Ein schlechter erster Eindruck

Es wäre ein großer Wurf geworden. Anstelle des „Beton-Karstadt“ aus dem letzten Jahrhundert sollte in der Schützenstraße zwischen Hauptbahnhof und Stachus ein großer moderner Gebäudekomplex des britischen Stararchitekten David Chipperfield mit Läden, Büros und Wohnungen entstehen:

Visualisierung der in 2022 geplanten Bebauung entlang der Schützenstraße. Links (roter Pfeil) das historische Karstadtgebäude, in der Mitte (blauer Pfeil) der geplante Gebäudekomplex und rechts das neue Hotel Königshof (grüner Pfeil) (Quelle: Anlage zum städtebaulichen Wettbewerb 2022 mit hinzugefügten Markierungen)

Daraus wird nichts. Denn seit der Pleite des Investors (SIGNA) im November 2023 ruhen sämtliche Arbeiten, sowohl bei der Renovierung des historischen Kaufhauses als auch beim Abriss der Betonburg aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Fertig geworden ist allein das neue Hotel Königshof.

Damit ist der erste Eindruck beim Gang vom Hauptbahnhof Richtung Stachus von Stillstand….

Tote Baustelle am historischen Karstadtgebäude (Quelle: eigene Aufnahme)

…. und Verwahrlosung geprägt:

So sieht es in der Schützenstraße aus (Quelle: eigene Aufnahme)

Zudem hat sich der benachbarte Alte Botanische Garten (im ersten Bild im Hintergrund) zum Drogenhandelsplatz und zur Lagerstätte für Obdachlose entwickelt. Wer sich auskennt, vermeidet sowohl den Besuch des Gartens als auch den Gang durch die Schützenstraße.

Vor einigen Monaten hat Oberbürgermeister Reiter eine Taskforce gegründet, die schnell Abhilfe schaffen soll. Erste Ergebnisse und weitere Schritte wurden am vergangenen Dienstag in einer gemeinsamen Sitzung mehrerer Stadtratsausschüsse diskutiert.

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Gründlichkeit und Schnelligkeit ?

Die letzte Kommunalwahl in München liegt fast vier Jahre zurück. Mehr als die Hälfte der Wahlperiode ist um. Da stellt sich die Frage, wieviel seit 2020 von der versprochenen Verkehrswende in München, insbesondere zugunsten des Radverkehrs, erreicht worden ist. Denn es gibt in München immer noch viele Radwege, die einfach im „Nichts“ enden, beispielsweise hier in der Gebsattelstraße bergab Richtung Westen:

Das plötzliche Ende des Radwegs in der Gebsattelstraße hinunter in die Au. Ab hier geht es nur noch zwischen den fahrenden und den geparkten Autos abwärts. Wenn jetzt eine Tür aufgeht, knallt es unweigerlich.
(Quelle: Eigene Aufnahme)

Offensichtlich ist auch der grün-roten Stadtratsmehrheit bewusst, dass die Umsetzung ihrer Ideen und Pläne länger als erwartet dauert. Bereits im vergangenen Oktober wurde die Verwaltung daher per Stadtratsbeschluss angewiesen

„…..bei der Realisierung aller geplanten Radentscheidungsmaßnahmen prioritär jene zuerst umzusetzen, die für den Radverkehr am schnellsten und effektivsten mehr Verkehrssicherheit ermöglichen. Dabei sind dem Stadtrat auch Lösungen vorzuschlagen, die mit vergleichsweise einfachen, kostengünstigen Maßnahmen geschützte –provisorische – Radfahrstreifen schaffen … .“

Am vergangenen Mittwoch hat nun das Mobilitätsreferat mit einer Vorlage eine aktuelle Übersicht zu den verschiedenen Projekten vorgelegt und erklärt, warum vieles so lange dauert.

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Auf den Freistaat kommt es an

Am vergangenen Mittwoch war die geplante Nordtangente der Münchner Tram Thema im Mobilitätsausschuss.

Geplante Streckenführung der Nordtangente

Die neue Linie ermöglicht erstmals eine direkte Fahrt von Nymphenburg über Schwabing bis nach Bogenhausen – mit einer Kapazität von 18.000 Personen pro Tag und unter Umgehung der überlasteten Innenstadt. Die 13 km lange Strecke soll sieben U-Bahnlinien (!), sieben andere Straßenbahnlinien (!) und am Ende die S-Bahn zum Flughafen umsteigefrei miteinander verbinden. Mehr Vernetzung geht nicht.

Allerdings fehlen dafür 2,2 Kilometer Gleise vom Elisabethplatz bis zur Tivolistraße. In einer umfangreichen Vorlage hat das Mobilitätsreferat am vergangenen Mittwoch eine Planung für diesen Lückenschluss vorgelegt, die auf alle Einwände gegen eine Trasse durch den Englischen Garten eingeht. Die Diskussion im Mobilitätsausschuss hat deutlich gezeigt, dass es den Gegnern dieses Projekts weniger darum geht, Eingriffe in die Parklandschaft zu vermeiden. Vielmehr möchten CSU und FDP den Wegfall von zahlreichen Autoparkplätzen in der Franz-Josef-Straße im Verlauf der Trassenführung durch Schwabing verhindern.

