Mobilfunkausbau: Vorfahrt für die Stadtwerke

Schon einmal ist auf diesen Seiten über die Schwierigkeiten des Mobilfunkausbaus in München berichtet worden. Am vergangenen Donnerstag hat die Vollversammlung des Stadtrates mit den Stimmen der grün-roten Mehrheit einen wegweisenden Beschluss zu diesem Thema verabschiedet. Danach soll der Aufbau des 5G-Netzes bevorzugt mit Mikrozellen erfolgen, wobei die Stadtwerke mit ihrer Tochter M-Net eine koordinierende Rolle übernehmen werden.

Ausgangspunkt der Diskussion war eine Vorlage des Referats für Arbeit und Wirtschaft, um die Genehmigung von neuen Mobilfunkanlagen zu beschleunigen. Die Bearbeitungsdauer von im Schnitt eineinhalb Jahren liegt an einem verwaltungsinternen Dauerstreit zwischen dem Referat für Arbeit und Wirtschaft und anderen Referaten, die Eingriffe in das Stadtbild und in Grünflächen durch zusätzliche Mobilfunkanlagen minimieren möchten.

Neue Standorte werden zum einen für das bestehende Netz aus 4G-Makrozellen benötigt aber auch für das zukünftige 5G-Netz. Und genau hier setzt der Gestaltungswille der Rathausmehrheit an. Mit einem Änderungsantrag vorgestellt von der SPD-Fraktion wurde eine Festlegung getroffen, dass das 5G-Netz bevorzugt mit Mikrozellen aufgebaut wird. Ferner sollen die Stadtwerke in Zukunft für den gesamten Netzausbau eine koordinierende Funktion übernehmen und wo immer möglich, Standorte von den vier Netzbetreibern gemeinsam genutzt werden („Sharing-Modell“).

Die CSU-Fraktion fand dieses Konzept nicht überzeugend. Damit entstünde lediglich eine weitere „Schnittstelle“ ohne Entscheidungsbefugnis, die den Stillstand beim Genehmigen neuer Standorte nicht überwinden könne. Außerdem hätten die Stadtwerke gar kein Interesse an diesem Thema, da sie kein Mobilfunkbetreiber seien. Schließlich sei das Sharing von Mobilfunkmasten auch jetzt schon ständige Praxis.

Der zweite und der dritte Einwand wurden von einem Vertreter von M-Net und einer Vertreterin der Stadtwerke sofort widerlegt. M-Net betreibt ein flächendeckendes Glasfasernetz in München und hat nach eigener Aussage ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, dieses Netz mit dem Anschluss von 5G-Mikrozellen zusätzlich auszulasten. Zugleich können die Stadtwerke den Strom für die Mikrozellen liefern und zum Teil auch weitere geeignete Mobilfunkstandorte auf ihren Liegenschaften anbieten. Im Übrigen werde Sharing in München mit seiner hohen Mobilfunknachfrage anders als im ländlichen Raum von den Netzbetreibern bislang nicht praktiziert.

Aus meiner Sicht ist es stimmig, die Stadtwerke am 5G-Ausbau zu beteiligen. Wie von der SPD-Fraktion zu Recht angemerkt, gehört ein leistungsfähiger Mobilfunk zur Daseinsvorsorge. Ein starker öffentlicher Einfluss ist daher genauso wichtig wie in anderen Bereichen der öffentlichen Infrastruktur (Strom, Wasser, Gesundheit, etc.). Die Bedenken der ÖDP, dass dadurch rechtliche Probleme zu erwarten seien, halte ich im Grundsatz nicht für gerechtfertigt, da M-Net nicht als Wettbewerber der Mobilfunkbetreiber auftritt, sondern als Grundlagenanbieter für den Aufbau der weiteren Infrastruktur. Trotzdem sind Interessenkollisionen nicht ganz ausgeschlossen, wenn die Stadtwerke einerseits den Genehmigungsprozess für neue Anlagen koordinieren sollen und andererseits daran auch wirtschaftlich partizipieren wollen.

Auch die Festlegung auf Mikrozellen als bevorzugtes Infrastrukturelement für den 5G-Netzaufbau finde ich richtig. Wie vom Vertreter von M-Net bereits früher ausgeführt, können damit Netzwerke aufgebaut werden, die eine hohe Leistungsfähigkeit mit geringsten Eingriffen in das Stadtbild verbinden. Das ist die richtige Zielvorgabe für den weiteren Mobilfunkausbau in einer dicht besiedelten Großstadt wie München mit seiner historisch gewachsenen Architektur.

Zweifelhaft ist allerdings weiterhin, wie der Stillstand in der Verwaltung bei den anstehenden Genehmigungsverfahren überwunden werden kann. Dieser Punkt, der ja der Ausgangspunkt der Vorlage gewesen ist, scheint immer noch ungelöst. Das ist schade, denn die Diskussion im Stadtrat hat auch gezeigt, dass es neben dem in weiter Ferne liegenden autonomen Fahren auch andere Anwendungen gibt, die von schnellem Mobilfunk profitieren werden und damit auch neue wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten mit sich bringen.

Die aktuelle Corona-Lage in München: Licht und Schatten

Wo stehen wir in der zweiten Welle? Sind die Zahlen endlich rückläufig oder braucht es weitere Maßnahmen? Wie sieht es in den Krankenhäusern und Heimen aus? Sind die Schulen Hotspots? Das sind Fragen, zu denen es meistens nur auf Bundes- und Landesebene Antworten gibt. Die gestrige Vollversammlung des Stadtrats hat jedoch die Möglichkeit geboten, sich ein aktuelles Bild der Lage in München zu verschaffen.

Wie bereits vor einem Monat hat zunächst der Leiter der Branddirektion einen Überblick gegeben, gefolgt von Fragen und Kommentaren aus den Reihen des Stadtrats.

1. Das Infektionsgeschehen

Auf muenchen.de informiert die Stadt weiterhin tagesgenau über die 7-Tage Inzidenz und weitere Daten zum Verlauf der Pandemie in München. Seit dem 13. November sind die Infektionszahlen rückläufig, aber immer noch auf hohem Niveau:

Leicht rückläufige Werte für die 7-Tage Inzidenz in München; Quelle: muenchen.de

Der Oberbranddirektor war jedoch optimistisch, dass sich der Trend nach unten fortsetzt.

2. Tests und Nachverfolgung

Die Kapazität der städtischen Teststation auf der Theresienwiese steigt weiter, von gegenwärtig 8.700 Tests auf 11.200 Test pro Woche. Daneben gibt es mobile Teststationen, beispielsweise für Schulen, mit einer zusätzlichen Kapazität von bislang 7000, demnächst 10.500 Tests.

