in Zeiten des überall geltenden Abstandsgebots und der Ausgangsbeschränkungen offensichtlich viel schwieriger geworden. So sind beispielweise Taschendiebstähle im ÖPNV um fast 25 % zurückgegangen. Kein Wunder, wenn es keine vollen U-, S- oder Straßenbahnen mehr gibt und bereits das Eindringen in den persönlichen Corona-Umkreis mit einem Radius von 1,5m als Bedrohung empfunden wird.

Auch die Anzahl der Wohnungseinbrüche hat im vergangenen Jahr weiter deutlich abgenommen.

Rückgang der Wohnungseinbrüche in München
seit dem Höhepunkt in 2016. Im 2020 noch einmal um mehr als 10%.

Bei Reise- und Ausgangsbeschränkungen mit andauerndem Homeoffice muss ein Einbrecher fast immer damit rechnen, Bewohner der Wohnung oder des Hauses anzutreffen. Das schreckt ab. Zudem ist der „Bandentourismus“ von zumeist osteuropäischen Einbrecherbanden durch die Grenzschließungen eingeschränkt.

Auf der anderen Seite ist der Bereich der Computerkriminalität stark angestiegen:

Entwicklung der Computerkriminalität im Bereich des Polizeipräsidiums München (Stadt und Landkreis). Man erkennt die sprunghafte Zunahme in 2020.

Angriffe auf Computer von Münchnerinnen und Münchner erfolgen vielfach aus dem Ausland, wie mit den verschiedenen Farben im Bild oben für die unterschiedlichen Tatorte dargestellt. Den größten Anteil an der Computerkriminalität hat mit über 21% das Ausspähen von Zugangsdaten zur Vorbereitung eines späteren Betrugs – beispielsweise mit den bekannten Phishing-Emails. Manch einer, der mit wenig Erfahrung und Kenntnissen im Lockdown mit dem Online-Shopping begonnen hat, könnte hier ein Opfer geworden sein.

In seinem Vortrag vor dem Ausschuss ist der Münchner Polizeipräsident Thomas Hampel auch auf die Frage eingegangen, ob der Lockdown zu mehr häuslicher Gewalt geführt hat. Der erfasste Anstieg von 2930 auf 3016 Fälle ist nach Auffassung des Polizeipräsidenten innerhalb der „normalen“ Schwankungsbreite. In der Diskussion wurde von den Ausschussmitgliedern jedoch auf anderslautende Berichte von Opferverbänden wie dem Weißen Ring hingewiesen und eine hohe Dunkelziffer vermutet.

Anzahl der Fälle häuslicher Gewalt in der Polizeistatistik

Aus meiner Sicht wird erst der Sicherheitsreport 2021 ein klareres Bild für einen Jahresvergleich liefern, da der weitaus größere Teil des immer noch andauernden Lockdowns im laufenden Jahr liegt. Wie bereits in einem anderen Bericht ausgeführt, zeigen genauere Zahlen für die einzelnen Monate durchaus eine signifikante Zunahme häuslicher Gewalt im Zeitraum des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020.

Erheblich angestiegen sind die Zahlen im Bereich der Sexualdelikte, allerdings in erster Linie durch verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit – #MeToo -, aber auch durch internationale Zusammenarbeit der Polizeibehörden bei der Verfolgung von Kinderpornographie.

Ein weiterer Schatten auf der ansonsten so guten Sicherheitslage ist die deutliche Zunahme der politisch motivierten Kriminalität an beiden Enden des politischen Spektrums. Ein genauerer Blick auf die Statistik zeigt, dass rechte und linke Extremisten unterschiedliche Schwerpunkte haben:

Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität in 2020, aufgeteilt nach Fallgruppen. Die Abkürzung „AQ“ bedeutet Aufklärungsquote. Insgesamt ergibt sich eine Zunahme der Fallzahlen von fast 50%.

Sowohl aus der Tabelle als auch aus zusätzlichen Erläuterungen im Bericht sieht man, dass rechtsextreme Gewalt häufig zu Körperverletzungen führt (57 Fälle der insgesamt 61 Gewaltdelikte in der Tabelle oben) und hier die Zahlen deutlich gestiegen sind. Gewaltdelikte linksextremer Täter sind nur zu einem kleineren Teil Körperverletzungen, sondern werden vielfach als gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr klassifiziert. Erschreckend ist auch die hohe Zahl der Sachbeschädigungen mit einer Steigerung von 30% gegenüber 2019. Allerdings ist laut Sicherheitsreport der größte Teil davon das Aufsprühen von irgendwelchen Parolen, die nur kleinere Schäden verursachen.

Ob die Corona-Pandemie nicht nur in Einzelfällen, sondern insgesamt mit dem starken Anstieg der Fälle politisch motivierter Kriminalität in Zusammenhang steht, ist den Daten leider nicht zu entnehmen und wurde auch im Ausschuss nicht diskutiert. Die Fragen der Stadträtinnen und Stadträte betrafen in erster Linie die in der Öffentlichkeit viel beachteten Demonstrationen von Gegnern der Corona-Maßnahmen. Gefragt wurde insbesondere, ob die Polizei bei zahlreichen Regelverstößen nicht härter einschreiten sollte.

Aus meiner Sicht hat der Polizeipräsident dazu sehr abgewogen geantwortet: Bei Versammlungen sind die rechtlichen Hürden für ein Einschreiten der Polizei vergleichsweise hoch. Ordnungswidrigkeiten durch Versammlungsteilnehmer können nicht ohne Weiteres das Beenden einer Versammlung begründen, auch und gerade unter Abwägung der Folgen eines gewaltsamen Einschreitens der Polizei. Denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt bei allem Ärger über massenhafte Regelverstöße auch hier – genauso wie bei allen anderen Demonstrationen.

Insgesamt erscheint mir beim genaueren Hinschauen das Bild der Sicherheitslage in München etwas gemischt. Insbesondere im Bereich der Sexualdelikte aber auch im Bereich der politisch motivierten Kriminalität werden erhebliche Anstrengungen der Polizei, der Politik und der ganzen Stadtgesellschaft erforderlich sein, um ein weiteres Ansteigen der Fälle zu verhindern. Wie die Sicherheitslage sich nach dem Ende der Pandemie entwickeln wird, lässt sich gegenwärtig nicht vorhersehen.

Verkehrsversuch – Zwischenlösung – Dauerlösung

Mit diesen drei Stufen könnte man die weitere Entwicklung der Pop-Up-Radwege in München zusammenfassen. Nach der Entscheidung über eine Vorlage im Mobilitätsausschuss am vergangenen Mittwoch werden im April / Mai vier Radwege wieder auferstehen, die im Herbst beseitigt worden sind. Diesmal allerdings längerfristig und in leicht veränderter Form, um die Erfahrungen aus dem Sommer 2020 und die inzwischen durchgeführte Bürgerbeteiligung zu berücksichtigen. Denn bei der Radverkehrsplanung im engen innerstädtischen Raum steckt der Teufel im Detail.

Zur Erinnerung: Kurz nach dem Höhepunkt der ersten Corona Welle im Frühjahr 2020 entstanden auch in München mehrere Pop-Up Radwege auf bisher vom Autoverkehr genutzten Fahrspuren. Allerdings war die offizielle Begründung nicht ein befürchtetes Infektionsrisiko bei der Benutzung des ÖPNV. Stattdessen wurden die Radwege als „Verkehrsversuch“ bezeichnet, mit dem die Verwaltung Erfahrungen für die Planung von dauerhaften Radwegen gewinnen wollte. Im Herbst wurden die Radwege wieder beseitigt – obwohl die Inzidenzzahlen gerade rasant am Steigen waren. Damit wurde Zeit gewonnen, um die vom Oberbürgermeister immer wieder betonte Bürgerbeteiligung zu ermöglichen und mit den unmittelbar betroffenen Anwohnern und Gewerbetreibenden den genauen Verlauf der Radwege zu diskutieren.

