Es wäre ein großer Wurf geworden. Anstelle des „Beton-Karstadt“ aus dem letzten Jahrhundert sollte in der Schützenstraße zwischen Hauptbahnhof und Stachus ein großer moderner Gebäudekomplex des britischen Stararchitekten David Chipperfield mit Läden, Büros und Wohnungen entstehen:
Daraus wird nichts. Denn seit der Pleite des Investors (SIGNA) im November 2023 ruhen sämtliche Arbeiten, sowohl bei der Renovierung des historischen Kaufhauses als auch beim Abriss der Betonburg aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Fertig geworden ist allein das neue Hotel Königshof.
Damit ist der erste Eindruck beim Gang vom Hauptbahnhof Richtung Stachus von Stillstand….
…. und Verwahrlosung geprägt:
Zudem hat sich der benachbarte Alte Botanische Garten (im ersten Bild im Hintergrund) zum Drogenhandelsplatz und zur Lagerstätte für Obdachlose entwickelt. Wer sich auskennt, vermeidet sowohl den Besuch des Gartens als auch den Gang durch die Schützenstraße.
Vor einigen Monaten hat Oberbürgermeister Reiter eine Taskforce gegründet, die schnell Abhilfe schaffen soll. Erste Ergebnisse und weitere Schritte wurden am vergangenen Dienstag in einer gemeinsamen Sitzung mehrerer Stadtratsausschüsse diskutiert.
In den letzten Wochen wurde viel über den neuen Mietspiegel berichtet. Danach ist die Durchschnittsmiete in München seit 2019 um mehr als 24% gestiegen. Die Vorstellung des aktuellen Zahlenwerks im Sozialausschuss am vergangenen Donnerstag bot mir die Gelegenheit, dieses Thema genauer zu verstehen. Im Folgenden geht es zum einen um die Auswirkungen des Mietspiegels und zum anderen um die Frage, wie er berechnet wird. Es zeigt sich, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen aber auch Probleme bei der Datenerfassung der Bestandsmieten den Mietspiegel und damit die Mieten in München nach oben treiben.
Es ist eine Binsenweisheit, dass München eine reiche Stadt ist, vielleicht die reichste Stadt Deutschlands. Ebenso offensichtlich ist jedoch die Tatsache, dass es auch in München viel Armut gibt. Aber wie liegen die Dinge genau? Und wie haben sie sich in den letzten Jahren verändert? Seit 1987 gibt die Stadtverwaltung alle fünf Jahre einen Armutsbericht heraus, „eine faktengestützte Grundlage“ wie es die 3. Bürgermeisterin Verena Dietl in der Einführung zum aktuellen Bericht ausdrückt.
Die nachfolgenden Zeilen reichen nicht aus, die über 300 Seiten des Armutsberichts 2022 zusammenzufassen und zu kommentieren. Daher sollen nur einige Aspekte erläutert werden, die mir bei der Durchsicht und in der Diskussion im Sozialausschuss am vergangenen Dienstag besonders aufgefallen sind.
Das Thema Pflege geht jeden an, ob man will oder nicht. Das betrifft nicht nur die Pflichtbeiträge für die Pflegeversicherung. Irgendwann wird man vielleicht selbst Pflegefall oder man muss die Versorgung bzw. die Unterbringung von Angehörigen organisieren. Spätestes dann stellen sich jede Menge Fragen.
Die aktuelle Situation der Pflegeheime und der ambulanten Pflegedienste in München wurde am vergangenen Donnerstag im Sozialausschuss vorgestellt. Wer sich ein vollständiges Bild verschaffen möchte, sollte die 42 bzw. 18 Seiten lesen, die das Sozialreferat jedes Jahr mit großem Aufwand zusammenstellt und die jede Menge Informationen enthalten. Im Folgenden können daraus nur auszugsweise ein paar Zahlen sowie Erkenntnisse aus der Diskussion im Ausschuss berichtet werden, die mir besonders wichtig erscheinen.
