Mit diesen drei Stufen könnte man die weitere Entwicklung der Pop-Up-Radwege in München zusammenfassen. Nach der Entscheidung über eine Vorlage im Mobilitätsausschuss am vergangenen Mittwoch werden im April / Mai vier Radwege wieder auferstehen, die im Herbst beseitigt worden sind. Diesmal allerdings längerfristig und in leicht veränderter Form, um die Erfahrungen aus dem Sommer 2020 und die inzwischen durchgeführte Bürgerbeteiligung zu berücksichtigen. Denn bei der Radverkehrsplanung im engen innerstädtischen Raum steckt der Teufel im Detail.
Zur Erinnerung: Kurz nach dem Höhepunkt der ersten Corona Welle im Frühjahr 2020 entstanden auch in München mehrere Pop-Up Radwege auf bisher vom Autoverkehr genutzten Fahrspuren. Allerdings war die offizielle Begründung nicht ein befürchtetes Infektionsrisiko bei der Benutzung des ÖPNV. Stattdessen wurden die Radwege als „Verkehrsversuch“ bezeichnet, mit dem die Verwaltung Erfahrungen für die Planung von dauerhaften Radwegen gewinnen wollte. Im Herbst wurden die Radwege wieder beseitigt – obwohl die Inzidenzzahlen gerade rasant am Steigen waren. Damit wurde Zeit gewonnen, um die vom Oberbürgermeister immer wieder betonte Bürgerbeteiligung zu ermöglichen und mit den unmittelbar betroffenen Anwohnern und Gewerbetreibenden den genauen Verlauf der Radwege zu diskutieren.
Im Folgenden werden die vier Projekte aus der Vorlage kurz dargestellt:
1. Rosenheimer Straße
Zwischen Rosenheimer Platz und Orleansstraße gibt es gegenwärtig keinen Radweg, aber jeweils zwei Fahrspuren für den KfZ-Verkehr in beide Richtungen. Alternative Radstrecken von Ramersdorf / Perlach Richtung Innenstadt sind hier aufgrund der Gebäudeverteilung unmöglich. Denn anders als vom CSU-Fraktionsvorsitzenden im Ausschuss vorgetragen, verläuft die Balanstraße nicht parallel zur Rosenheimer Straße und stellt damit keine mögliche Alternative da.
Aus meiner Sicht führt kein Weg an einer Reduzierung der Fahrspuren vorbei, um durchgängig ein sicheres und attraktives Radeln auf der Rosenheimer Straße zu ermöglichen.
Allerdings entsteht durch die Verringerung auf nur noch eine Fahrspur stadteinwärts eine Rückstaugefahr im Kreuzungsbereich mit der Orleansstraße:
Gegebenenfalls, so die Vorlage, könnte durch eine Anpassung einer Ampelschaltung der Zulauf von Fahrzeugen in den Kreuzungsbereich bereits vorab reduziert werden, um solche Rückstaus zu vermeiden. Im weiteren Verlauf Richtung Stadtmitte treten keine größeren Probleme mehr auf. Als Ergebnis der Gespräche mit den Gewerbetreibenden und Anwohnern wird es auf Kosten einiger Parkplätze zwei Lieferzonen geben, in denen Fahrzeuge kurz halten können, ohne dass Radler auf dem Radweg behindert werden.
2. Theresienstraße
Auch hier soll der Radweg aus dem Sommer 2020 wieder auferstehen, was erneut zu einem Wegfall von einer der zwei Fahrspuren führen wird.