Im Folgenden werden die vier Projekte aus der Vorlage kurz dargestellt:

1. Rosenheimer Straße

Zwischen Rosenheimer Platz und Orleansstraße gibt es gegenwärtig keinen Radweg, aber jeweils zwei Fahrspuren für den KfZ-Verkehr in beide Richtungen. Alternative Radstrecken von Ramersdorf / Perlach Richtung Innenstadt sind hier aufgrund der Gebäudeverteilung unmöglich. Denn anders als vom CSU-Fraktionsvorsitzenden im Ausschuss vorgetragen, verläuft die Balanstraße nicht parallel zur Rosenheimer Straße und stellt damit keine mögliche Alternative da.

Rosenheimer Straße und Balanstraße zwischen Rosenheimer Platz und Orleanstraße. Die beiden Straßen bedienen offensichtlich ganz unterschiedliche Verkehrsrichtungen.

Aus meiner Sicht führt kein Weg an einer Reduzierung der Fahrspuren vorbei, um durchgängig ein sicheres und attraktives Radeln auf der Rosenheimer Straße zu ermöglichen.

Allerdings entsteht durch die Verringerung auf nur noch eine Fahrspur stadteinwärts eine Rückstaugefahr im Kreuzungsbereich mit der Orleansstraße:

Detailplanung des Kreuzungsbereichs zwischen Orleanstraße und Rosenheimerstraße. Im rot markierten Bereich werden die zwei Fahrspuren auf eine reduziert. Rückstaus in den Kreuzungsbereich könnten die Folge sein, durch die unter anderem der Busverkehr entlang der Orleanstraße (im Plan von oben nach unten) behindert würde. (Quelle: Anlage 4 zur Vorlage)

Gegebenenfalls, so die Vorlage, könnte durch eine Anpassung einer Ampelschaltung der Zulauf von Fahrzeugen in den Kreuzungsbereich bereits vorab reduziert werden, um solche Rückstaus zu vermeiden. Im weiteren Verlauf Richtung Stadtmitte treten keine größeren Probleme mehr auf. Als Ergebnis der Gespräche mit den Gewerbetreibenden und Anwohnern wird es auf Kosten einiger Parkplätze zwei Lieferzonen geben, in denen Fahrzeuge kurz halten können, ohne dass Radler auf dem Radweg behindert werden.

2. Theresienstraße

Auch hier soll der Radweg aus dem Sommer 2020 wieder auferstehen, was erneut zu einem Wegfall von einer der zwei Fahrspuren führen wird.

Istzustand der Theresienstraße. Die rechte der beiden Fahrspuren der Einbahnstraße wird wieder zum Radweg. (Quelle: Google Maps)

In der Veranstaltung zur Bürgerbeteiligung zu diesem Projekt wurde insbesondere die Neugestaltung von Kreuzungen diskutiert. Dabei geht es darum, ob der zukünftige Radweg rechts neben einer Abbiegespur verlaufen soll oder besser als Radverkehrsstreifen (RFS) in der Mitte, wie in dieser Abbildung aus der Vorlage vorgeschlagen:

Verlauf eines Radweges mit Mittelstreifen im Kreuzungsbereich. Rechtsabbiegende Fahrzeuge queren den Radweg weit vor der eigentlichen Kreuzung. Die typische Gefährdungssitutation für Radler im Kreuzungsbereich durch Rechtsabbieger wird dadurch vermieden. (Quelle: S. 9 der Vorlage der Verwaltung)

Üblicherweise verläuft ein Radweg ganz rechts neben allen Fahrspuren. Wenn im Kreuzungsbereich gefährliche Unfälle zuverlässig vermieden werden sollen, verlangt dies jedoch immer eine Ampel, die so geschaltet ist, dass Kollisionen zwischen rechts abbiegenden Fahrzeugen und Radfahrern ausgeschlossen sind. Im Verkehrsfluss kostet das aber zusätzliche Zeit. Gemäß der Vorlage wird bei der jetzigen Planung der neuen Radwege daher die Variante des Mittelstreifens bevorzugt.

Aus meiner (jahrelangen Radler-) Sicht ist der Mittelstreifen die richtige Lösung, vorausgesetzt

– der Streifen ist hinreichend breit, damit sich auch unerfahrene Radler dort sicher fühlen, und

– die Autos fahren langsam, d.h. Tempo 30.

Dann erscheint mir der Spurwechsel der Autos auf die Abbiegerspur über den Radweg hinweg kein Problem, da die Geschwindigkeitsunterschiede gering sind und Autofahrer – anders als an der eigentlichen Kreuzung – nicht überfordert sind, beim Überfahren des Radstreifens genau auf die Radler zu achten.

3. Gabelsbergerstraße

Hier ist in ähnlicher Weise ein Radweg auf einer der beiden Fahrspuren der bislang zweispurigen Einbahnstraße geplant. Im Bereich der Bushaltestelle an den Pinakotheken werden laut Vorlage zusätzlich zur Fahrspur etwa 15 Parkplätze entfallen müssen, um einen Konflikt zwischen Radlern, dem Bus und den Autos an der Kreuzung mit der Barer Straße zu vermeiden.

4. Elisenstraße

Stark umstritten war im Ausschuss der geplante Radweg in der Elisenstraße. Wie bereits im Verkehrsversuch im Sommer 2020 soll auch der wieder auferstandene Radweg dazu führen, dass in beiden Richtungen jeweils eine der beiden Fahrspuren entfällt.

Istzustand in der Elisenstraße, Blickrichtung Westen. (Quelle: Google Maps)

Die CSU hat mit einem Änderungsantrag versucht, den Ausschuss davon zu überzeugen anstelle der Fahrspuren auf die seitlichen Parkplätze zu verzichten. Dies fand jedoch keine Mehrheit, auch wegen des Arguments der Verwaltung, dass jedenfalls an den Kreuzungen am Lenbachplatz und mit der Luisenstraße ohnehin in beiden Richtungen eine Fahrspur entfallen müsse. Ein zweispuriger Ausbau dazwischen brächte daher keine Vorteile für den KfZ-Verkehr. Erst dann, wenn beide Kreuzungsbereiche komplett neu geplant und völlig umgebaut würden, sei eine Verlagerung auf die Parkplätze denkbar und werde in diesem Zusammenhang auch geprüft.

Dies zeigt exemplarisch, was für alle vier Projekte gilt: Auch die im April / Mai wieder auferstehenden Radwege – mit weißen Streifen dauerhaft markiert – sind nur eine Zwischenlösung. Nicht nur in der Elisenstraße, sondern auch in den anderen drei Straßen wird die gesamte Planung fortlaufend weiterentwickelt, bevor die Radwege in einigen Jahren in ihrer Endfassung auch mit roter Farbe flächig markiert werden. Kosten werden die geplanten vier Zwischenlösungen zusammen etwa 600.000EUR, wie auf Nachfrage in der Ausschusssitzung bekannt wurde.

Mir scheint das gut angelegtes Geld – und im Vergleich zu Kosten des Straßenbaus und auch des ÖPNV sehr gering. Denn alle vier Strecken sind für den Radverkehr im Innenstadtbereich von München von erheblicher Bedeutung. Wenn die Verkehrswende in München endlich vorankommen will, müssen diese Radwege jetzt zügig gebaut werden. Und wenn sich dabei an manchen Stellen weiterer Optimierungsbedarf herausstellt und der endgültige Streckenverlauf noch verändert wird, schadet das nicht. In jedem Fall ergibt sich daraus kein Argument, auf diese Radwege noch länger zu warten.

Corona senkt die Stickoxidbelastung in München

So könnte man in Kurzform die Ergebnisse der umfangreichen Serie von NO2-Messungen bezeichnen, die gestern im Ausschuss für Klima und Umwelt vorgestellt worden sind. In Wirklichkeit sind die Zusammenhänge natürlich komplizierter, wie im Folgenden erläutert wird:

2018 und 2019 hat der Stadtrat beschlossen, insgesamt 44 kommunale NO2-Messstationen aufzustellen, zusätzlich zu den bestehenden fünf Messanlagen des Bayrischen Landesamts für Umwelt. Mit einer Vorlage des Klima- und Umweltreferats wurden gestern die Messergebnisse für das Jahr 2020 vorgelegt und im Ausschuss diskutiert.