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14 Mio für einen bereits existierenden Radweg?

So oder so ähnlich sind die Schlagzeilen zum Umbau der Elisenstraße, die man gestern vielfach lesen konnte. In der Tat erscheint es auf den ersten Blick seltsam, wenn ein zwei Meter breiter Radweg nach wenigen Jahren schon wieder für viel Geld umgebaut werden soll.

Der Istzustand der Elisenstraße an ihrem östlichen Ende und der Einmündung in den Lenbachplatz
(Quelle: Google Maps)

Aber wie so häufig klärt sich manches auf den zweiten Blick. Dazu war Gelegenheit in der Sitzung des Mobilitätsausschusses am vergangenen Mittwoch. Wer die Gelegenheit hatte, dort zuzuhören und sich die Vorlage des Mobilitätsreferats genau anzusehen, konnte schnell erkennen, dass das meiste Geld voraussichtlich nicht für eine Verbesserung der zwei 400m langen Fahrradstreifen ausgegeben wird. Aufwändig ist in erster Linie der umfangreiche Umbau des Lenbachplatzes.

Im Folgenden wird die Planung der am Mittwoch beschlossenen „Variante 5“ des Mobilitätsreferats vorgestellt und kommentiert.

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Vom Verkehrsversuch zum Provisorium

Die Neugestaltung der Fraunhoferstraße war eines der großen Aufregerthemen des letzten Kommunalwahlkampfes. Zur Erinnerung: Nachdem sich unter der schwarz-roten Rathauskoalition der vergangenen Wahlperiode (fast) nichts für den Radverkehr in München getan hat, kam 2019 Bewegung in die Diskussion. Das lag zum einem am erfolgreichen Münchner Radentscheid, mit dem der Stadtrat im Juli 2019 einen massiven Ausbau der Infrastruktur für den Radverkehr beschlossen hat. Zum anderen hat die SPD-Fraktion noch vor der Kommunalwahl im Frühjahr 2020 verkehrspolitisch die Seiten gewechselt und zusammen mit den Grünen den „Verkehrsversuch“ Fraunhoferstraße beschlossen. Damit wurde diese zentrale Verbindungsstraße vom Isarufer zum Sendlinger Tor innerhalb weniger Wochen von so:

Zustand der Fraunhoferstraße vor dem Beginn des Verkehrsversuchs
(Quelle: Präsentation Mobilitätsreferat)

auf so umgestaltet:

Aktueller Zustand der Fraunhoferstraße (Quelle: eigenes Bild)

Dadurch sind ca. 120 Parkplätze entfallen. An deren Stelle wurden zwei breite und damit „Radentscheid-konforme“ Radwege farbig markiert.

Eigentlich hätte der Verkehrsversuch nur ein Jahr dauern sollen. Doch dann kam Corona und viele andere dringende Themen, unter anderen die Gründung eines ganz neuen Referats in der Stadtverwaltung, das inzwischen alle Fragen der Mobilität in München bearbeitet. Daher wurden die Ergebnisse erst gestern in der Sitzung des Mobilitätsausschusses vorgelegt. Über die Diskussion der Stadträtinnen und Stadträte wird im Folgenden ebenso berichtet wie über die mittel- und langfristigen Pläne für die weitere Gestaltung der Fraunhoferstraße.

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Kein Tunnel in Giesing – jedenfalls nicht jetzt

In der Sitzung des Mobilitätsausschusses am vergangenen Mittwoch sind die Pläne für einen Tunnel in der Tegernseer Landstraße einmal mehr beerdigt worden. Grund dafür sind nicht nur die Kosten von >500 Mio EUR, sondern auch die großen Probleme, die der jahrelange Bau des Tunnels mit sich bringen würde. Im Folgenden werden die wichtigsten Aussagen aus einem neuen Gutachten zusammengefasst, das mit einer Vorlage im Ausschuss vorgestellt worden ist. Die Argumente für und gegen den Tunnelbau in der nachfolgenden Debatte zeigen, wie schwierig eine Entscheidung in dieser Frage ist.

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Radwegerückbau in München

Nein, diese Überschrift ist kein Druckfehler und auch kein Aprilscherz im Oktober. Ganz im Gegenteil, dieses Thema war Gegenstand ernsthafter Beratungen im Mobilitätsausschuss und in der Vollversammlung am vergangenen Mittwoch. Worum geht es dabei?

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde München weitgehend autogerecht wiederaufgebaut, vgl. beispielsweise den damals geschaffenen mehrspurigen Altstadtring. In den 70er und 80er Jahren wurden erste Radwege angelegt. Die sahen (und sehen heute noch) häufig so aus wie hier in der Balanstraße:

Radweg in der Balanstraße

Der weniger als einen Meter breite Radweg geht auf Kosten des ohnehin schmalen Bürgersteigs. Vielleicht war damals weniger die Förderung des Radverkehrs beabsichtigt als vielmehr, die gesamte Straßenfläche für den Autoverkehr freizuhalten.

