Digitalisierung in München: In Zukunft zielgruppenorientiert und interaktiv

Wer die Verantwortung für den Internetauftritt eines Unternehmens hat, kennt das Problem: Im Laufe der Zeit drängen immer mehr Inhalte auf die Website. Jeder Bereich will dort präsent sein, am besten gleich auf der Startseite. Das Ergebnis ist eine unübersichtliche Ansammlung von Bildern und Links, ohne Konzentration auf das Wesentliche. Verschärft wird das Problem durch die Verwendung von mobilen Endgeräten mit ihren kleinen Bildschirmen.

Ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte, zeigt gegenwärtig die Portalseite der Stadt unter muenchen.de. Hier findet man neben einem Hinweis auf die aktuellen Coronazahlen auch Glückwünsche an den FC Bayern und einen Link auf das Wetter in München.

Der Webauftritt der Stadt München. In Design und Übersichtlichkeit viele Jahre hinter dem aktuellen Standard

Wer Onlinedienste der Stadtverwaltung sucht, muss jedoch ganz genau hinschauen, damit er den kleinen grauen Schriftzug „Bürgerservice“ nicht übersieht. Denn nur damit bekommt man einen direkten Zugang zu all den Dienstleistungen der Stadt, die inzwischen online genutzt werden können.

Diese Angebote kennen auch die Stadtratsfraktionen von SPD und Grünen. Dennoch haben sie bereits im Juli 2020 einen Antrag gestellt, um „ein speziell auf Familien zugeschnittenes Angebot“ in einer „Münchner Kindl App“ bereitzustellen. Das IT-Referat hat daraufhin im IT-Ausschuss am vergangenen Mittwoch eine Vorlage mit einem selbstkritischen Blick auf den Webauftritt der Stadt präsentiert und unter anderem eine komplette Überarbeitung von muenchen.de in zwei Stufen angekündigt:

Stufe 1: Relaunch von muenchen.de

Bereits im 2. Quartal 2021 wird die Portalseite der Stadt neu aufgesetzt und die Präsentation der Inhalte primär für die Verwendung mit Smartphones und Tablets optimiert (und nicht mehr wie jetzt aus der Desktop Version abgeleitet). Vorhandene familienrelevante Informationen sollen gebündelt und leicht zugänglich gemacht werden. Eine spezielle Familien-App ist in dieser ersten Stufe noch nicht vorgesehen.

Aus meiner Sicht wird damit zwar die überfällige Modernisierung der Portalseite für mobile Endgeräte angestoßen. Allerdings erscheint es fraglich, ob es gelingen kann, dort spezielle Informationen für Familien so vorzuhalten, dass sie leicht aufzufinden sind. Denn die grundsätzliche Aufgabe von muenchen. de besteht darin

das Standortmarketing (Tourismus, Wirtschaft) für München zu fördern sowie eine Versorgung der Münchner*innen mit Inhalten rund um das Leben in München zu gewährleisten„. (Quelle: Vorlage des IT-Referats)

Auf Dauer wird man an einer gründlichen „Entschlackung“ des Webauftritts der Stadt nicht vorbeikommen. Meiner Meinung nach sollten unter „muenchen.de“ die Dienstleistungen der Stadtverwaltung und der immer wichtiger werdende interaktive Austausch von Daten mit den Bürgerinnen und Bürgern im Vordergrund stehen. Marketingmaßnahmen oder die Darstellung des kulturellen Lebens in der Stadt, ganz zu schweigen von der lokalen Wettervorhersage, könnten demgegenüber zurücktreten oder unter anderen Domains abrufbar werden. Das „all-in one“ Prinzip einer Portalseite, die versucht, alles abzudecken, hat sich überlebt.

2. Stufe Workshop zu online Angeboten für Familien

Das IT-Referat plant in einer zweiten Stufe einen Workshop, um herauszufinden, welche Informationen und online Dienstleistungen der Stadt von jungen Familien besonders nachgefragt werden. Dabei könnte es beispielsweise um Folgendes gehen:

• Übersicht Schularten und Betreuungsmöglichkeiten
• Suche nach freien Kindergartenplätzen
• Übersicht Geburtshilfe in München
• Hebammenvermittlung
• Übersicht Kinderärzt*innen und Kinderkliniken
• Impfkalender und Überblick Vorsorgeuntersuchungen
• Terminbuchung für die Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung
• Information und Anmeldung zu städtischen Kursen und Ferienangeboten
• Stadtteilkarten mit Übersicht über Schulwege, Spielplätze, Jugendzentren und
öffentliche Sportanlagen
• Elternbriefe in digitaler Form

Vieles davon existiert bereits (vgl. Anlage 2 zur Vorlage), allerdings auf weit im Netz verstreuten Seiten. Damit sich das ändert, haben die Ausschussmitglieder antragsgemäß entschieden, dass spätestens die weiterentwickelten Familienangebote in eine spezielle Familien-App integriert werden.

Mir scheint das der richtige Weg zu sein. Die Website der Stadt müsste dann nur noch hinreichend deutlich auf die neue App (und andere Apps für weitere Zielgruppen, z.B. Senioren) hinweisen. Damit werden die zahlreichen Dienste und Hilfestellungen der Stadt in einem Format bereitgestellt, das nicht nur passiv lesbare Informationen liefert, sondern auch zielgenau in zuverlässiger Weise einen sicheren Datenaustausch ermöglicht. Genau das ist die Zukunft der Digitalisierung.