Zur effektiven Pandemiebekämpfung ist die unmittelbare Benachrichtigung von positiv Getesteten und ihren Kontaktpersonen entscheidend. Gegenwärtig sind in München etwas weniger als 7000 Personen infiziert, die im Schnitt jeweils vier Kontaktpersonen benennen. Damit müssen insgesamt etwa 35.000 Personen nachverfolgt werden – keine leichte Aufgabe.

Zwei Probleme treten dabei auf: Zum einen hat sich in den letzten Wochen die Bearbeitung in den Laboren verzögert und es kam zu Rückstaus von bis zu 5 Tagen. Zum anderen war die personelle und räumliche Ausstattung der Nachverfolgungsteams in München unzureichend. Das soll sich ändern. Dazu hat die Stadt eine Messehalle angemietet, in der ab Dezember 400 Mitarbeiter mit Call-Center-Ausstattung ihre Arbeit aufnehmen werden. Aber auch schon vorher soll es bei der Weiterleitung von Testergebnissen der Labore keine Verzögerungen mehr geben. Auf Nachfragen der CSU-Fraktion konnte die Leiterin des Gesundheitsreferats bestätigen, dass jedenfalls ab sofort positiv Getestete unmittelbar über eine App („Doctor Box“) informiert werden und spätestens 24 Stunden später zusätzlich per Brief.

3. Intensivbetten

Die Anzahl der aktuell freien Intensivbetten in München wird nicht nur durch die Anzahl der Patienten bestimmt (aktuell 88). Maßgeblich ist auch wieviel Kapazität die Krankenhäuser bereitstellen, indem sie andere Operationen verschieben und dafür – jedenfalls kurzfristig – finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Gegenwärtig gilt „Level 2“, d.h. noch ist es den Krankenhäusern selbst überlassen, inwieweit sie Betten für Corona Patienten freihalten. Die folgende Tabelle aus der Präsentation des Oberbranddirektors zeigt auch die weiteren Level 3 und 4:

Die Kapazitäten der Münchner Krankenhäuser; Quelle: Präsentation des Oberbranddirektors

Mit „Level 4“ wären insgesamt 500 Betten verfügbar, das ist mehr als das Fünffache der aktuellen Belegung, allerdings nur dann, wenn alle nicht lebensrettenden Operationen in München verschoben würden. Im Lichte der Infektionszahlen rechnet der Oberbranddirektor mit einem leichten weiteren Anstieg der Belegung, bevor in einer knappen Woche auch hier die Zahlen zurückgehen sollten.

3. Schulen

Inzwischen stellt die Stadt München auf ihrer Website auch die Zahlen zur aktuellen Situation an den Schulen dar. Dort findet man folgendes Bild:

Das Infektionsgeschehen an Münchens Schulen; Quelle: muenchen.de

Deutlich hat der Oberbranddirektor darauf hingewiesen, dass das Infektionsgeschehen hier sehr überschaubar ist. Insgesamt 219 Kinder sind aktuell erkrankt und 18 Lehrkräfte. Bei insgesamt fast 7000 aktuell erkrankten Münchnerinnen und Münchnern sind das gerade einmal 3,5% aller Krankheitsfälle. Auch die Anzahl der Klassen in Quarantäne liegt für fast alle Schularten bei weniger als 5%. Das bedeutet, dass mehr als 95% aller Schüler von der Maskenpflicht einmal abgesehen ganz normal unterrichtet werden können.

In der Diskussion hat der Oberbürgermeister – wie ich finde zu Recht – angemerkt, dass diese Situation keine Abweichung vom Regelbetrieb in den Schulen rechtfertigen kann. Es bleibt zu hoffen, dass die aufgeregte Diskussion auf Landes- und Bundesebene nicht zu anderen Vorgaben führen wird.

4. Pflegeheime

Nach den Ausführungen des Oberbranddirektors ist die Situation erheblich besser als im Frühjahr. Dennoch gelten in der zweiten Welle schon wieder 20 Pflegeeinrichtungen in München als Hotspots mit mehreren Infizierten. Insgesamt 183 Heimbewohner sind bereits erkrankt. Die extreme Altersabhängigkeit des mit Corona verbundenen Sterberisikos lässt nichts Gutes erwarten. Ein Blick auf die Münchner Corona Todesfallstatistik zeigt in aller Deutlichkeit die Gefahren für ältere und hochbetagte Münchnerinnen und Münchner:

Altersverteilung der an Corona Verstorbenen in München: Fast 2/3 der Fälle waren über 80 Jahre alt und damit häufig in Pflegeeinrichtungen untergebracht. Quelle: muechen.de

Warum es offensichtlich auch in der zweiten Welle nicht ausreichend gelingt, den Virus von den hochgefährdeten Heimbewohnern fernzuhalten, wurde durch die Nachfrage des ÖDP-Stadtrates klar: Eine vorbeugende regelmäßige Reihentestung des Pflegepersonals findet in München gegenwärtig nicht statt, weder mit PCR-Tests noch mit Schnelltests. Laut Aussage des Oberbranddirektors sind vom Freistaat bislang 5000 Schnelltests ausgegeben worden, wobei unklar blieb, ob das die Stadt München oder ganz Bayern betrifft. Die Leiterin des Sozialreferats konnte ergänzen, dass das Münchenstift, der Betreiber der städtischen Pflegeheime, ab Dezember in der Lage sein wird, sein Personal einmal die Woche zu testen.

Meiner Meinung nach kommt das viel zu spät und ist immer noch kein ausreichender Schutz der Heimbewohner. Wird ein Mitarbeiter am Montag getestet und steckt er sich am Dienstag irgendwo an, besteht ein erhebliches Risiko, dass er ab Donnerstag oder spätestens Freitag anfängt, den Virus an Heimbewohner weiterzugeben. Der Stadt München ist allerdings kein Vorwurf zu machen. Das Problem liegt vielmehr an der mangelnden Verfügbarkeit von Tests und damit der völlig verfehlten Teststrategie des Freistaats, wie die Gesundheitsreferentin in der Vollversammlung zutreffend festgestellt hat. Viel zu lange hat sich die Staatsregierung darauf fokussiert, durch frei verfügbare Test das allgemeine Infektionsgeschehen in der Bevölkerung herunterzudrücken. Daher hat man jetzt, auf dem Höhepunkt der zweiten Welle, keine ausreichende Testkapazität, um sämtliches Pflegepersonal mindestens alle zwei Tage zu testen. Die Folge ist das Bayern sowohl absolut als auch relativ zur Bevölkerung die meisten Toten in Heimen hat, wie das RKI vor zwei Tagen berichtet hat.

Unverständlich ist mir insbesondere der noch immer nicht behobene Mangel an Schnelltests in Bayern. Zum Vergleich, die Slowakei hat es bereits Ende Oktober geschafft, ihre gesamte Bevölkerung damit zu testen. Dasselbe findet in den nächsten Tagen in Südtirol statt. Es müssen daher deutlich mehr als die oben erwähnten 5000 Stück am Markt erhältlich gewesen sein.