NO2 ist ein giftiges Gas, das als Nebenprodukt bei jeder Art von Verbrennung anfällt, beispielsweise in Öl- und Gasheizkesseln, aber auch und gerade in Verbrennungsmotoren. Wie lange NO2 in der Luft stabil ist, hängt stark von den Wetterbedingungen ab. Die EU hat daher 2010 zwei Grenzwerte festgelegt, zum einen ein Jahresmittel von maximal 40 µg/m³, zum anderen einen 1-Stunden-Grenzwert von 200 µg/m³, der höchstens 18 mal pro Jahr überschritten werden darf.

Was ergeben die Messungen in 2020? In der nachfolgend gezeigten Liste kann man sofort sehen, wie hoch der jährliche Mittelwert der Stickoxidbelastung in der Nähe der eigenen Adresse ist:

Ergebnisse der Stickoxidmessungen in 2020. Die ersten 21 Stationen wurden bereits 2018 in Betrieb genommen, die anderen erst 2019, so dass weniger Vergleichsdaten vorliegen. Für die Steinsdorfstraße waren in 2020 wegen einer längeren Baustelle keine Messungen möglich. Aufgrund der verwendeten Messtechnik können keine Spitzenbelastungen bestimmt werden, siehe Text. (Quelle: Anlage zur Vorlage des Referats für Klima und Umwelt)

Zur Messung der NO2-Konzentration verwenden die 44 Messstationen der Stadt sogenannte Passivsammler, die jeweils nur alle zwei Wochen einen Messwert ausgeben. Die technisch weit aufwändigeren Messgeräte an den fünf Stationen des bayrischen Landesamtes für Umwelt können auch stündliche Spitzenwerte messen. Nach den dort aufgenommenen vorläufigen Messwerten ist in 2020 keine Überschreitung des oben genannten Grenzwerts von 200 µg/m³ aufgetreten.

Was ergibt sich jetzt daraus? Aus meiner Sicht zweierlei: Zum einen ist Corona-bedingt die Stickoxidbelastung in München im Lockdown überall sprunghaft zurückgegangen, vgl. in der obigen Tabelle die Werte aus dem 1. Quartal 2020 (noch vor Corona bzw. Lockdown) mit dem 2. Quartal. Dieser Rückgang steht ohne Zweifel mit der Abnahme des motorisierten Verkehrs in München in Zusammenhang. Das zeigt der Blick auf die Verkehrsdaten in München für den gleichen Zeitraum:

Durchschnittlicher täglicher Verkehr (DTV) in 2020 in München, gemessen mit Verkehrszählschleifen in den angegebenen Straßen. Man erkennt den „Absturz“ mit dem ersten Lockdown Ende März 2020, gefolgt von einem allmählichen Anstieg über das 2. Quartal hinweg. Danach eine „Delle“ wegen der Sommerferien und schließlich der Rückgang im November und Dezember mit dem zweiten Lockdown (Quelle: Vorlage des Referats für Klima und Umwelt)

Ein genauerer Blick auf die Daten zeigt aber auch, dass die NO2-Belastung unabhängig von Corona leicht rückläufig ist. So kann man an den bereits 2018 installierten Messstellen überall einen leichten Rückgang der Mittelwerte von 2018 auf 2019 erkennen , vgl. die ersten beiden Spalten der oberen Tabellenhälfte. Mehrere mögliche Gründe werden dafür in der Vorlage genannt. Aus meiner Sicht liegt das weniger an der Zulassung neuer Autos mit der neuesten Abgasnorm, sondern eher daran, dass – altersbedingt – immer weniger ganz alte (Diesel-) Fahrzeuge mit sehr schlechten Abgaswerten unterwegs sind.

Ist das Stickoxidproblem in München damit gelöst? Noch nicht, muss man wohl sagen. Denn im Bereich des mittleren Rings (Chiemgaustraße, Tegernseer Landstraße) sind selbst im Corona-Jahr 2020 die Mittelwerte immer noch deutlich über dem zulässigen Grenzwert. Wie aus der SPD-Fraktion zu Recht angemerkt wurde, werden damit weiterhin sozial schwache Bevölkerungsgruppen, die an diesen Straßen wohnen (müssen), nicht nur durch erheblichen Lärm, sondern auch durch dauerhaft zu hohe Immissionen von Stickoxiden gesundheitlich geschädigt.

Die Verwaltung nennt in ihrer Vorlage verschiedene Maßnahmen, mit denen die Werte weiter gesenkt werden sollen. Beispielsweise sollen auf den hochbelasteten Straßen Busse des MVV, die bislang mit einem Dieselmotor angetrieben werden, durch neue Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Das ist sicher sinnvoll, aber es erscheint mir zweifelhaft, ob damit bereits in den nächsten Jahren die Messwerte auch am mittleren Ring unter den EU-Grenzwert sinken. Abhilfe könnte wohl nur der schnellere Umstieg aller PKW und LKW auf emissionsfreie E-Antriebe bringen. Es ist eben wie mit den Corona-Impfungen. Die Lösung an sich ist bekannt, aber es hapert an der schnellen Umsetzung, um weitere größere Schäden zu vermeiden.

Startups in München: Auf die Flächen kommt es an

Es gibt tatsächlich noch andere Themen als die leidige Pandemie. In der heutigen Ausschusssitzung wurde eine Vorlage des Referats für Arbeit und Wirtschaft besprochen, die einen umfassenden Überblick zur Lage von Startups in München gibt. Das Gesamtbild ist durchaus erfreulich, aber die teuren Münchner Mieten erweisen sich gleich in doppelter Hinsicht als Hemmschuh für ein größeres Wachstum von Startups in München. Im Einzelnen:

Die Bedeutung von Unternehmensgründungen für die Wirtschaft in München steigt ständig – mit den Worten des Referatsleiters: „Die Startups von heute sind die Gewerbesteuerzahler von morgen.“ Im bundesweiten Vergleich liegt München in der Startup-Szene auf Platz zwei hinter Berlin. Eine detaillierte Analyse der Situation in München findet sich im „Deutschen Startup Monitor 2019“ , der in der Vorlage mehrfach zitiert wird.

Für die weitere Wirtschaftsförderung der Stadt sind insbesondere die Schwächen des Standorts München zu beachten . 74% der Unternehmensgründer bezeichnen die Verfügbarkeit von bezahlbaren Büroimmobilien als schlecht oder sehr schlecht. Auch die Suche nach qualifiziertem Personal wird von den Unternehmen als schwierig betrachtet – ein Aspekt, der neben dem harten Wettbewerb der Münchner Unternehmen um die besten Mitarbeiter auch mit den teuren Mieten in dieser Stadt zusammenhängt.

Vor diesem Hintergrund möchte das Referat Startups bei der Suche nach geeigneten Flächen unterstützen. Je nach Lebensalter des Unternehmens sind die Anforderungen ganz unterschiedlich:

1. Gründungsphase

Neue Unternehmen gehen häufig aus einer der beiden Münchner Universitäten hervor. Mit dem LMU Innovation and Entrepreneurship Center und UnternehmerTUM gibt es umfangreiche Förderangebote und Netzwerke für die erste Phase eines Startups. Die Flächenbedarfe der Unternehmen sind zu diesem Zeitpunkt meistens noch gering (ab 20 qm), aber die benötigte Flexibilität sehr hoch. Die Stadt München wird in Zukunft dafür geeignete Räume im Munich Urban Colab (MUC) anbieten, das gegenwärtig an der Dachauerstraße entsteht und ab Mitte 2021 auf 11.000 m² ein günstiges und flexibles Flächenangebot bereitstellen soll.

2. Aufbauphase

In diesem Zeitraum brauchen erfolgreiche Startups mehr Fläche (bis 300 m²), die typischerweise für einen längeren Zeitraum, ca. 2 – 3 Jahre angemietet wird. Die Stadt München bietet passende Räume im Münchner Technologie Zentrum (MTZ) an. Allerdings sind die fast 10.000 m² des MTZ bereits vollständig von etwa 100 Unternehmen mit insgesamt 700 Mitarbeitern belegt. Daneben gibt es weitere Flächenangebote im WERK1, das im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof liegt. Gegenwärtig stehen ca. 5000 m² zur Verfügung, die bis 2023 mehr als verdoppelt werden sollen. Weitere Flächen könnten in Zukunft auf dem benachbarten Gewerbehof Ostbahnhof entstehen.