In der Veranstaltung zur Bürgerbeteiligung zu diesem Projekt wurde insbesondere die Neugestaltung von Kreuzungen diskutiert. Dabei geht es darum, ob der zukünftige Radweg rechts neben einer Abbiegespur verlaufen soll oder besser als Radverkehrsstreifen (RFS) in der Mitte, wie in dieser Abbildung aus der Vorlage vorgeschlagen:
Üblicherweise verläuft ein Radweg ganz rechts neben allen Fahrspuren. Wenn im Kreuzungsbereich gefährliche Unfälle zuverlässig vermieden werden sollen, verlangt dies jedoch immer eine Ampel, die so geschaltet ist, dass Kollisionen zwischen rechts abbiegenden Fahrzeugen und Radfahrern ausgeschlossen sind. Im Verkehrsfluss kostet das aber zusätzliche Zeit. Gemäß der Vorlage wird bei der jetzigen Planung der neuen Radwege daher die Variante des Mittelstreifens bevorzugt.
Aus meiner (jahrelangen Radler-) Sicht ist der Mittelstreifen die richtige Lösung, vorausgesetzt
– der Streifen ist hinreichend breit, damit sich auch unerfahrene Radler dort sicher fühlen, und
– die Autos fahren langsam, d.h. Tempo 30.
Dann erscheint mir der Spurwechsel der Autos auf die Abbiegerspur über den Radweg hinweg kein Problem, da die Geschwindigkeitsunterschiede gering sind und Autofahrer – anders als an der eigentlichen Kreuzung – nicht überfordert sind, beim Überfahren des Radstreifens genau auf die Radler zu achten.
3. Gabelsbergerstraße
Hier ist in ähnlicher Weise ein Radweg auf einer der beiden Fahrspuren der bislang zweispurigen Einbahnstraße geplant. Im Bereich der Bushaltestelle an den Pinakotheken werden laut Vorlage zusätzlich zur Fahrspur etwa 15 Parkplätze entfallen müssen, um einen Konflikt zwischen Radlern, dem Bus und den Autos an der Kreuzung mit der Barer Straße zu vermeiden.
4. Elisenstraße
Stark umstritten war im Ausschuss der geplante Radweg in der Elisenstraße. Wie bereits im Verkehrsversuch im Sommer 2020 soll auch der wieder auferstandene Radweg dazu führen, dass in beiden Richtungen jeweils eine der beiden Fahrspuren entfällt.
Die CSU hat mit einem Änderungsantrag versucht, den Ausschuss davon zu überzeugen anstelle der Fahrspuren auf die seitlichen Parkplätze zu verzichten. Dies fand jedoch keine Mehrheit, auch wegen des Arguments der Verwaltung, dass jedenfalls an den Kreuzungen am Lenbachplatz und mit der Luisenstraße ohnehin in beiden Richtungen eine Fahrspur entfallen müsse. Ein zweispuriger Ausbau dazwischen brächte daher keine Vorteile für den KfZ-Verkehr. Erst dann, wenn beide Kreuzungsbereiche komplett neu geplant und völlig umgebaut würden, sei eine Verlagerung auf die Parkplätze denkbar und werde in diesem Zusammenhang auch geprüft.
Dies zeigt exemplarisch, was für alle vier Projekte gilt: Auch die im April / Mai wieder auferstehenden Radwege – mit weißen Streifen dauerhaft markiert – sind nur eine Zwischenlösung. Nicht nur in der Elisenstraße, sondern auch in den anderen drei Straßen wird die gesamte Planung fortlaufend weiterentwickelt, bevor die Radwege in einigen Jahren in ihrer Endfassung auch mit roter Farbe flächig markiert werden. Kosten werden die geplanten vier Zwischenlösungen zusammen etwa 600.000EUR, wie auf Nachfrage in der Ausschusssitzung bekannt wurde.
Mir scheint das gut angelegtes Geld – und im Vergleich zu Kosten des Straßenbaus und auch des ÖPNV sehr gering. Denn alle vier Strecken sind für den Radverkehr im Innenstadtbereich von München von erheblicher Bedeutung. Wenn die Verkehrswende in München endlich vorankommen will, müssen diese Radwege jetzt zügig gebaut werden. Und wenn sich dabei an manchen Stellen weiterer Optimierungsbedarf herausstellt und der endgültige Streckenverlauf noch verändert wird, schadet das nicht. In jedem Fall ergibt sich daraus kein Argument, auf diese Radwege noch länger zu warten.