Das Ganze ist sehr bitter, nicht nur für die Heimbewohner in München selbst, sondern auch für deren Angehörige, die in den nächsten Monaten noch in großer Unruhe sein werden, bis der Beginn der Impfung das Problem hoffentlich beenden wird.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Corona-Lage in München nicht außer Kontrolle ist, weder in der allgemeinen Bevölkerung, noch in den Krankenhäusern und schon gar nicht in den Schulen. Aber es bleibt schwierig, denn der weitere Infektionsverlauf ist immer noch unsicher und die Gefahr ist für hochbetagte Münchnerinnen und Münchner, die auf Pflege angewiesen sind, weiterhin sehr hoch.

Ein großes Softwareprojekt

Wer in einem Unternehmen in der IT- oder Finanzabteilung Verantwortung trägt, kennt die enormen Herausforderungen, die der Umstieg auf eine neue Software mit sich bringt. Bereits in 2019 hat sich der Stadtrat mit einem Grundsatzbeschluss und einem Umsetzungsbeschluss entschieden, im Rahmen des Projekts „digital4finance“ das 20 Jahre alte SAP-System der Stadt durch die aktuelle SAP S4/HANA Software zu ersetzen. Bei über 6000 städtischen SAP-Anwendern ist offensichtlich, welche Bedeutung dieses Projekt für die Münchner Stadtverwaltung hat.

Im Finanzausschuss am vergangenen Dienstag war es daher eine gute Nachricht, dass der Softwareumstieg bislang im Zeitplan liegt. Mit knapp 154 Mio EUR wird es vielleicht noch ein paar Millionen günstiger als zunächst geplant. Dabei kann München leider nicht auf die Erfahrungen anderer Städte zurückgreifen. Im Umsetzungsbeschluss heißt es dazu:

….im Rahmen des Städtetages [wurde] bei den Großstadtkämmerern der aktuelle Stand der eigenen Planungen für S/4HANA abgefragt. Derzeit existieren jedoch noch keine Vergleichsprojekte, die bereits eine belastbare Kostendarstellung zur Verfügung stellen könnten.

München ist somit für die neue Software eine Art Referenzkunde. Wenn der Umstieg hier scheitert, so der Kämmerer, scheitert damit auch SAP S4/HANA, jedenfalls im öffentlichen Sektor.

Wo steht nun die Einführung des neuen Systems ? Wie bei jedem Umzug ist ein erster Schritt das Entrümpeln. Ineffiziente Prozesse in der Verwaltung werden nicht dadurch besser, dass man sie mit einer neuen Software abbildet. Mit ca. 150 sogenannten „Fit-2-Standard“ Workshops wird gegenwärtig untersucht, inwieweit Vorgänge in der Münchner Stadtverwaltung durch Standardprozesse der neuen Software abgebildet werden können.

Flussdiagram der Workshops zur Konfiguration der neuen Geschäftsprozesse; Quelle: Sachstandsbericht der Stadtkämmerei

Soweit das nicht der Fall ist, wird entschieden, ob der Verwaltungsvorgang vereinfacht werden kann oder ob tatsächlich individuelle Anpassungen der Software benötigt werden:

Auswertung der Workshops und Anpassung der Prozesses bzw. der Software; Quelle: Sachstandsbericht

Und was hat der Münchner Bürger davon ? Zunächst einmal die Hoffnung auf eine effizientere Verwaltung. Beispielsweise gelingt es dann vielleicht, fällige Beiträge ohne große Zeitverzögerung in Rechnung zu stellen und nicht erst Jahre später wie früher für den Unterricht der städtischen Musikschule.

Darüber hinaus soll das neue System auch modernere Formen der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen ermöglichen. Im aktuellen Sachstandsbericht wird als Beispiel („Show Case“) die Anmeldung eines neuen Hundes bei der Stadtverwaltung gezeigt, ein Vorgang, der bei über 36.000 Hunden in München eine gewisse Bedeutung hat. Bislang funktioniert die Online-Anmeldung so:

Ablaufdiagramm der bisherigen Vorgänge zur Anmeldung eines neuen Hundes in München; Quelle: Sachstandsbericht

Ohne auf die Details einzugehen erkennt man, dass der Anmelder bislang jede Menge Tastatureingaben in Onlineformulare vornehmen muss und in der Verwaltung noch Papierakten dazu geführt werden.

In Zukunft soll ein mit künstlicher Intelligenz versehener Computer den Anmelder in einer Art Gespräch( Fachbegriff „Chatbot“) mit einer entsprechenden App durch den Anmeldevorgang führen:

Chatbot für die Anmeldung eines Hundes bei der Stadt München, einschließlich automatischer Erkennung der Hunderasse; Quelle: Sachstandsbericht

Zweifelsohne eine intelligente Lösung, insbesondere wenn die erzeugten Daten in Zukunft auch innerhalb der Verwaltung nur noch digital bearbeitet werden. Man fragt sich allerdings, ob ein erheblicher Teil der Hundehalter wirklich mit solch einer App umgehen kann und will oder nicht weiterhin einen persönlichen Ansprechpartner in der Stadtverwaltung bevorzugt.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass der Umstieg auf die neue Software weiterhin ohne Zeitverzug und Kostensteigerung funktioniert und das neue SAP-System wie geplant ab 2023 stufenweise in Betrieb gehen kann.

Ein ungehörter Weckruf

Welch große Löcher die Corona-Krise in den Haushalt der Stadt München reißt, ist unverkennbar. Eine aktuelle Pressemitteilung der Stadtkämmerei weist darauf hin, dass 2021 der Schuldenstand der Stadt auf voraussichtlich über 3 Milliarden EUR ansteigen wird. Mit deutlichen Worten hat der Kämmerer daher dem Stadtrat empfohlen:

“ ganz genau hinzusehen, klare Prioritäten zu setzen und gegebenenfalls zu kürzen.“

Wie wenig diese mahnenden Worte bei den Stadträten bislang Gehör finden, hat die heutige Sitzung des Kreisverwaltungsausschusses gezeigt. Einmal mehr wurden zusätzliche Millionenausgaben ohne kritische Nachfragen in kürzester Zeit durchgewunken.

Gegenstand der Beratungen waren mehrere Anträge des Kreisverwaltungsreferats zur Verbesserung der personellen und sachlichen Ausstattung der Münchner Feuerwehr:

– Für die Planung des Ersatzes der Hard- und Software in der Einsatzleitstelle der Berufsfeuerwehr wurden mit einer ersten Vorlage zwei unbefristete neue Stellen beantragt.

– Gemäß einer weiteren Vorlage soll die Unterstützung der freiwilligen Feuerwehr dauerhaft erhöht werden, um auch hier zwei weitere Dauerstellen für deren IT bzw. Verwaltung zu finanzieren.