3. Wachstumsphase

Hier liegen laut der Vorlage des Referats die größten Probleme: Flächen von mehr als 300 m² sind für junge Unternehmen in München schwer zu bekommen, selbst wenn sie nicht mehr ganz am Anfang stehen und in dieser Phase marktübliche Mieten bezahlen können. Anbieter bevorzugen Mieter, die langfristige Verträge abschließen und wenig Risiko mit sich bringen. Die Stadt selbst hat geeignete Flächen nicht im Angebot. Laut der Vorlage wird sie daher verstärkt versuchen, durch Beratung und Vernetzung doch noch den ein oder anderen Anbieter zu finden, der bereit ist, seine Flächen an solche Unternehmen zu vermieten, in der Hoffnung an ihrem schnellen Wachstum zu partizipieren.

Mit der Corona-Krise könnte eine Entlastung aus einer ganz neuen Richtung kommen. Die folgende Anzeige habe ich auf munich-startup.de gefunden. Sie bestätigt die in der Vorlage geäußerte Vermutung, dass auch im Innenstadtbereich Flächen von Betrieben, die die Krise nicht überstehen, für eine neue Nutzung in Betracht kommen:

Insgesamt erscheint mir die Stadtverwaltung engagiert und erfolgreich dabei zu sein, in München ein attraktives Umfeld für Unternehmensgründungen zu schaffen. Auch die Ausschussmitglieder waren mit der Vorlage des Referats für Arbeit und Wirtschaft zufrieden.

Wie es noch besser gehen könnte, zeigen Beispiele aus dem Ausland, die am Rande ebenfalls in der Vorlage genannt sind. So werden in Paris, Amsterdam und Barcelona unter dem Stichwort „Coliving“ zusammen mit Büro- und Laborflächen auch gleich Wohnungen für Mitarbeiter der neuen Unternehmen geplant, vgl. die Station F in Paris. Gründer finden hier nicht nur Räume für ihr neues Unternehmen samt der üblichen Vernetzungsangebote, sondern auch gleich die – per Algorithmus – perfekt passende Wohnung oder Wohngemeinschaft. Einen Ansatz, den man in Zukunft auch in München bei der Planung neuer Quartiere oder Stadtteile verfolgen könnte, um auf Dauer im internationalen Wettbewerb um die besten Startups bestehen zu können.

Erbbaurecht: Der Schlüssel zu günstigen Mieten ?

Baugrund ist in München ein extrem knappes Gut. Pro Einwohner weist München nur etwa halb so viel Fläche wie Hamburg auf und auch deutlich weniger als Berlin oder Frankfurt. Zusammen mit einer ständig steigenden Nachfrage hat dies zu enormen Bodenpreisen geführt, was direkt auf die Mieten von Neubauten durchschlägt. Um preisdämpfend auf den Wohnungsmarkt Einfluss zu nehmen, hat der Stadtrat mit der grün-roten Mehrheit im Mai 2020 beschlossen, städtische Grundstücke an Investoren nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch im Erbbaurecht zu vergeben (falls nicht bereits die eigenen Wohnungsbaugesellschaften zum Zuge kommen).

In der gestrigen Sitzung des Kommunalausschusses wurden verschiedene Aspekte zukünftiger Erbbaurechtsverträge diskutiert – ein Anlass für mich, einen Blick auf dieses Werkzeug der Stadtentwicklung zu werfen, um zu verstehen, was damit für den Wohnungsmarkt erreicht werden kann.

Bei der Vergabe eines Erbbaurechts verbleibt das Grundstück im Eigentum der Stadt. Der Erbbauberechtigte erhält für einen vereinbarten Zeitraum, beispielsweise 60 Jahre, nur das Recht, darauf ein Gebäude zu errichten und zu nutzen. Dafür zahlt er den sogenannten Erbbauzins. Nach Ablauf des Zeitraums kann das Erbbaurecht verlängert werden. Andernfalls geht das Eigentum am Gebäude automatisch auf die Stadt über, die dem Erbbauberechtigten dafür eine angemessene Vergütung bezahlen muss. Während oder am Ende der Laufzeit kann die Stadt das Grundstück unabhängig vom Gebäude doch verkaufen, sei es an den Erbbauberechtigten oder einen anderen Käufer.

Bei der Auswahl eines Erbbauberechtigen kann die Stadt darauf achten, dass auf dem Grundstück günstige Mietwohnungen entstehen. Und genau hier liegt der Vorteil gegenüber einem Verkauf. Dort sind solche Verpflichtungen zwar auch möglich, aber nach der Rechtsprechung immer zeitlich begrenzt. Im Ergebnis fallen bei einem Verkauf eines Grundstücks alle dort gebauten Wohnungen früher oder später aus der Sozialbindung mit der Folge eines starken Anstiegs der Mieten. Nur durch ständigen Neubau kann die Stadt den Bestand an Sozialwohnungen konstant halten oder steigern – was in München aufgrund der begrenzten Flächen der Stadt längerfristig unmöglich wird. Mit dem Erbbaurecht wird das verhindert. Denn bei einer Verlängerung oder Neuvergabe kann die Stadt erneut Einfluss auf die weitere sozialverträgliche Nutzung des Grundstücks nehmen.

Auf Antrag der SPD-Fraktion hat die Leiterin des Kommunalreferats in der gestrigen Sitzung eine Vorlage präsentiert, in der der Einsatz des Erbbaurechts in anderen deutschen Großstädten erläutert wird, um daraus Erkenntnisse für München zu gewinnen. Ohne zu sehr in juristische Details einzutauchen, lässt sich dabei Folgendes festhalten:

  • Auch Hamburg, Berlin, Frankfurt und Ulm haben das bereits 1919 „erfundene“ Erbbaurecht neu für sich entdeckt und versuchen, damit langfristig günstigen Wohnraum bereitzustellen.
  • Die Höhe des Erbbauzinses kann sich sowohl nach der Laufzeit (je kürzer desto niedriger) als auch nach der Nutzung (höher für gewerbliche Erbbauberechtigte, niedriger für den Bau von Sozialwohnungen) richten.
  • Es sind eine Vielzahl von Verlängerungsoptionen des Erbbaurechts denkbar, zum Teil mit automatischer Fortsetzung der Sozialbindung der gebauten Wohnungen.
  • Handelt es sich beim Erbbauberechtigten um eine juristische Person, ist in manchen Verträgen die Zustimmung der Stadt für eine Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung des Erbbauberechtigten erforderlich (sogenannte „Change-of Control-Klausel“ ). Wenn ich es richtig verstehe, soll damit verhindert werden, dass beispielsweise eine gemeinnützige Baugenossenschaft sich in ein kommerzielles Unternehmen verwandelt und damit möglicherweise wesentliche Gründe für die Vergabe des Erbbaurechts wegfallen.

Ein weiteres Ziel des SPD-Antrags war es, einen einfachen Standardvertrag für das Erbbaurecht in München zu entwickeln, der kleineren Investoren, insbesondere den bereits genannten Baugenossenschaften, die Investition in Neubauten erleichtert. Das wird nicht gelingen. Wie die Leiterin des Kommunalreferats bereits in einer vorangegangenen Sitzung erläutert hat, sind Erbbauverträge an sich schon sehr kompliziert (> 100 Seiten). Je mehr sozialpolitische Vorstellungen die Stadt in einem Projekt durchsetzen möchte, desto komplexer wird es. In der Diskussion im Ausschuss wurde darüber hinaus versucht, eine juristische Konstruktion zu finden, die erbbauberechtige Baugenossenschaften vertraglich absichert, wenn die Stadt aus finanziellen Gründen doch einmal gezwungen sein sollte, das entsprechende Grundstück während oder am Ende der Laufzeit zu verkaufen. Dadurch soll das Erbbaurecht insbesondere für diese Investoren attraktiver gemacht werden. Kein leichtes Unterfangen, wie der Text des am Ende der Sitzung ergangenen Beschlusses zeigt.