Digitalisierung in München – von der Wiege bis zur Bahre

Die Digitalisierung schreitet voran – auch in München. Das betrifft nicht nur interne Prozesse der Stadtverwaltung, sondern auch immer mehr Dienstleistungen („Services“) für Münchens Bürger. Wer sich eine Übersicht verschaffen möchte, findet hier eine Auflistung aller aktiven Online Services der Stadtverwaltung. Und wer einen Blick auf die visionären Pläne des IT-Referats werfen möchte, wird beispielsweise auf https://muenchen.digital/ mehr als fündig. Die Selbstvermarktung auf allen Social Media Kanälen ist dabei ein zentraler Bestandteil der Tätigkeit des Referats. Ein täglich twitternder Chef gehört ebenso dazu wie ein etwas rührseliges Youtube Werbevideo.

Zwei Digitalisierungsprojekte standen gestern auf der Tagesordnung des IT-Ausschusses des Stadtrats. Zum einen ging es um eine digitale Plattform, mit der freie Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen („KITA-Träger“) Fördermittel bei der Stadt beantragen können, zum anderen um eine neue Software für die Friedhofsverwaltung. Die Digitalisierung Münchens erfasst eben alles, von der Wiege bis zur Bahre. Die nachfolgende Betrachtung des ersten Projekts zeigt exemplarisch, welch enormes Potential in einer effizienten Datenverarbeitung steckt.

Bisher gestaltet sich die (analoge) Antragsstellung für freie KITA-Träger in etwa so:

Flussdiagramm der Beantragung von Fördermitteln für freie KITA Träger (Quelle: Vorlage des IT-Referats)

Das muss man nicht auf den ersten Blick verstehen. Die Komplexität ist Folge einer Vielzahl von Förderprogrammen. Beispielsweise übernimmt die Stadt nach der Münchner Förderformel (MFF) mit der sogenannten Faktorenförderung zusätzliche Personalkosten eines KITA-Trägers, wenn damit eine besondere Betreuungsqualität erreicht wird. Ferner gibt es eine Ausgleichszahlung dafür, dass der Stadtrat in 2019 die Entgelte der Eltern für die Betreuung pauschal abgesenkt hat. Schließlich werden mit der Differenzförderung die freien KITA-Träger entlastet, wenn Eltern mit niedrigem Einkommen und / oder Geschwisterkindern Anspruch auf eine zusätzliche Gebührenreduzierung haben. Das alternative Fördermodell EKI und seine Ergänzung EKI Plus seit 2019 sind kaum weniger komplex. Es liegt auf der Hand, dass eine manuelle Antragsstellung nach obigem Schema per Excel-Sheet und Email sehr arbeitsintensiv ist, sowohl bei den gegenwärtig 532 freien KITA-Trägern als auch bei der Prüfung der Anträge in der Stadtverwaltung.

Das IT-Referat hat daher mit höchster Priorität den Auftrag bekommen, eine digitale Lösung bereitzustellen. Die in der gestrigen Vorlage präsentierte Planung dafür sieht so aus:

Datenfluss in der geplanten digitalen Lösung zur KITA-Förderung (Quelle: Vorlage des IT-Referats)

Das sieht nun nicht einfacher aus als das Schaubild oben. Aber diese Komplexität verbleibt im Innern der Software, ohne dass sich die Anwender damit im Detail befassen müssen. Den Kern bildet ein sogenanntes Trägerportal, an dem sich die freien KITA-Träger online anmelden können. Dort werden die Förderdaten zentral verwaltet und die gesamte Antragstellung kann digital abgewickelt werden. Dazu werden Informationen aus der bereits bestehenden digitalen Verwaltung der KITA-Plätze im Kitafinder übernommen, Eingaben automatisch auf Plausibilität geprüft und berechnete Fördermittel unmittelbar an die Buchhaltungssoftware der Stadtkasse ausgegeben.

Für mich sieht das sehr überzeugend aus, auch wenn man den in der Vorlage ausgearbeiteten Kostenvergleich betrachtet. Zwar müssen zunächst mehr als 2 Mio EUR in die Umsetzung investiert werden. Wenn jedoch das neue System ab Ende 2025 läuft, sollen die Effizienzgewinne bei der Stadtverwaltung jährlich bei mehr als sechs Vollzeitstellen liegen (ca. 330.000 EUR). Dazu kommt die Zeitersparnis für die Mitarbeiter der KITA-Träger, denen mit der neuen Lösung die Antragstellung und die Planung ihrer Budgets erheblich erleichtert wird.

Fraglich ist nur, – wie bei jedem Softwareprojekt – ob die Anwender sowohl auf Seiten der Stadtverwaltung als auch auf Seiten der freien KITA-Träger bei der Entwicklung der Software frühzeitig ausreichend eingebunden werden. Die Vorlage enthält dazu keine Informationen. Es wäre schade, wenn hier eine technische Lösung entsteht, die am Ende von den Anwendern nicht leicht verstanden und vielleicht sogar abgelehnt wird. In der gestrigen Ausschusssitzung ist die Abstimmung der Vorlage ohne Behandlung in die nächste Sitzung vertagt worden. Es bleibt abzuwarten, ob der Ausschuss diesen und weitere Gesichtspunkte in seiner Diskussion noch aufgreift.