– Schließlich wird in einer dritten Vorlage unter anderem beantragt, zusätzliche Ergänzungen für die laufende Software der Einsatzleitstelle zu erstellen.

Allen drei Vorlagen enthalten auf den ersten Blick überzeugende Begründungen, warum die vorgeschlagenen Ausgaben unvermeidbar sind. Hinzu kam in der Sitzung der Appell des sympathischen Leiters der Branddirektion, die Arbeit der Münchner Feuerwehr zu unterstützen. Und das reicht dann schon, denn fast alle Ausschussmitglieder haben die drei Vorlagen ohne jede Nachfrage genehmigt, obwohl sich die Stadtkämmerei unter Hinweis auf die angespannte Haushaltslage jeweils strikt dagegen ausgesprochen hat:

Im Rahmen des Eckdatenbeschlusses wurde für den Haushaltsplan 2021 […] für das Haushaltsjahr 2021 insgesamt eine Einsparsumme i. H.v. 240 Mio. € beschlossen. Für den Haushalt 2021 besteht daher kein Spielraum für weitere Ausweitungen.

Nun ist eine leistungsfähige Feuerwehr in der Tat eine ganz wichtige Aufgabe der Stadt München. Als verantwortungsvolles Ausschussmitglied tut man sich deshalb wohl schwer, den tatsächlichen Finanzbedarf strenger als die Branddirektion einzuschätzen. Dennoch hätten einige Fragen durchaus gestellt werden können, z.B.:

– Warum braucht es für die Planung des Hard- und Softwareaustausches in der Leitstelle unbefristete Stellen ? Die Planung ist gemäß der Vorlage im Wesentlichen in 2023, spätestens in 2025 beendet. Die Vorlage verweist dazu auf die Zertifizierung der IT der Leitstellen, die auch danach in gewissen Zeitabständen immer wieder vorbereitet werden muss. Da könnte man zumindest Zweifel anmelden, ob dafür auf Dauer zwei unbefristete Vollzeitstellen benötigt werden.

– Für andere Softwareprojekte greift die Stadt München auch auf externe Berater zurück. Das ist kurzfristig vielleicht teurer, führt aber nicht zu dauerhaften Personalkosten. Wäre das eine denkbare Alternative ?

– Warum braucht die freiwillige Feuerwehr auf einmal 50 % mehr Verwaltungspersonal, nämlich anstelle der bisherigen vier Mitarbeiter jetzt insgesamt sechs Personen?

– Schließlich könnte man sich fragen, ob die alte Software der Leitstelle für einen sechsstelligen Betrag kurz vor Ende ihrer Nutzungsphase noch mit den genannten Ergänzungen versehen werden muss, oder ob die vorhandenen provisorischen Lösungen nicht doch bis zur Einführung der neuen Software ab 2023 fortgeführt werden könnten.

Beantworten kann ich diese Fragen nicht. Aber so oder so ähnlich hätte man unter dem Eindruck der angespannten Haushaltslage die tatsächlichen Notwendigkeiten in der Sitzung weiter untersuchen können. Der Weckruf des Kämmerers, ganz genau hinzusehen, zu priorisieren und gegebenenfalls zu kürzen ist jedenfalls in diesem Ausschuss noch nicht angekommen.

Die Untoten der Verkehrsplanung

Große Straßenbauprojekte haben viele Leben. Werden sie nach einem längeren Diskussionsprozess abgelehnt und beerdigt, dauert es meistens nur ein paar Jahre bis zu ihrer Wiederauferstehung. So auch der Autobahn Südring um den Süden Münchens. Nach 2010 hat der Stadtrat zuletzt in 2015 bekräftigt, auf den Ringschluss der A99 zu verzichten.

Zur Wiederbelebung tragen insbesondere Wahlkämpfe bei. Daher wurde das Stadtplanungsreferat 2019 im Vorfeld der Kommunalwahl mit Anträgen konfrontiert, die sich unter der Führung der Münchner CSU Fraktion deutlich für den Südring ausgesprochen haben. Andere Anträge sind strikt dagegen gerichtet, jedenfalls bei einer Trassenführung ohne Tunnel. Die heutige Sitzung des Mobilitätsaussschusses hat sich daher erneut mit diesem Projekt befasst – und es einmal mehr beerdigt.

Zu Erinnerung: In 2010 wurde eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, die verschiedene Trassenverläufe für den Ringschluss miteinander verglichen hat.

Die verschiedenen in 2010 untersuchten Trassenverläufe. Quelle: Machbarkeitsstudie A99

Die gestrichelten Linien zeigen jeweils Tunnelstrecken. Alle Aspekte der damaligen Machbarkeitsstudie hier zusammenzufassen würde diesen Bericht sprengen. Wesentlich erscheinen mir allerdings die damals geschätzten Kosten der verschiedenen Varianten:

Voraussichtliche Kosten der verschiedenen Varianten des Südrings. Quelle: Machbarkeitsstudie A99

Man erkennt, dass bereits in 2010 die Kosten für die meisten Varianten bei weit über 1 Mrd. EUR lagen. Bei den inzwischen stark gestiegenen Baukosten wären das heute eher zwei Mrd. EUR. Die kostengünstigste Variante C8mA kommt ohne Tunnel aus. Allerdings sähe das Isartal dann in etwa so aus:

Die Europabrücke bei Innsbruck. So müsste man sich die Querung des Isartals bei einem Südring der A99 ohne Tunnel vorstellen.

In der Vorlage der Verwaltung für die heutige Sitzung wurde die Studie aus 2010 so zusammengefasst:

Aus der Untersuchung ging hervor, dass damit [dem Ringschluss] nur geringe Verkehrsentlastungen für das Münchner Hauptverkehrsnetz erreicht werden könnten. […..] Auf den heute bereits sehr hoch belasteten Abschnitten der A99-Nord und -Ost (zwischen den Autobahnkreuzen Nord und Ost) ergaben sich nur Entlastungen in einem Bereich unterhalb der täglichen Schwankungsbreiten (ca. 8.000 – 10.000 Kfz/24h, eine Reduzierung von lediglich 6,1 % bis 6,9 % des Verkehrsaufkommens). Erkennbare Entlastungen wurden auf den in der Bürgerversammlungs-Empfehlung genannten Strecken dargestellt, z.B. im Bereich des McGraw-Grabens um 20.000 Kfz/24h (-23 % bis -25 %) oder auf dem Abschnitt der Autobahn A995 zwischen dem Knotenpunkt Taufkirchen und dem McGraw-Graben um 12.000 bis 18.000 Kfz/24h (16 % bis -25 %).