Aktuell laufen mehrere Ausschreibungen für Bebauungen im Erbbaurecht auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne. Da wird sich herausstellen, welche Klauseln am Ende der Verhandlungen Eingang in die Verträge mit den Investoren finden – wenn sie denn öffentlich einsehbar werden.

Ist das Erbbaurecht nun die Lösung aller Probleme auf dem Münchner Wohnungsmarkt? Kurzfristig wird damit der Bau von günstigen Wohnungen nicht beschleunigt. Aber langfristig kann diese Form der Grundstücksvergabe durchaus zum Erhalt und Ausbau von Sozialwohnungen beitragen. Die Zeiträume sind dabei etwa wie beim Umbau unserer Wälder im Kampf gegen den Klimawandel – das Ergebnis sieht man nicht in ein paar Jahren, sondern erst nach mehreren Generationen.

Corona und die Folgen (VI): Kinder und Jugendliche brauchen mehr als nur Mitgefühl

Die Gefahren des Virus für die Gesundheit der Bevölkerung stehen seit einem Jahr uneingeschränkt im Mittelpunkt der Politik. Die wirtschaftlichen Schäden der getroffenen Maßnahmen haben demgegenüber weniger Gewicht. Beispielsweise zwingt der monatelange Lockdown den Einzelhandel in einen brutalen und weitgehend unumkehrbaren Strukturwandel, bei dem auch in München viele Läden und ihre Beschäftigen auf der Strecke bleiben – trotz aller staatlichen Unterstützungsmaßnahmen.

Die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche spielen bei der Entscheidung über Infektionsschutzmaßnahmen eine noch weit geringere Rolle, jedenfalls dann, wenn es um mehr geht als um die Sicherstellung der fortlaufenden Wissensvermittlung mit Homeschooling oder Wechselunterricht. Welche Belastungen und psychische Schäden über Monate andauernde Kontaktbeschränkungen in einem Alter verursachen, in dem Gleichaltrige für die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit wichtiger sind als die eigenen Eltern, lässt sich nur vermuten.

Um für München etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hat das Sozialreferat einen umfangreichen Bericht erstellt, der in der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Kinder- und Jugendhilfe diskutiert worden ist. Wichtige Inhalte daraus werden im Folgenden zusammengefasst und kommentiert:

1. Die aktuelle Lage

Der Bericht zeigt, wie schwierig es ist, harte Daten zur Situation der Kinder und Jugendlichen in München zusammenzustellen. Psychische Belastungen und Entwicklungsstörungen lassen sich – anders als Inzidenzzahlen – nicht einfach zählen. Nur dann, wenn die Situation völlig eskaliert und es in einer Familie zu häuslicher Gewalt gekommen ist, findet das einen Niederschlag in der Polizeistatistik. Und da ist für den ersten Lockdown im vergangenen April mit seinen strengen Ausgangsbeschränkungen ein deutlicher Anstieg zu erkennen:

Von der Polizei erfasste Fälle häuslicher Gewalt in Familien mit Kindern. Ausgehend von einem Mittelwert von ca. 85 Fällen pro Monat ist die Anzahl im April 2020 um etwa 40% auf fast 120 Fälle angestiegen. Für den zweiten Lockdown ab November ist dies (noch) nicht erkennbar. (Quelle: S. 37 des Berichts des Sozialreferats)

Damit werden aber die tatsächlichen Gefährdungen von Kindern und Jugendlichen nicht vollständig erfasst, wie sich aus einem anderen Datensatz des Berichts ableiten lässt: In normalen Zeiten gibt es in München etwa 80 Inobhutnahmen pro Monat, wenn Kinder in ihren Familien akut gefährdet sind und daher in Pflegefamilien untergebracht werden müssen. Im April /Mai 2020 ist diese Zahl – genau entgegen dem Verlauf der häuslichen Gewalt – auf etwa 50 Fälle gesunken. Wie im Bericht vermutet, liegt dies sicher nicht an einer Verbesserung der Situation in den Familien, sondern daran, dass in dieser Zeit übliche „Warnmelder“ von misshandelten Kindern wie Kitas und Schulen geschlossen waren. Gefährdete Kinder sind damit einfach aus dem Blickfeld verschwunden.

Weitere aussagekräftige Zahlen sind dem Bericht nicht zu entnehmen, da das Jugendamt kaum eigene Statistiken erhebt. Die Rückmeldungen der Kooperationspartner der Stadt bei der Kinder- und Jugendhilfe gehen aber alle in die gleiche Richtung, nämlich dass die Situation sich mit dem andauernden zweiten Lockdown deutlich verschlechtert hat, insbesondere in Familien, in denen die Situation der Kinder und Jugendlichen ohnehin schon schwierig ist. Worum es dabei geht, zeigt folgender Auszug aus dem Bericht:

Bestätigt wird diese Analyse für München durch die im Bericht zitierte COPSY-Studie zur bundesweiten Situation von Kindern und Jugendlichen (die allerdings auch nur auf Daten aus dem ersten, vergleichsweise kurzen Lockdown im Frühjahr 2020 beruht).

2. Maßnahmen des Sozialreferats im zweiten Lockdown

Das Sozialreferat und die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe haben mit einer Vielzahl von Anpassungen flexibel auf den zweiten Lockdown reagiert, um so gut es geht die vielfältigen Unterstützungsangebote der Stadt München fortführen zu können. Dabei ist es unter anderem gelungen, die 164 Kinder- und Jugendtreffs der Stadt offen zu halten. Gleichzeitig wurden neue Formate wie „Walk and Talk“ oder Gespräche an der Haustür eingesetzt, um so die Betreuungsarbeit wenigstens teilweise fortführen zu können.

Als besonders schwierig wird jedoch die Kontaktaufnahme zu neuen Kindern oder Familien betrachtet, von denen noch keine Daten vorliegen und die daher nicht proaktiv angesprochen werden können. Auch ist bei online-Angeboten oder Telefonaten anders als im persönlichen Gespräch nicht immer die erforderliche Vertraulichkeit gegeben.

Insgesamt gewinnt man aus dem Bericht den Eindruck, dass die Verantwortlichen im Sozialreferat und bei den freien Trägern mit großem Engagement alle Möglichkeiten ausnützen, um die Beratungs- und Unterstützungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe im zweiten Lockdown aufrecht zu erhalten.

Im Ausschuss wurde der Bericht mit großer Betroffenheit zur Kenntnis genommen. Von allen Fraktionen wurde geäußert, dass Kinder und Jugendliche nach einem Jahr Pandemie-bedingter Einschränkungen die Solidarität und Unterstützung der Erwachsenen verdient hätten. Allerdings gelte dies immer unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes, zumal auch in München die Inzidenz gerade wieder ansteige.

Genau da liegt aus meiner Sicht das Problem. Das ausgedrückte Mitgefühl ist wenig wert, wenn sich daraus für die Verbesserung der Situation der Kinder und Jugendlichen nichts ergibt. Damit werden nur Beteuerungen wiederholt, die im gleichen Ausschuss schon nach dem ersten Lockdown zu hören waren. Um die eigentliche Kernfrage drückt man sich damit herum, nämlich ob zugunsten der kommenden Generation – solidarisch – auch ein etwas höheres Gesundheitsrisiko akzeptiert werden kann oder ob das Argument des Infektionsschutzes auch in Zukunft immer sticht. Im Grunde geht es um eine schwierige Abwägung, an der niemand vorbeikommt. So wie jede Kontaktbeschränkung zu den oben erläuterten schlimmen Schäden bei Kindern und Jugendlichen beiträgt, so hat umgekehrt jedes geöffnete Jugendzentrum, jegliches Erlauben von Kontakten etc. Auswirkungen auf die Inzidenz. Man muss sich nur die aktuellen Grafiken des RKI anschauen, um zu erkennen, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen seit der zaghaften Öffnung von Kitas und Schulen vor einigen Wochen die Corona-Ausbrüche dort wieder deutlich zunehmen.