Über den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist auf diesen Seiten schon viel berichtet worden. Neben allen Anstrengungen beim Neubau ist die Erhaltung des Bestands an günstigen Mietwohnungen wichtig, damit die Mieten in München nicht noch schneller steigen. Das kann nur gelingen, wenn Umwandlungen in Eigentumswohnungen ebenso gebremst werden wie dauerhafte Zweckentfremdungen von Privatwohnungen für die Unterbringung von Touristen, vermittelt über Onlineplattformen wie AirBnB. Die Sitzung des Sozialausschusses am vergangenen Donnerstag hat jedoch gezeigt, wie begrenzt die rechtlichen Möglichkeiten der Stadt München sind.
Die Pandemie beschäftigt weiterhin in vielfältiger Weise die Kommunalpolitik der Stadt München. Mehrere Berichte auf diesen Seiten haben sich mit der aktuellen Situation in den städtischen Krankenhäusern befasst. Auch die erheblichen Einnahmeausfälle im städtischen Haushalt waren und sind immer wieder Gegenstand von Beratungen des Stadtrates. Die heutige Sitzung des Sozialausschusses (zusammen mit dem Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe) hat deutlich gezeigt, wer von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und der Infektionsschutzmaßnahmen am schlimmsten betroffen ist.
Die Anzahl der Münchner, die Hilfe wegen Überschuldung suchen, ist in den vergangenen Monaten dramatisch angestiegen. Waren es im Februar ungefähr 500 Personen, die Kontakt zur städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung aufgenommen haben, ist diese Zahl im Juli auf fast 1400 gestiegen. Arbeitsplatzverlust, beispielsweise in der Gastronomie oder im Kulturbereich, führen bei vielen Betroffenen zu existentiellen Nöten. Die Folgen des aktuellen „Lockdown light“ sind da noch nicht mit berücksichtigt.
Überschuldung geht häufig mit dem Verlust der eigenen Wohnung einher. Die Anträge für Sozialwohnungen beim Amt für Wohnen und Migration haben um fast 20% zugenommen, von ca. 30.000 in 2019 auf voraussichtlich 35.000 in 2020. Täglich erkundigen sich 600 – 800 Anrufer beim Servicetelefon der Stadt über die Unterstützungsmöglichkeiten bei der Suche nach günstigem Wohnraum.
Vor diesem Hintergrund erscheint es mir trotz der miserablen Finanzlage der Stadt nachvollziehbar, wenn das Sozialreferat mit seiner heutigen Sitzungsvorlage zusätzliche Stellen zur Beratung von in Not geratenen Münchnerinnen und Münchner schaffen möchte. Dafür werden Personalkosten von jährlich ca. 1.3 Mio EUR beantragt, allerdings befristet für die nächsten drei Jahre. Damit sollen die langen Verfahrensdauern – vier Monate bis zu einem Beratungstermin bei der Schuldnerberatung und sechs Monate bis zu einen Wohnungsbescheid – verkürzt werden.
Zum Vergleich: Das Gesamtbudget des Sozialreferats für 2021 liegt gemäß der ebenfalls heute vorgelegten Haushaltsplanung bei knapp 1,5 Mrd EUR und ist damit geringfügig höher als in 2020.
Wo es im Haushalt des Sozialreferats Einsparmöglichkeiten gibt, soll bis Mitte 2021 im Rahmen einer detaillierten „Aufgabenkritik“ genauer untersucht werden. Die Anzahl der Mitarbeiter ist bereits rückläufig, von rechnerisch etwa 3700 Vollzeitbeschäftigen in 2018 auf 3637 in 2020.
Die Stadträte haben den zusätzlichen Stellen für die oben genannten Beratungsangebote mit großer Mehrheit zugestimmt. Allerdings waren sie optimistischer im Hinblick auf das baldige Ende der Pandemie, so dass auf einen Änderungsantrag der Grünen und SPD hin die Befristung der meisten Stellen auf zwei Jahre verkürzt worden ist. Es bleibt zu hoffen, dass wir dann das Virus und seine Folgen tatsächlich hinter uns haben.