Der letzte Satz zeigt das eigentliche Problem: Die südlichen Stadtteile Münchens, insbesondere Obergiesing und Sendling, würden durch einen Ringschluss der Autobahn spürbar entlastet – und die Umlandgemeinden im Münchner Süden entsprechend belastet. Die heutige Diskussion im Stadtrat hat daher auch gezeigt, dass die Trennlinie der Befürworter und Gegner des Ringschlusses quer durch manche Parteien verläuft. Während die CSU in den Umlandgemeinden im Münchner Süden gegen das Projekt ist, sieht die CSU Fraktion im Stadtrat das ganz anders. Und die SPD Sendling-Westpark hat sich in 2019 für eine Tunnellösung ausgesprochen, während die SPD-Stadtratsfraktion heute zusammen mit den Grünen den Südring einmal mehr abgelehnt hat. Ungeteilte Zustimmung zum Südring fand sich in der heutigen Sitzung nur bei der FDP /Bayernpartei, allerdings ohne auch nur mit einem einzigen Wort auf die Kosten einzugehen.

Aus meiner Sicht ist der Südring, selbst wenn man ihn verkehrspolitisch befürworten würde, nicht finanzierbar – schon gar nicht in Zeiten einer Pandemiekrise. Für einen Bruchteil der zwei Milliarden, die eine Tunnellösung kostet, könnte man jedoch viele Maßnahmen wie eine Überdeckelung des McGraw-Grabens und Schallschutzmaßnahmen entlang des Mittleren Rings bezahlen, die die Lebensqualität in den vom Durchgangsverkehr besonders betroffenen Stadtteilen des Münchner Südens spürbar verbessern. Vielleicht würde es dann bis zur nächsten Wiederauferstehung des Projekts Südring etwas länger dauern.

Wer übrigens nach einem weiteren Untoten sucht, könnte die Planung der A98 aus dem letzten Jahrhundert wiederbeleben. Danach sollte eine West-Ost Autobahn mitten durch das ganze Allgäu und das Oberland verlaufen bis zum einem Anschluss an die A8 am Irschenberg. München würde damit weiträumig umfahren.

Karte im DuMont Kunst-Reiseführer von 1983. Die Angabe zur A98 („im Bau“ ) war zum Glück falsch.

Raus aus der Kohle – rein ins Erdgas

Am 5. November 2017 wurde per Bürgerentscheid beschlossen, den mit Kohle befeuerten Block 2 des Heizkraftwerkes München Nord 2022 stillzulegen. Damit sollte der CO2-Ausstoß durch die Stadtwerke erheblich verringert werden. Die heutige Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft hat gezeigt, wie schwierig es ist, diesen Beschluss umzusetzen. Wie ein Stadtrat der Grünen ausgeführt hat, wäre es besser gewesen, man hätte damals die Bürger nicht nur nach dem Abschalten des Kohlekraftwerks gefragt, sondern auch, wie dessen Leistung zeitnah ersetzt werden soll.

Der Vollzug des schnellen Kohleausstiegs wird durch zwei Umstände erschwert:

– In 2019 hat die Bundesnetzagentur festgelegt, dass das Kraftwerk vor 2025 nicht vom Netz gehen kann, da es als Reservekraftwerk für eine sichere Stromversorgung in München benötigt wird. Diese Anforderung wird laut der heutigen Vorlage der Verwaltung voraussichtlich solange bestehen bleiben, bis in 2028 große Stromleitungen aus Norddeutschland zur Verfügung stehen.

– Gleichzeitig würde der Wegfall des Kraftwerkes zu einer deutlichen Verringerung der verfügbaren Heizleistung im Münchner Fernwärmenetz führen. Damit fehlt eine Fernwärmereserve von ca. 300 MW, die benötigt würde, wenn im Winter einmal ein anderes großes Heizkraftwerk Münchens ausfällt. Insgesamt werden in München etwa 2000 MW Heizleistung für die Fernwärme benötigt, von denen gegenwärtig nur ca. 100 MW durch klimafreundliche Geothermie abgedeckt werden.

Diese beiden Anforderungen – Stromreserve und Fernwärmereserve – sind gleichzeitig kaum zu erfüllen. In einem vom Stadtrat beauftragten Gutachten des TÜV wird zu einem zukünftigen Betrieb des Kohlenmeilers als Strom-Reservekraftwerk Folgendes ausgeführt:

Allerdings dürfte SWM [ die Stadtwerke] das Kraftwerk dann nicht mehr als Reserve für die Fernwärmeversorgung einsetzen, […]. “

Als Zwischenlösung hat der Stadtrat im November 2019 daher beschlossen, einem Vorschlag des TÜV zu folgen und das Kraftwerk ab sofort nicht als Reservekraftwerk zu betreiben, sondern lediglich mit verringerter Leistung, um den CO2-Ausstoß zumindest etwas zu verringern. Gleichzeitig wurden die Stadtwerke beauftragt, ein neues Konzept zu erarbeiten, wie die Heizleistung der Kraftwerks auf Dauer ersetzt werden kann.

Dieses Konzept (als Anhang der Vorlage beigefügt) war Gegenstand der streitigen Diskussion in der heutigen Ausschusssitzung. So hat der Initiator des Bürgerentscheids in 2017, die ÖDP, vehement die Auffassung vertreten, es bedürfe gar keiner Ersatzheizleistung, da die notwendigen 300 MW auch durch Modernisierungen der Leitungen und Ausbau der Geothermie bereitgestellt werden könnten. Offensichtlich sieht sich die ÖDP hier im Wort, weil man beim Bürgerentscheid explizit versprochen hat, dass die Abschaltung des Kohlekraftwerks kostengünstig zu machen sei. So war damals folgende Begründung zu lesen:

Das Steinkohlekraftwerk ist Klimakiller Nr. 1 in München, stellt ein finanzielles Risiko dar und die Abschaltung ist die günstigste CO2-Einsparmaßnahme.“

(Quelle: Kommentar zum TÜV Gutachten durch das Ökoinstitut)

Der Vertreter der Stadtwerke widersprach dieser Argumentation und führte aus, dass nur ein neues gasbefeuertes Heizkraftwerks die oben genannten Anforderungen gleichzeitig erfüllen könne, bei dem sich die Ausgangsleistung sehr flexibel zwischen Strom und Wärme verteilen ließe. Eine schnelle komplette Modernisierung des Leitungssystems sei ebenso unrealistisch wie der geforderte Ausbau der Geothermie. Letzteres, weil viele neue Standorte für die dafür notwendigen Bohrungen im Stadtgebiet von den Anwohnern nicht akzeptiert würden. Die große Mehrheit des Ausschusses hat diese Ausführungen zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Vollversammlung des Stadtrates wird daher das Konzept für das neue Gasheizkraftwerk aller Voraussicht nach demnächst verabschieden.