Nur wie schlimm ist das noch, nachdem die Pflegeheime inzwischen durchgeimpft sind? Anders als in 2020 wird jetzt aufgrund der Impfungen der Anteil der Infizierten, die tatsächlich an COVID schwer erkranken und möglicherweise versterben, abnehmen. Hohe Inzidenzen haben vor Beginn der Impfkampagne zeitversetzt immer auch zu hohen Krankenhauseinweisungen und Todeszahlen geführt. Dieser Zusammenhang wird durch die Impfungen der älteren Generation mit jedem Tag schwächer und deshalb die Aussagekraft von Inzidenzwerten fortlaufend geringer. Damit ist es aus meiner Sicht an der Zeit, die Pandemiemaßnahmen neu zu bewerten und die Abwägung zugunsten der Kinder und Jugendlichen zu treffen. Diese Gruppe ist von schweren Corona-Verläufen bis auf wenige Einzelfälle – vgl. auch dazu die täglichen RKI-Zahlen – nicht betroffen, trägt aber eine enorme Belastung, wie der Bericht des Sozialreferats eindrucksvoll zeigt.

Impfen in München – auf die Software kommt es an

Der Weg aus der Pandemie führt weder nach China noch nach Neuseeland oder Australien, wie manche meinen, sondern nach Israel. Nur schnelles Impfen bietet eine verlässliche Perspektive, das „neue Normal“ endlich hinter uns zu lassen. Die Vollversammlung am vergangenen Mittwoch bot die Gelegenheit zu erfahren, wie die Impfkampagne in München vorankommt. Und dabei zeigt sich, dass eine Software des Freistaats, mit der die Verteilung des zunächst sehr knappen Impfstoffs optimiert worden ist, sich zunehmend als Hemmschuh erweisen könnte, wenn es jetzt um das schnelle Hochfahren der Impfungen geht.

Ausgangspunkt der Beratungen im Stadtrat war wieder einmal der Sachstandsbericht von Wolfgang Schäuble, dem Leiter des städtischen Krisenstabes. Neben den bekannten Inzidenzzahlen (aktuell 45, Tendenz wieder leicht steigend) und den Corona-Auslastungen der Krankenhäuser (aktuell weniger als 30% der Spitzenwerte in der zweiten Welle, weiter fallend) lag der Schwerpunkt seines Vortrages auf der Erläuterung der Impfkampagne der Stadt.

Zentrales Planungswerkzeug für ganz Bayern ist die Software BayIMCO. Dieses Programm errechnet aus den bei der Registrierung zur Impfung eingegebenen persönlichen Daten (Alter, Vorerkrankungen etc.) eine individuelle Rangnummer. Diese Rangnummer bestimmt innerhalb der gerade zu impfenden Priorisierungsgruppe (gegenwärtig immer noch Priogruppe 1), die genaue Impfreihenfolge. Anschaulich gesprochen wird damit sichergestellt, dass beispielsweise der 95-jährige Pflegefall vor der rüstigen 81-jährigen Rentnerin geimpft wird.

Allerdings ist der Algorithmus vollkommen intransparent, d.h. die Kriterien, nach denen die Impfreihenfolge innerhalb einer Priorisierungsgruppe festgelegt wird, sind nicht erkennbar, nicht einmal für die Mitarbeiter des Münchner Impfzentrums oder des Gesundheitsreferats. Die Erfahrung mit dem System zeigt aber, so Herr Schäuble, dass das Alter für den Algorithmus ein ganz maßgeblicher Faktor ist. Nachdem die Pflegeheime im Wesentlichen durchgeimpft sind, ist die Impfung zwei Monate nach Beginn – sozusagen von oben – bei den 81-jährigen Münchnerinnen und Münchnern angekommen.

Mir scheint, dass mit dieser Planungssoftware die extrem knappen Impfstoffe in den vergangenen zwei Monaten optimal verteilt worden sind. Denn so wie über alle Altersgruppen hinweg, steigt auch innerhalb der Gruppe der über 80-jährigen das Risiko eines schweren Verlaufs der Krankheit mit fortschreitendem Alter weiter stark an, vgl. dazu die von Prof. Drosten in seinem Podcast mehrfach zitierte Übersichtsstudie.

Zusammenhang zwischen Corona-Risiko und Alter. Die verschiedene Punkte sind die Ergebnisse von zahlreichen Einzelstudien, die rote Gerade zeigt das Gesamtergebnis. Man beachte, dass die Y-Achse mit dem Risiko logarithmisch skaliert ist und somit das von 0,001 % (< 10 Jahre) bis über 50% (>90 Jahre) exponentiell ansteigende Risiko zeigt. Quelle : Lewin et al.

Eine Verteilung des bislang sehr knappen Impfstoffs, die diese Risikoverteilung berücksichtigt, rettet Leben.

Aufgrund von bundespolitischen Entscheidungen erfolgen jetzt Veränderungen der ursprünglich von der ständigen Impfkommission (STIKO) vorgeschlagenen Prioritätsreihenfolge. Damit sollen folgende Personen ab sofort geimpft werden:

Personenkreise, die ab sofort auch geimpft werden sollen. Quelle: Vortrag von Wolfgang Schäuble

In München sind das laut Aussage der Leiterin des Gesundheitsreferats, Beatrix Zurek, immerhin über 25.000 Personen.

Ob diese altersunabhängige Änderung sinnvoll ist, erscheint mir sehr fraglich. Denn das von Corona ausgehende Risiko ist für eine 30-jährige Erzieherin in etwa um den Faktor 100 (!) geringer als für eine 70-jährige Rentnerin, vgl. das obige Schaubild. Natürlich hat die Erzieherin bei wieder geöffneten Kitas deutlich mehr Kontakte als die Rentnerin, aber das kann diesen riesigen Unterschied wohl kaum ausgleichen. Und 25.000 Personen, die jetzt sofort geimpft werden, verzögern eben für 25.000 Ältere eine zügige Impfung.

Starten kann die Sonderimpfung für Erzieher und Lehrer, etc. allerdings erst, wenn die oben erläuterte Software vom Freistaat entsprechend angepasst worden ist. Bislang darf nämlich nur nach der darin festgelegten Reihenfolge geimpft werden. Wie lange die Anpassung dauern wird, war in der Vollversammlung am Mittwoch nicht zu erfahren. Eine weitere Änderung der Software wird erforderlich aufgrund der heute verkündeten Empfehlung der STIKO, den Impfstoff von AstraZeneca auch für Personen über 65 zu verwenden. Auch diese Änderung muss erst in der Software implementiert werden, bevor dieser Impfstoff entsprechend eingesetzt werden kann.

Zum richtigen Hemmschuh könnte die Software werden, wenn die Impfung auch von Hausärzten durchgeführt werden soll, was bereits für Ende März / Anfang April geplant ist. Denn auch hier ist bislang der Betrieb von BayIMCO Voraussetzung, was in jeder einzelnen Praxis umfangreichen Aufwand zur Anpassung und Installation der Software sowie zur Schulung der Mitarbeiter mit sich bringt. Um in München vorab erste Erfahrungen damit zu sammeln, wird das Gesundheitsreferat demnächst einen Pilotversuch mit drei Münchner Arztpraxen starten.

Mir kommen erhebliche Zweifel, ob die zentralistische Steuerung der ganzen Impfkampagne in Bayern mit BayIMCO auf Dauer der richtige Ansatz ist, insbesondere wenn in den nächsten Wochen immer mehr Impfstoff geliefert wird. Möglicherweise wäre es ab einem bestimmten Zeitpunkt besser, weil viel schneller, die Hausärzte eigenverantwortlich handeln zu lassen und nur noch grobe Richtlinien (z.B. „ab jetzt alle zwischen 60 und 70″) zentral vorzugeben. Zwar kann BayIMCO die exakte Einhaltung der vom Freistaat festgelegten Impfreihenfolge sicherstellen. Der Preis ist aber möglicherweise eine wochenlange Verzögerung beim Hochfahren der Impfungen. Und genau da liegt der entscheidende Unterschied zur Situation in den ersten zwei Monaten der Impfkampagne. Während es bei den bislang sehr geringen Impfstoffmengen enorm wichtig war, zuerst die „Richtigen“ zu impfen, sinkt die Bedeutung dieses Aspekts, wenn fortlaufend immer mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Die exakte Einhaltung einer richtigen Reihenfolge wird dann zweitrangig. Dafür steigt der bürokratische Aufwand.