Inzwischen haben sich die verkehrspolitischen Vorstellungen geändert und viele dieser alten Radwege liegen in Tempo 30 Zonen. Das bringt die Frage mit sich, ob ein Rückbau sinnvoll ist.

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Der Straßenraum in München wird neu verteilt

Die Kommunalwahl 2020 war maßgeblich von der Diskussion über die Verkehrspolitik in München geprägt. Das Wahlergebnis lässt sich als klarer Auftrag an die grün-rote Rathauskoalition verstehen, den Umstieg auf den Umweltverbund (Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV) endlich voranzubringen.

Wie schwierig jedoch die konkrete Umsetzung ist, hat einmal mehr die heutige Debatte im Mobilitätsausschuss gezeigt. Die Umgestaltung zentraler Verkehrsflächen im Herzen der Stadt, nämlich des Maximiliansplatzes, der Briennerstraße und der Ludwigstraße, bringt Zielkonflikte mit sich, die sich kaum auflösen lassen. Anders als man vielleicht denken könnte, ist es mit ein paar zusätzlich abmarkierten Radwegen nicht getan. Insbesondere Kreuzungen müssen völlig neu geplant werden. Noch anspruchsvoller wird das Ganze, wenn auch der Busverkehr ausgebaut werden soll und für den Klimaschutz zusätzliche Standorte für Baumpflanzungen benötigt werden.

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Eine schnelle Entscheidung und viele offene Fragen

Die Innenstadt wirkt zur Zeit wie eine einzige Baugrube. Überall sind Straßenzüge aufgerissen. Alle paar Meter stößt man auf neue Hoch- oder Tiefbaustellen, die in der Sommerhitze jede Menge Staub von sich geben. Selbst mit dem Fahrrad ist es schwierig geworden, schnell durch die Stadt zu kommen. Autofahrer müssen besonders viel Geduld mitbringen, wenn sie Ziele innerhalb des Mittleren Rings ansteuern. Das liegt nicht nur an der zweiten Stammstrecke der S-Bahn, sondern auch an einer verstärkten Bautätigkeit in vielen zentralen Lagen der Stadt. Trotz der hohen Grundstückspreise ist München für Investoren immer noch attraktiv. Und schließlich ist da die große Baustelle rund um den neuen Hauptbahnhof.

Ertragen lässt sich das vielleicht etwas besser mit ein wenig Vorfreude auf das neue Bahnhofsgebäude. Eine Vorstellung davon geben die inzwischen allgemein bekannten Computerbilder des, wie ich finde, gelungenen Entwurfs mit viel Glas und Licht:

(Quelle: Anlagen zu einer Stadtratsvorlage aus 2015)

Allerdings gab es bis zur gemeinsamen Sitzung des Mobilitäts- und des Stadtplanungsausschusses am vergangenen Mittwoch noch keine Entscheidung darüber, ob der Bahnhofsvorplatz in der Tat so aussehen wird wie auf dem „Wimmelbild“ oben. Denn bislang verlaufen hier in Nord- und Südrichtung zwei stark befahrene Fahrspuren des Autoverkehrs. Dadurch ist ein barrierefreier Übergang vom Bahnhof Richtung Stachus unmöglich.

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Vision Zero – ein ehrgeiziges Ziel

Nein, das wird kein weiterer Bericht zum Dauerthema Corona. Anders als man vielleicht denken könnte, bezeichnet „Vision Zero“ nicht den Versuch, die Inzidenz in München auf Null zu bringen. Der Ausgangsgedanke ist aber ähnlich, denn es geht darum, jegliches Todesopfer in München zu vermeiden – und zwar im Straßenverkehr.

Ausweislich der aktuellen Unfallstatistik 2020 sind von insgesamt 17 Verkehrstoten in 2020 in München über zwei Drittel Fußgänger und Radfahrer.

Auszug aus dem Sicherheitsreport 2020

Während die Unfallzahlen in 2020 insgesamt rückläufig sind – die Pandemie hat den Verkehr deutlich reduziert – , gilt das nicht für getötete Fußgänger und für Unfälle mit Radfahrern, deren Zahlen deutlich angestiegen sind. Das ist nicht wirklich überraschend, wenn man bedenkt, wie viele Münchnerinnen und Münchner im letzten Jahr aufs Rad umgestiegen sind.

Bereits 2018 hat der Stadtrat die Vision Zero als Ziel der Münchner Verkehrspolitik festgelegt. In der Sitzung des Mobilitätsausschusses am vergangenen Mittwoch hat das zuständige Referat mit einer Vorlage über die aktuelle Situation berichtet und die nächsten Schritte erläutert, um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer in München zu verbessern. Dabei zeigt sich wie bei der Pandemiebekämpfung, dass ein geringeres Risiko durch Verhaltensänderungen nur schwer zu erreichen ist. Wirksame technische Lösungen lassen viel zu lange auf sich warten.

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