Als Nicht-Experte auf diesem Gebiet ist es schwierig, die Argumente für und wider ein neues Gasheizkraftwerk im Detail zu bewerten. Allerdings ist das Ergebnis, dass ein Ausstieg aus der Kohle notwendig zu mehr Gaskraftwerken führt, nicht überraschend, sondern bundesweit zu beobachten. Die Abkehr von der ineffizienten und klimaschädlichen Kohleverstromung hin zu regenerativen Energien führt notwendig über den verstärkten Einsatz von modernen Gaskraftwerken als Brückentechnologie. Sie sind effizient sowie flexibel genug, um Fluktuationen im Stromnetz auszugleichen und erlauben die Fortführung der Kraftwärmekopplung für die Fernwärme, die in vielen Städten Bestandteil der kommunalen Infrastruktur ist. Langfristig bieten sie die Möglichkeit einer zumindest teilweise regenerativen Wärmeversorgung durch die Beimischung von grünem Wasserstoff zum Erdgas. Nur billig wird dieser Umstieg nicht, auch nicht in München.

In diesem Zusammenhang ist besonders bitter, was sich in der heutigen Sitzung auch noch herausgestellt hat. Das jüngst vom Bundestag beschlossene Kohleausstiegsgesetz sieht für das Abschalten eines Kohlekraftwerks hohe Stilllegungsprämien vor, nach Angaben der ÖDP bis zu 84 Mio EUR. In München ist solch eine Prämie allerdings schon deshalb ausgeschlossen, da der Antrag zu Stilllegung des Heizkraftwerkes in der Folge des Bürgerentscheids bereits lange vor dem Inkrafttreten des Kohleausstiegsgesetzes gestellt worden ist, vgl. die diesbezügliche Auskunft der Verwaltung. Das war 2017 natürlich noch nicht vorhersehbar, aber schade ist es schon.

Dauerproblem Verpackungsmüll

Wer einmal in Kalabrien gewesen ist, weiß, wie es aussieht, wenn Müllentsorgung nicht funktioniert: Überall liegt Plastikmüll, ohne dass sich jemand dafür verantwortlich fühlt. Wertstoffinseln sind selten zu finden. Zudem ist unklar, ob ihr Inhalt nicht einfach wie anderer Abfall am Stadtrand verbrannt wird. Das ist in München anders. Aber auch hier gibt es – auf viel niedrigerem Niveau – ähnliche Probleme, nämlich die Beeinträchtigung des Stadtbilds durch vermüllte Wertstoffinseln und die Unsicherheit, was mit den dort gesammelten Wertstoffen passiert. Die Diskussion im Kommunalausschuss am vergangenen Donnerstag hat deutlich gezeigt, was sich ändern muss und wo bei diesem Thema die Grenzen der Kommunalpolitik liegen.

Grundsätzlich sind bei der Entsorgung von Wertstoffen zwei verschiedene Aspekte zu unterscheiden:

– Zum einen geht es darum, wie Wertstoffe eingesammelt werden. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob München nicht in Zukunft das System der Wertstoffinseln zugunsten einer gelben Wertstofftonne oder eines gelben Sacks für jeden Haushalt aufgeben sollte. Die im Ausschuss präsentierte Vorlage spricht sich dagegen aus. Gelbe Säcke auf der Straße verschandelten das Stadtbild und im Fall einer gelben Wertstofftonne seien die Entsorgungsunternehmen nicht bereit, diese an ihrem regulären Standplatz abzuholen, so wie es die städtische Müllabfuhr gegenwärtig für die drei anderen Münchner Abfalltonnen (Papier-, Bio- und Restmüll) übernimmt. Vor diesem Hintergrund fand der Antrag der FDP Fraktion, lokal begrenzt einen Pilotversuch mit einer gelben Wertstofftonne zu starten, keine Mehrheit im Stadtrat.

Aus meiner Sicht sind die Vor- und Nachteile der Verwendung von Wertstofftonnen / gelben Säcken bzw. Wertstoffinseln schwer gegeneinander abzuwägen: Neben dem Einfluss auf das Stadtbild ist auch die erreichte Recyclingquote zu berücksichtigen. So ist in anderen Städten mit gelber Wertstofftonne /gelbem Sack zwar der Anteil der Wertstoffe am gesamten Müllaufkommen höher als in München, aber die Sortenreinheit und damit die Recyclingmöglichkeiten sind in München besser, wo die Wertstoffe an den Inseln getrennt gesammelt werden.

Laut Stadtratsbeschluss am Ende der Sitzung bleibt es bis auf weiteres beim bisherigen System. Erst in 2023 stehen neue Verhandlungen mit den Entsorgungsunternehmen an, die zu einem Wechsel führen könnten.

Ändern soll sich allerdings ab sofort die Häufigkeit, mit der die Container für Kunststoffe geleert werden. So berichtet die Vorlage über neue vertragliche Regelungen mit den Entsorgern, sodass „nach Bedarf, ca. 2/3 der Behälter mindestens dreimal wöchentlich und ca. 1/3 der Behälter mindestens einmal wöchentlich“ geleert werden. Wenn das tatsächlich so umgesetzt wird, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings kommt es auch bei Glascontainern immer wieder zu Überfüllungen vgl. das nachfolgende Bild:

Überfüllte Glascontainer einer Wertstoffinsel in Obergiesing. Hier sieht es häufig so aus.

Die Schließung der Gaststätten wegen Corona wird dieses Problem in den nächsten Wochen noch verschärfen. Es bleibt abzuwarten, ob die von der Kommunalreferentin angekündigte nachdrückliche Ermahnung der Entsorgungsunternehmen solche Zustände verhindern kann.

Die bauliche Gestaltung der Wertstoffinseln soll ebenfalls verbessert werden. Dazu wird das Kommunalreferat den Kontakt mit den Bezirksbeiräten aufnehmen, um individuelle Lösungen für die einzelnen Standorte zu erarbeiten. Kaum Hoffnung gibt es dabei für die Verwendung von Unterflurcontainern, die das Stadtbild weniger beeinträchtigen als die gegenwärtigen Sammelbehälter, vgl. das obige Bild. Leider verhindert die geltende Gesetzeslage, dass die Stadt München entsprechende Anforderungen an die Entsorgungsunternehmen stellen kann. Dies gilt sowohl für die Installation als auch für den Betrieb von unauffälligeren Sammelanlagen unter der Erde.

– Zum anderen stellt sich die Frage, was mit den eingesammelten Wertstoffen passiert, insbesondere, wie eine hohe Recyclingquote für Kunststoffe sichergestellt werden kann. Die Einflussmöglichkeiten der Stadt sind hier begrenzt, da die maßgeblichen Regelungen in Verpackungsgesetz und einer Europäischen Richtlinie festgelegt sind. Zudem sind die Vertragspartner der Stadt zwei überregional tätige Entsorgungsunternehmen, die sich von den Vorstellungen einer einzelnen Kommune kaum beeindrucken lassen. Dennoch zeigt eine Vielzahl von Anträgen, dass der Münchner Stadtrat auch darauf Einfluss nehmen möchte, zumindest um transparent nachzuvollziehen, inwieweit das Recycling der Wertstoffe überhaupt funktioniert. Das gilt insbesondere für Verbundverpackungen aus mehreren Plastikmaterialien.