Bilder wie in Israel, wo es die Impfung in einer Bar zusammen mit einem Freibier gab, wird man in Bayern jedenfalls so schnell nicht sehen, vielleicht auch dann noch nicht, wenn beides, Impfstoff und Bier hinreichend verfügbar ist.

Grundsteuerentlastung für alle in Coronazeiten – ein sinnvoller Vorschlag?

Die schwierige wirtschaftliche Lage vieler Münchnerinnen und Münchner in der laufenden Pandemie ist den Mitgliedern des Stadtrates durchaus bewusst. So wurde beispielsweise im letzten Sommer mit einem groß angelegten städtischen Veranstaltungsprogramm die Kultur in München unterstützt. Für in Not geratene Bürgerinnen und Bürger wurde die Schuldnerberatung der Stadt verstärkt. In der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses lag nun ein weiterer Vorschlag auf dem Tisch, nämlich die von der FDP-Fraktion beantragte Absenkung der Grundsteuer. Worum geht es dabei und ist dieser Vorschlag beim genaueren Hinsehen sinnvoll?

Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer eine der wenigen Gemeindesteuern, die direkt in den Haushalt der Stadt fließen. Zur Berechnung wird der Einheitswert eines Grundstückes mit dem sogenannten Hebesatz multipliziert. Während der Einheitswert durch die Länder festgelegt wird und nach einem Urteil des Verfassungsgerichts gegenwärtig neu geregelt werden muss, kann jede Gemeinde ihren Hebesatz selbst bestimmen. In München liegt der Hebesatz bei 535% und damit oberhalb des bayrischen Durchschnitts von etwa 400%, aber unterhalb von Hebesätzen in anderen Großstädten wie Hamburg (540%) oder Berlin (810%), vgl. hier. Gemäß der Vorlage des Finanzreferats zum FDP-Antrag betragen die Einnahmen für München aus der Grundsteuer 334 Millionen EUR und damit etwa 5% des städtischen Haushalts. Bezahlt wird die Grundsteuer nicht nur von Eigentümern, sondern auch von Mietern, versteckt in den Nebenkosten. Sie trifft auch alle Gewerbetreibenden, die, sei es als Eigentümer oder Mieter einer Gewerbefläche, diese Steuer ebenfalls bezahlen müssen.

Um wieviel Geld geht es dabei? Für eine 75 m² große Wohnung in Sendling liegt die jährliche Grundsteuer z.B. aktuell bei 263 EUR/Jahr. Für einen Gewerbetreibenden in Schwabing mit einer Fläche von 1000 m² liegt der Betrag bei ca. 3400 EUR/Jahr. Der Antrag der FDP-Fraktion zielt darauf ab, den Hebesatz in München von 535% auf 460% abzusenken. Damit würde die Stadtkämmerei knapp 50 Mio EUR/Jahr verlieren und umgekehrt die Grundsteuer für den Beispielsfall einer Wohnung in Sendling um 37 EUR/Jahr sinken. Der Gewerbetrieb in Schwabing würde sich knapp 500 EUR/Jahr ersparen.

Wie soll man das bewerten? Die Meinungen im Stadtrat gingen weit auseinander. Vertreter von Grünen und SPD wollten unter Verweis auf die klamme Finanzlage der Stadt auf die 50 Mio EUR/ Jahr nicht verzichten und betrachteten die vorgeschlagene Entlastung der Bürgerinnen und Bürger demgegenüber als vernachlässigbar gering („reicht gerade für einen Biergartenbesuch, wenn die wieder öffnen“ ). FDP- und CSU-Fraktion sahen das anders und stellten insbesondere auf die Entlastung des durch Corona schwer getroffenen Einzelhandels ab.

Aus meiner Sicht kann man sowohl die negativen Folgen für den städtischen Haushalt als auch die gewünschte Entlastung als „geringfügig“ betrachten. 50 Mio EUR sind bei einem Haushalt von 7 Mrd. EUR in etwa genauso gering wie 36 EUR bei einer Jahresmiete von voraussichtlich mehr als 10.000 EUR für die beispielhafte Wohnung in Sendling. Eine ähnliche Überlegung gilt für das Beispiel des Gewerbetreibenden in Schwabing.

Maßgeblich ist daher für mich ein anderes Argument aus der Vorlage des Stadtkämmerers, das in der hitzigen Debatte der Stadträte leider keine Beachtung gefunden hat: Die Folgen der Pandemie sind höchst ungleich verteilt. Während die Stimmung nach vielen Monaten Lockdown jetzt fast überall schlecht ist, sind die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen ganz unterschiedlich, je nachdem, ob man einen sicheren Arbeitsplatz hat oder in einer der hart getroffenen Branchen tätig war. Gleiches gilt für Gewerbetreibende. Ein Handwerksbetrieb oder ein Fahrradladen hat sicher weniger oder vielleicht gar keine Umsatzeinbußen, während Gastronomen, Schuh- oder Bekleidungsgeschäfte vielfach vor dem Ruin stehen.

In solch einer Situation 50 Mio EUR pro Jahr mit der Gießkanne gleichmäßig an alle zu verteilen, kann nicht richtig sein. Im Gegenteil, es ist die Aufgabe einer sinnvollen Kommunalpolitik, durch Corona in Not geratene Privatpersonen und Unternehmen weiterhin zielgerichtet zu unterstützen. Die Ablehnung des FDP-Antrags durch die Rathausmehrheit aus Grünen und SPD halte ich daher im Ergebnis für richtig.

Digitalisierung in München: In Zukunft zielgruppenorientiert und interaktiv

Wer die Verantwortung für den Internetauftritt eines Unternehmens hat, kennt das Problem: Im Laufe der Zeit drängen immer mehr Inhalte auf die Website. Jeder Bereich will dort präsent sein, am besten gleich auf der Startseite. Das Ergebnis ist eine unübersichtliche Ansammlung von Bildern und Links, ohne Konzentration auf das Wesentliche. Verschärft wird das Problem durch die Verwendung von mobilen Endgeräten mit ihren kleinen Bildschirmen.

Ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte, zeigt gegenwärtig die Portalseite der Stadt unter muenchen.de. Hier findet man neben einem Hinweis auf die aktuellen Coronazahlen auch Glückwünsche an den FC Bayern und einen Link auf das Wetter in München.

Der Webauftritt der Stadt München. In Design und Übersichtlichkeit viele Jahre hinter dem aktuellen Standard

Wer Onlinedienste der Stadtverwaltung sucht, muss jedoch ganz genau hinschauen, damit er den kleinen grauen Schriftzug „Bürgerservice“ nicht übersieht. Denn nur damit bekommt man einen direkten Zugang zu all den Dienstleistungen der Stadt, die inzwischen online genutzt werden können.

Diese Angebote kennen auch die Stadtratsfraktionen von SPD und Grünen. Dennoch haben sie bereits im Juli 2020 einen Antrag gestellt, um „ein speziell auf Familien zugeschnittenes Angebot“ in einer „Münchner Kindl App“ bereitzustellen. Das IT-Referat hat daraufhin im IT-Ausschuss am vergangenen Mittwoch eine Vorlage mit einem selbstkritischen Blick auf den Webauftritt der Stadt präsentiert und unter anderem eine komplette Überarbeitung von muenchen.de in zwei Stufen angekündigt:

Stufe 1: Relaunch von muenchen.de

Bereits im 2. Quartal 2021 wird die Portalseite der Stadt neu aufgesetzt und die Präsentation der Inhalte primär für die Verwendung mit Smartphones und Tablets optimiert (und nicht mehr wie jetzt aus der Desktop Version abgeleitet). Vorhandene familienrelevante Informationen sollen gebündelt und leicht zugänglich gemacht werden. Eine spezielle Familien-App ist in dieser ersten Stufe noch nicht vorgesehen.

