Erbbaurecht: Der Schlüssel zu günstigen Mieten ?

Baugrund ist in München ein extrem knappes Gut. Pro Einwohner weist München nur etwa halb so viel Fläche wie Hamburg auf und auch deutlich weniger als Berlin oder Frankfurt. Zusammen mit einer ständig steigenden Nachfrage hat dies zu enormen Bodenpreisen geführt, was direkt auf die Mieten von Neubauten durchschlägt. Um preisdämpfend auf den Wohnungsmarkt Einfluss zu nehmen, hat der Stadtrat mit der grün-roten Mehrheit im Mai 2020 beschlossen, städtische Grundstücke an Investoren nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch im Erbbaurecht zu vergeben (falls nicht bereits die eigenen Wohnungsbaugesellschaften zum Zuge kommen).

In der gestrigen Sitzung des Kommunalausschusses wurden verschiedene Aspekte zukünftiger Erbbaurechtsverträge diskutiert – ein Anlass für mich, einen Blick auf dieses Werkzeug der Stadtentwicklung zu werfen, um zu verstehen, was damit für den Wohnungsmarkt erreicht werden kann.

Bei der Vergabe eines Erbbaurechts verbleibt das Grundstück im Eigentum der Stadt. Der Erbbauberechtigte erhält für einen vereinbarten Zeitraum, beispielsweise 60 Jahre, nur das Recht, darauf ein Gebäude zu errichten und zu nutzen. Dafür zahlt er den sogenannten Erbbauzins. Nach Ablauf des Zeitraums kann das Erbbaurecht verlängert werden. Andernfalls geht das Eigentum am Gebäude automatisch auf die Stadt über, die dem Erbbauberechtigten dafür eine angemessene Vergütung bezahlen muss. Während oder am Ende der Laufzeit kann die Stadt das Grundstück unabhängig vom Gebäude doch verkaufen, sei es an den Erbbauberechtigten oder einen anderen Käufer.

Bei der Auswahl eines Erbbauberechtigen kann die Stadt darauf achten, dass auf dem Grundstück günstige Mietwohnungen entstehen. Und genau hier liegt der Vorteil gegenüber einem Verkauf. Dort sind solche Verpflichtungen zwar auch möglich, aber nach der Rechtsprechung immer zeitlich begrenzt. Im Ergebnis fallen bei einem Verkauf eines Grundstücks alle dort gebauten Wohnungen früher oder später aus der Sozialbindung mit der Folge eines starken Anstiegs der Mieten. Nur durch ständigen Neubau kann die Stadt den Bestand an Sozialwohnungen konstant halten oder steigern – was in München aufgrund der begrenzten Flächen der Stadt längerfristig unmöglich wird. Mit dem Erbbaurecht wird das verhindert. Denn bei einer Verlängerung oder Neuvergabe kann die Stadt erneut Einfluss auf die weitere sozialverträgliche Nutzung des Grundstücks nehmen.

Auf Antrag der SPD-Fraktion hat die Leiterin des Kommunalreferats in der gestrigen Sitzung eine Vorlage präsentiert, in der der Einsatz des Erbbaurechts in anderen deutschen Großstädten erläutert wird, um daraus Erkenntnisse für München zu gewinnen. Ohne zu sehr in juristische Details einzutauchen, lässt sich dabei Folgendes festhalten:

  • Auch Hamburg, Berlin, Frankfurt und Ulm haben das bereits 1919 „erfundene“ Erbbaurecht neu für sich entdeckt und versuchen, damit langfristig günstigen Wohnraum bereitzustellen.
  • Die Höhe des Erbbauzinses kann sich sowohl nach der Laufzeit (je kürzer desto niedriger) als auch nach der Nutzung (höher für gewerbliche Erbbauberechtigte, niedriger für den Bau von Sozialwohnungen) richten.
  • Es sind eine Vielzahl von Verlängerungsoptionen des Erbbaurechts denkbar, zum Teil mit automatischer Fortsetzung der Sozialbindung der gebauten Wohnungen.
  • Handelt es sich beim Erbbauberechtigten um eine juristische Person, ist in manchen Verträgen die Zustimmung der Stadt für eine Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung des Erbbauberechtigten erforderlich (sogenannte „Change-of Control-Klausel“ ). Wenn ich es richtig verstehe, soll damit verhindert werden, dass beispielsweise eine gemeinnützige Baugenossenschaft sich in ein kommerzielles Unternehmen verwandelt und damit möglicherweise wesentliche Gründe für die Vergabe des Erbbaurechts wegfallen.

Ein weiteres Ziel des SPD-Antrags war es, einen einfachen Standardvertrag für das Erbbaurecht in München zu entwickeln, der kleineren Investoren, insbesondere den bereits genannten Baugenossenschaften, die Investition in Neubauten erleichtert. Das wird nicht gelingen. Wie die Leiterin des Kommunalreferats bereits in einer vorangegangenen Sitzung erläutert hat, sind Erbbauverträge an sich schon sehr kompliziert (> 100 Seiten). Je mehr sozialpolitische Vorstellungen die Stadt in einem Projekt durchsetzen möchte, desto komplexer wird es. In der Diskussion im Ausschuss wurde darüber hinaus versucht, eine juristische Konstruktion zu finden, die erbbauberechtige Baugenossenschaften vertraglich absichert, wenn die Stadt aus finanziellen Gründen doch einmal gezwungen sein sollte, das entsprechende Grundstück während oder am Ende der Laufzeit zu verkaufen. Dadurch soll das Erbbaurecht insbesondere für diese Investoren attraktiver gemacht werden. Kein leichtes Unterfangen, wie der Text des am Ende der Sitzung ergangenen Beschlusses zeigt.

Aktuell laufen mehrere Ausschreibungen für Bebauungen im Erbbaurecht auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne. Da wird sich herausstellen, welche Klauseln am Ende der Verhandlungen Eingang in die Verträge mit den Investoren finden – wenn sie denn öffentlich einsehbar werden.

Ist das Erbbaurecht nun die Lösung aller Probleme auf dem Münchner Wohnungsmarkt? Kurzfristig wird damit der Bau von günstigen Wohnungen nicht beschleunigt. Aber langfristig kann diese Form der Grundstücksvergabe durchaus zum Erhalt und Ausbau von Sozialwohnungen beitragen. Die Zeiträume sind dabei etwa wie beim Umbau unserer Wälder im Kampf gegen den Klimawandel – das Ergebnis sieht man nicht in ein paar Jahren, sondern erst nach mehreren Generationen.