Zwar schreibt §16 des Verpackungsgesetz zu 65% eine stoffliche Verwertung der Kunststoffe vor. Die Vorlage des Kommunalreferats stellt jedoch ernüchternd fest, dass gegenwärtig allenfalls 20% der Kunststoffe aus den Wertstofftonnen stofflich wiederverwendet werden. Der Rest wandert zwar in der Regel nicht ins Meer, wie einige Stadträtinnen in der Sitzung vermuteten (was von einer Zeitung gleich als Schlagzeile aufgegriffen wurde), sondern wird im Inland und im EU-Ausland verwertet:

Die Kunststoffe aus der Landeshauptstadt München wurden, wie im gesamten Bundesdurchschnitt, weit überwiegend in Deutschland verwertet. Kleinere Mengen wurden in die Niederlande, nach Österreich, Italien und Frankreich in zertifizierte Verwertungsanlagen geliefert.“ (Auskunft der zuständigen Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR), in der Vorlage zitiert)

Verwertung bedeutet laut Vorlage primär das Verbrennen in einer Zementfabrik. Warum die Mindestgrenze einer stofflichen Verwendung von 65% nicht eingehalten wird, war leider weder der Vorlage noch der Diskussion im Ausschuss zu entnehmen. Aber auch jetzt schon ist es ohne Zweifel besser, Kunststoffe in den Wertstofftonnen zu sammeln und nicht in den Restmüll zu werfen, der sofort ohne jede stoffliche Verwertung verbrannt wird.

Das Thema Müll wird die Münchner Kommunalpolitik noch lange beschäftigen. Durchgreifende Änderungen, die zu einer spürbaren Verringerung der Menge an Plastikverpackungen und zu einem schöneren Stadtbild führen, sind erst dann zu erwarten, wenn sich die gesetzlichen Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene grundlegend verändern.

Keine Pop-up Radwege in der zweiten Welle

Die Corona Infektionszahlen steigen unvermindert weiter und der Höhepunkt der zweiten Welle ist nicht in Sicht. In seinem vielbeachteten Podcast hat Prof. Drosten gerade gestern auf die gestiegene Notwendigkeit der Kontaktvermeidung hingewiesen und deutlich angeraten, statt überfüllter U-Bahnen, Trambahnen und Busse auch im Herbst und Winter das Fahrrad zu benutzen.

Da erscheint es seltsam, wenn mit der heutigen Entscheidung im Mobilitätsausschuss die fünf Pop-up Radwege, die am Ende der ersten Welle eingerichtet worden waren, wieder beseitigt werden. Noch überraschender ist die Mehrheit, die sich dafür zusammengefunden hat, nämlich die Stimmen der „alten“ Rathauskoalition aus CSU und SPD.

Bei einer sachlichen Abwägung der Argumente für und gegen die Aufhebung dieser provisorischen Radwege sind formale und inhaltliche Aspekte zu trennen. Zunächst muss man sich den Beschluss von Ende Mai 2020 vergegenwärtigen, der hier berichtet und kommentiert worden ist. Der für die heutige Sitzung wesentliche Punkt 4 lautete:

Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird beauftragt, nach einer Evaluation dem Stadtrat im Oktober 2020 eine Beschlussvorlage mit einer Einschätzung der Auswirkungen der temporär eingerichteten Radverkehrsanlagen und einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen an den einzelnen Streckenabschnitten vorzulegen. “ (Hervorhebung hinzugefügt)

Das Verständnis dieses Passus ist durchaus unterschiedlich:

– Das Stadtplanungsreferat ist offensichtlich davon ausgegangen, dass das Wort „temporär“ impliziert, dass alle Pop-up Radwege nach dem 31. Oktober in jedem Fall zunächst zu beseitigen sind. Nach einer anschließenden gründlichen Evaluation und einer umfangreichen Bürgerbeteiligung sollten dann gegebenenfalls dauerhafte Radwege gebaut werden. So ist es jedenfalls in der Vorlage für die heutige Sitzung formuliert und dieses Verständnis wurde auch vom Oberbürgermeister so im Ausschuss explizit vorgetragen.

– Grüne und Linke lesen den oben zitierten Absatz so, dass das weitere Schicksal der „temporären Radverkehrsanlagen“ im damaligen Beschluss offengelassen worden ist und erst im Rahmen einer neuen Entscheidung des Stadtrates festzulegen ist, ob die temporären Maßnahmen bestehen bleiben, abgebaut oder umgebaut werden.

So richtig überzeugend erscheint mir die Auslegung der Verwaltung und des Oberbürgermeisters nicht. Dem klaren Wortlaut nach sollte die Evaluation im Oktober 2020 bereits dem Stadtrat vorliegen, damit dann über das „weitere Vorgehen an den einzelnen Streckenabschnitten“ entschieden wird. Das schließt die Möglichkeit ein, die temporären Maßnahmen auch einfach zu verlängern, beispielsweise dann, wenn der dringende Grund für ihre Einführung fortbesteht.

Inhaltlich sind die Argumente wie folgt:

Gegen die Fortführung der Provisorien sprechen zum einen technische Gründe, wie von der SPD-Fraktion vorgetragen. Die aufgeklebten gelben Linien gehen schnell kaputt und sind im Dunkeln schlecht zu sehen. An Kreuzungen kann dies zu Gefährdungen führen, wenn Autofahrern und Radfahrern unklar ist, wie ein Radweg wirklich verläuft. Darüber hinaus wurden im Detail Probleme mit fehlenden Abbiegespuren erläutert, die in der Rosenheimerstraße zu langen Rückstaus und damit auch zu einer Beeinträchtigung der Buslinien führen.

Von Seiten der CSU und der FDP wurde auf die kalte Jahreszeit verwiesen, in der ohnehin der Radverkehr zurückgehe. Dies führe zu einem Anstieg des Kfz-Verkehrs und daher würden die temporär weggefallenen Fahrspuren besser wieder umgewidmet. Zudem sei die von der Verwaltung vorgelegte Evaluation völlig ungenügend und man könne auf dieser Grundlage keine Entscheidung über die dauerhafte Beibehaltung der Radwege treffen. In der Tat enthält die Evaluierung in der Vorlage der Verwaltung nur wenige Daten aus zwei Verkehrszählungen und keine vollständige Analyse der durch die neuen Radwege geänderten Verkehrsströme im jeweiligen Stadtteil.

