Das Thema Drogen ist nicht erst seit Corona in der öffentlichen Wahrnehmung auf dem Rückzug – allerdings zu Unrecht. 2019 hat München mit 53 Drogentoten bundesweit den dritten Platz „erobert“ und liegt inzwischen vor Köln und Frankfurt. Vergleicht man die Bundesländer, nimmt Bayern einen traurigen Spitzenplatz ein. Warum sich daran sobald nichts ändern wird, konnte man in der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses erfahren.
Viele Städte versuchen mit sogenannten Drogenkonsumräumen („Drückerstuben“), Begleitrisiken des Drogenkonsums wie Infektionskrankheiten zu minimieren, indem saubere Spritzen bereitliegen und der eigene Konsum mitgebrachter Drogen vor Ort toleriert wird. Gleichzeitig wird dort mit geschultem Personal eine Anlaufstelle geschaffen, in der Drogenabhängige niederschwellig Hilfe und den Einstieg in eine Therapie finden können. Ein willkommener Nebeneffekt solcher Räume ist, dass der Drogenkonsum in der Öffentlichkeit (z.B. Parks) weniger in Erscheinung tritt. In Frankfurt ist mit diesem Ansatz die Anzahl der Drogentoten von 142 im Jahr 1992 auf aktuell etwa 20 pro Jahr zurückgegangen.
Diese Zusammenhänge hat auch die Münchner CSU-Stadtratsfraktion erkannt und 2018 einen Antrag für ein Modellprojekt gestellt. Danach soll in München im Umfeld einer Universitätsklinik ein Drogenkonsumraum eingerichtet werden und der Betrieb von der Klinik wissenschaftlich begleitet werden. Die Begründung des Antrag ist überzeugend formuliert, hier ein Auszug:
„Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die hohe Sterblichkeit von drogenabhängigen Menschen durch entsprechende Therapieangebote reduziert werden kann. Drogenkonsumräume wie die geplante Ambulanz können die unmittelbaren Konsumrisiken reduzieren sowie die Implementierung stabilisierender und präventiver Strategien erleichtern.„
Der Stadtrat ist diesem Antrag in der Vollversammlung vom 4. Oktober 2018 mit großer Mehrheit gefolgt. Allerdings kann die Stadt München solch einen Drogenkonsumraum nur mit Zustimmung des Freistaates einrichten, vgl. § 10a Betäubungsmittelgesetz:
„(1) Einer Erlaubnis der zuständigen obersten Landesbehörde bedarf, wer eine Einrichtung betreiben will, in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird (Drogenkonsumraum).„
Nun könnte man denken, dass der Freistaat solch eine Erlaubnis innerhalb weniger Monate erteilt, wenn die Stadt München dies mit guten Gründen auf einen Antrag der CSU-Stadtratsfraktion hin für sinnvoll hält. Dies umso mehr, da Nürnberg ebenfalls solch einen Modellversuch starten möchte und sich auch der 78. Bayrische Ärztetag kürzlich dafür ausgesprochen hat, vgl. die heutige Vorlage des Gesundheitsreferats.
Dem ist allerdings nicht so. Im Gegenteil, wie aus der Vorlage hervorgeht, hat es das bayrische Gesundheitsministerium bislang nicht einmal für nötig befunden, auf die entsprechende Anfrage des Oberbürgermeisters vom 16. Januar 2020 auch nur zu antworten. Die für die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes erforderliche Rechtsverordnung des Freistaates ist daher nicht in Sicht.
Erheiternd war bei diesem traurigen Thema nur der Erklärungsversuch der Sprecherin der CSU-Stadtratsfraktion. Die Abgeordneten des Landtages seien halt „mehrheitlich vom Land“ . Mit anderen Worten ist eine moderne Drogenpolitik, die in vielen Städten Deutschlands Erfolg hat, den CSU-Landtagsabgeordneten aus dem ländlichen Raum einfach nicht vermittelbar.