Aus meiner Sicht wird damit zwar die überfällige Modernisierung der Portalseite für mobile Endgeräte angestoßen. Allerdings erscheint es fraglich, ob es gelingen kann, dort spezielle Informationen für Familien so vorzuhalten, dass sie leicht aufzufinden sind. Denn die grundsätzliche Aufgabe von muenchen. de besteht darin

das Standortmarketing (Tourismus, Wirtschaft) für München zu fördern sowie eine Versorgung der Münchner*innen mit Inhalten rund um das Leben in München zu gewährleisten„. (Quelle: Vorlage des IT-Referats)

Auf Dauer wird man an einer gründlichen „Entschlackung“ des Webauftritts der Stadt nicht vorbeikommen. Meiner Meinung nach sollten unter „muenchen.de“ die Dienstleistungen der Stadtverwaltung und der immer wichtiger werdende interaktive Austausch von Daten mit den Bürgerinnen und Bürgern im Vordergrund stehen. Marketingmaßnahmen oder die Darstellung des kulturellen Lebens in der Stadt, ganz zu schweigen von der lokalen Wettervorhersage, könnten demgegenüber zurücktreten oder unter anderen Domains abrufbar werden. Das „all-in one“ Prinzip einer Portalseite, die versucht, alles abzudecken, hat sich überlebt.

2. Stufe Workshop zu online Angeboten für Familien

Das IT-Referat plant in einer zweiten Stufe einen Workshop, um herauszufinden, welche Informationen und online Dienstleistungen der Stadt von jungen Familien besonders nachgefragt werden. Dabei könnte es beispielsweise um Folgendes gehen:

• Übersicht Schularten und Betreuungsmöglichkeiten
• Suche nach freien Kindergartenplätzen
• Übersicht Geburtshilfe in München
• Hebammenvermittlung
• Übersicht Kinderärzt*innen und Kinderkliniken
• Impfkalender und Überblick Vorsorgeuntersuchungen
• Terminbuchung für die Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung
• Information und Anmeldung zu städtischen Kursen und Ferienangeboten
• Stadtteilkarten mit Übersicht über Schulwege, Spielplätze, Jugendzentren und
öffentliche Sportanlagen
• Elternbriefe in digitaler Form

Vieles davon existiert bereits (vgl. Anlage 2 zur Vorlage), allerdings auf weit im Netz verstreuten Seiten. Damit sich das ändert, haben die Ausschussmitglieder antragsgemäß entschieden, dass spätestens die weiterentwickelten Familienangebote in eine spezielle Familien-App integriert werden.

Mir scheint das der richtige Weg zu sein. Die Website der Stadt müsste dann nur noch hinreichend deutlich auf die neue App (und andere Apps für weitere Zielgruppen, z.B. Senioren) hinweisen. Damit werden die zahlreichen Dienste und Hilfestellungen der Stadt in einem Format bereitgestellt, das nicht nur passiv lesbare Informationen liefert, sondern auch zielgenau in zuverlässiger Weise einen sicheren Datenaustausch ermöglicht. Genau das ist die Zukunft der Digitalisierung.

Ein Nadelöhr wird beseitigt

Der Radweg entlang des Ostufers der Isar zählt zu den schönsten Strecken durch München. Fernab vom Autoverkehr geht der weite Blick über das renaturierte Isarufer auf markante Bauwerke der Stadt. Die Route ist daher eine der am meisten befahrenen Radverbindungen Münchens. Zur täglichen Rushhour oder auch am Wochenende reiht sich ein Rad an das andere.

Der Radweg am Ostufer der Isar. Gut geräumt auch im Winter zu benutzen.

Von Süden kommend ist die Freude am Fahren allerdings jäh zu Ende, wenn der Weg ab der Reichenbachbrücke in engen Schlangenlinien durch eine Grünanlage führt und dabei immer wieder den Fußgängerweg quert. Richtig gefährlich wird es wenige hundert Meter weiter, wo beide Fahrtrichtungen entlang der Zeppelinstraße geführt werden. Hier passieren sich entgegenkommende Radfahrer mit einem Abstand von wenigen Zentimetern bei Relativgeschwindigkeiten von bis zu 50 km/h .

Engstelle des östlichen Isarradweges in der Zeppelinstraße – selten so leer wie hier bei – 8° Außentemperatur

Einige Meter weiter Richtung Ludwigsbrücke werden die beiden Radspuren zwar wieder getrennt, aber jetzt ist der Konflikt mit den Fußgängern unausweichlich:

Abschnitt des Isarradwegs entlang der Zeppelinstraße. Die schmale Spur Richtung Süden ist nur jetzt, im Hochwinter, breit genug. Im Frühling und Sommer kommt es hier regelmäßig zu Konflikten zwischen Radlern und Fußgängern.

Anlässlich der Restaurierung der Ludwigsbrücke hat das Stadtplanungsreferat am vergangenen Mittwoch kurzfristig eine Vorlage zur Neugestaltung dieses Abschnitts in die Sitzung des Mobilitätsausschusses eingebracht. Damit hatten die Stadträte die Wahl zwischen drei Umbauvarianten:

Variante 1 für die Neuplanung des Isarradweges in der Zeppelinstraße (Quelle: Anlage 2 zur Vorlage)

Variante 1 führt den oben gezeigten Istzustand eines schmalen Zweirichtung-Radweges über den gesamten Neubauabschnitt zwischen Kreuzplätzchen und Ludwigsbrücke fort. Wie die Vorlage ausführt, entspricht solch ein Zweirichtungsradweg mit lediglich 2,75m Breite jedoch nicht den aktuellen Richtlinien. Schon gar nicht wird solch eine Ausführung dem enormen Aufkommen auf dieser Radmagistrale gerecht. Aus Fußgänger- und Autofahrersicht ist diese Lösung allerdings vorteilhaft, denn das ungestörte Flanieren entlang der Isar wird auch in diesem Bereich wieder möglich, ebenso wie der Verbleib der Parkplätze am östlichen und am westlichen Rand der Zeppelinstraße.

Variante 2 für die Neuplanung des Isarradweges in der Zeppelinstraße (Quelle: Anlage 2 zur Vorlage)

Hier wird der zur Verfügung stehende Straßenraum neu aufgeteilt und zwar in etwa zu gleichen Teilen für Fußgänger, Radfahrer und Autos. Der Zweirichtungsradweg weist eine hinreichende Breite von 5m auf. Konflikte mit Fußgängern sind nicht zu erwarten. Jedoch fallen über die gesamte Länge des Neubaus etwa 80 Parkplätze am westlichen Rand der Zeppelinstraße weg. Die Variante 3 (ohne Bild) unterscheidet sich davon nur in Details, nämlich einem etwas schmaleren Radweg mit einem größeren Sicherheitsabstand zur Fahrbahn der Autos und einem etwas breiteren Bürgersteig entlang der Häuserfront der Zeppelinstraße.

Begeisterungsstürme der Anwohner, jedenfalls derjenigen mit eigenem Auto, sind über die Varianten 2 und 3 nicht zu erwarten, auch wenn als Ausgleich in den angrenzenden Straßen eine Parkraumregelung zu ihren Gunsten eingeführt werden soll. Die verschiedenen Varianten zeigen exemplarisch den unlösbaren Konflikt um den begrenzten Straßenraum im Zentrum Münchens. Eine Förderung des Rad- und Fußgängerverkehrs – ein, wie ich finde, richtiges Ziel der aktuellen Verkehrspolitik – ist häufig nur auf Kosten des Autoverkehrs möglich.

Die Mitglieder des Mobiltätsausschusses haben das auch so gesehen und das Mobilitätsreferat gebeten, die Varianten 2 und 3 weiter zu verfolgen und mit der Öffentlichkeit zu diskutieren, bevor eine abschließende Entscheidung getroffen wird. Dieses Nadelöhr des Isarradweges an der Zeppelinstraße wird damit hoffentlich bald beseitigt.