Grundsteuerentlastung für alle in Coronazeiten – ein sinnvoller Vorschlag?

Die schwierige wirtschaftliche Lage vieler Münchnerinnen und Münchner in der laufenden Pandemie ist den Mitgliedern des Stadtrates durchaus bewusst. So wurde beispielsweise im letzten Sommer mit einem groß angelegten städtischen Veranstaltungsprogramm die Kultur in München unterstützt. Für in Not geratene Bürgerinnen und Bürger wurde die Schuldnerberatung der Stadt verstärkt. In der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses lag nun ein weiterer Vorschlag auf dem Tisch, nämlich die von der FDP-Fraktion beantragte Absenkung der Grundsteuer. Worum geht es dabei und ist dieser Vorschlag beim genaueren Hinsehen sinnvoll?

Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer eine der wenigen Gemeindesteuern, die direkt in den Haushalt der Stadt fließen. Zur Berechnung wird der Einheitswert eines Grundstückes mit dem sogenannten Hebesatz multipliziert. Während der Einheitswert durch die Länder festgelegt wird und nach einem Urteil des Verfassungsgerichts gegenwärtig neu geregelt werden muss, kann jede Gemeinde ihren Hebesatz selbst bestimmen. In München liegt der Hebesatz bei 535% und damit oberhalb des bayrischen Durchschnitts von etwa 400%, aber unterhalb von Hebesätzen in anderen Großstädten wie Hamburg (540%) oder Berlin (810%), vgl. hier. Gemäß der Vorlage des Finanzreferats zum FDP-Antrag betragen die Einnahmen für München aus der Grundsteuer 334 Millionen EUR und damit etwa 5% des städtischen Haushalts. Bezahlt wird die Grundsteuer nicht nur von Eigentümern, sondern auch von Mietern, versteckt in den Nebenkosten. Sie trifft auch alle Gewerbetreibenden, die, sei es als Eigentümer oder Mieter einer Gewerbefläche, diese Steuer ebenfalls bezahlen müssen.

Um wieviel Geld geht es dabei? Für eine 75 m² große Wohnung in Sendling liegt die jährliche Grundsteuer z.B. aktuell bei 263 EUR/Jahr. Für einen Gewerbetreibenden in Schwabing mit einer Fläche von 1000 m² liegt der Betrag bei ca. 3400 EUR/Jahr. Der Antrag der FDP-Fraktion zielt darauf ab, den Hebesatz in München von 535% auf 460% abzusenken. Damit würde die Stadtkämmerei knapp 50 Mio EUR/Jahr verlieren und umgekehrt die Grundsteuer für den Beispielsfall einer Wohnung in Sendling um 37 EUR/Jahr sinken. Der Gewerbetrieb in Schwabing würde sich knapp 500 EUR/Jahr ersparen.

Wie soll man das bewerten? Die Meinungen im Stadtrat gingen weit auseinander. Vertreter von Grünen und SPD wollten unter Verweis auf die klamme Finanzlage der Stadt auf die 50 Mio EUR/ Jahr nicht verzichten und betrachteten die vorgeschlagene Entlastung der Bürgerinnen und Bürger demgegenüber als vernachlässigbar gering („reicht gerade für einen Biergartenbesuch, wenn die wieder öffnen“ ). FDP- und CSU-Fraktion sahen das anders und stellten insbesondere auf die Entlastung des durch Corona schwer getroffenen Einzelhandels ab.

Aus meiner Sicht kann man sowohl die negativen Folgen für den städtischen Haushalt als auch die gewünschte Entlastung als „geringfügig“ betrachten. 50 Mio EUR sind bei einem Haushalt von 7 Mrd. EUR in etwa genauso gering wie 36 EUR bei einer Jahresmiete von voraussichtlich mehr als 10.000 EUR für die beispielhafte Wohnung in Sendling. Eine ähnliche Überlegung gilt für das Beispiel des Gewerbetreibenden in Schwabing.

Maßgeblich ist daher für mich ein anderes Argument aus der Vorlage des Stadtkämmerers, das in der hitzigen Debatte der Stadträte leider keine Beachtung gefunden hat: Die Folgen der Pandemie sind höchst ungleich verteilt. Während die Stimmung nach vielen Monaten Lockdown jetzt fast überall schlecht ist, sind die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen ganz unterschiedlich, je nachdem, ob man einen sicheren Arbeitsplatz hat oder in einer der hart getroffenen Branchen tätig war. Gleiches gilt für Gewerbetreibende. Ein Handwerksbetrieb oder ein Fahrradladen hat sicher weniger oder vielleicht gar keine Umsatzeinbußen, während Gastronomen, Schuh- oder Bekleidungsgeschäfte vielfach vor dem Ruin stehen.

In solch einer Situation 50 Mio EUR pro Jahr mit der Gießkanne gleichmäßig an alle zu verteilen, kann nicht richtig sein. Im Gegenteil, es ist die Aufgabe einer sinnvollen Kommunalpolitik, durch Corona in Not geratene Privatpersonen und Unternehmen weiterhin zielgerichtet zu unterstützen. Die Ablehnung des FDP-Antrags durch die Rathausmehrheit aus Grünen und SPD halte ich daher im Ergebnis für richtig.