Grüne und Linke haben argumentiert, dass bei allen Schwächen die Verkehrssituation gegenwärtig jedenfalls sicherer und damit besser sei als vorher und dass die Planung zukünftiger Lösungen auch während des Fortbestands der provisorischen Radwege möglich sei. Auch könne die unzureichende Evaluation des geänderten Verkehrsverhaltens nur dann vervollständigt werden, wenn die Radwege jetzt nicht abgebaut würden.

Mit diesen Argumenten der Parteien werden die provisorischen Radwege letztlich so wie bei einem üblichen Pilotversuch in der Verkehrspolitik behandelt, der irgendwann zu Ende ist und als Grundlage für ein zukünftiges Planungsverfahren dient. Der besondere Grund, warum diese Radspuren eingeführt worden sind, war nur am Rande Gegenstand der Diskussion, jedenfalls auf Seiten der Verwaltung und der neuen alten Rathausmehrheit aus CSU und SPD, die am Ende der Sitzung die Pop-up Lanes abgeschafft hat.

Das verkennt aber, worum es eigentlich geht. Zur Erinnerung: Pop-up Radwege sind in vielen europäischen Metropolen nicht wegen der schon lange geforderten Verkehrswende hin zum Fahrrad eingeführt worden, sondern zur Bekämpfung der ersten Welle der Pandemie. Dicht gepackte U-Bahnen und Busse sind bei hohen Infektionszahlen in der Bevölkerung schlicht gefährlich, selbst wenn jeder dort eine Maske trägt. Für diese Erkenntnis muss man nicht Virologieprofessor sein.

Wenn in solch einer Ausnahmesituation die Fahrgäste den ÖPNV nicht mehr nutzen können oder wollen, stellt sich die Frage, auf welches Verkehrsmittel sie umsteigen sollen. Wenn ein substantieller Anteil davon auf das Auto umsteigt, steht München im Stau, unabhängig davon, ob es in der Stadt fünf zusätzliche Radwegespuren gibt. Entlastung, auch für die, die Auto fahren müssen, kann hier nur der vielfache Umstieg vom ÖPNV auf das Fahrrad bringen. Da kann es doch keine zielführende Maßnahme sein, den Radverkehr, den man im Mai bei bereits rückläufigen Infektionszahlen der ersten Welle durch mehr Radwege gefördert hat, bei jetzt viel höheren, exponentiell ansteigenden Infektionszahlen der zweiten Welle wieder auszubremsen. Die Befristung der Pop-up Radwege bis zum 31. Oktober war offensichtlich der damaligen Erwartungshaltung geschuldet, dass die ganze Corona Krise im Sommer vorbei ist – eine Annahme, die leider nicht zutrifft.

Im Ergebnis glaube ich, dass die heutige Entscheidung des Mobilitätsausschusses ein klarer Fehler ist. Es bleibt abzuwarten, ob nicht der weitere Verlauf der Pandemie hier noch zu einer Korrektur führen wird.

Teure Fahrradstellplätze am neuen Hauptbahnhof

Im Jahr 2015 hat der Stadtrat die Planung für den neuen Hauptbahnhof verabschiedet. Der Abriss des alten Bahnhofsgebäudes ist bereits erfolgt und die Bauarbeiten für die Anbindung des zukünftigen Neubaus an die zweite Stammstrecke sind in vollem Gang. Die Computeranimation in der damaligen Stadtratsvorlage zeigt anschaulich, wie das neue Gebäude und der Platz vor dem neuen Hauptbahnhof einmal aussehen sollen:

Der zukünftige Bahnhofsvorplatz. Die wenigen Fahrradstellplätze sind rot umrandet. (Quelle: Anlagen zur Stadtratsvorlage aus 2015, rote Markierung hinzugefügt)

Nur beim sehr genauen Hinschauen erkennt man an der Nordseite (im „Wimmelbild“ oben rechts) des neuen Gebäudes ein paar Fahrradständer, an denen wohlgeordnet ein paar Räder abgestellt sind. Das sieht schön aus, hat aber mit der zukünftigen Realität möglicherweise nichts zu tun. Bereits am alten Hauptbahnhof gab es jede Menge wild geparkte Räder und keine Abstellanlagen, denen man ein teures Fahrrad länger anvertrauen würde. Der Stadtrat war sich bereits 2015 dieses Problems bewusst und hat daher den Auftrag vergeben, mindestens 3000 Fahrradstellplätze im Bahnhofsbereich einzuplanen. Diese Zahl geht zurück auf eine Bedarfsanalyse aus 2015.

Den erforderlichen Platz dafür in unmittelbarer Bahnhofsnähe zu finden, ist allerdings gar nicht so einfach. In der Vorlage für die Vollversammlung am vergangenen Mittwoch hat das Stadtplanungsreferat verschiedene Standorte aufgelistet:

Mögliche Standorte für Fahrradabstellanlagen über und unter der Erde im Bahnhofsbereich (Quelle: Vorlage des Stadtplanungsreferats)

Bei vielen dieser Standorte ist die Nutzbarkeit noch weitgehend ungeklärt. In der Vollversammlung ging es in erster Linie um den Bereich [1] im nördlichen Untergeschoss des Neubaus des Bahnhofsgebäudes. Die Bauherrin, die DB AG, hat diese Fläche Anfang des Jahres kurzfristig der Stadt angeboten. Das Angebot ist im Stadtrat auf ein geteiltes Echo gestoßen, denn es hat große Nachteile:

– Der Zugang soll nur über zwei Lifte für jeweils vier Radfahrer möglich sein. Da kann man, wie von der FDP Fraktion vorgerechnet, durchaus Zweifel haben, ob damit zu Stoßzeiten ein zügiges Be- und Entladen der 700 Räder in der geplanten Abstellanlage überhaupt möglich wird.

– Noch schwerer wiegen die Kosten. Je nach Schätzung wird der Bau der Anlage zwischen 12 und 20 Mio EUR benötigen, die von der Stadt zu übernehmen sind. Darüber hinaus verlangt die DB AG eine jährliche Miete von ca. 200.000 EUR. Rechnet man das auf den einzelnen Stellplatz um, sind das 17.000 EUR Investitionskosten pro Stellplatz zzgl. 300 EUR jährliche Miete. Das ist sehr viel Geld.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die DB AG, in Kenntnis der Schwierigkeiten des Stadtrats mindestens 3000 Abstellplätze im Bahnhofsbereich vorzusehen, sich ein ansonsten vielleicht gar nicht so attraktives Kellergeschoss vergolden lassen will. Ungünstig ist zudem der enorme Zeitdruck, da laut Vorlage eine Entscheidung innerhalb weniger Tage erforderlich ist, um Planungsverzögerungen beim Gesamtprojekt zu vermeiden.

Von der ÖDP wurde daher – wie ich finde zu Recht – angemerkt, dass man bereits viel früher mit der DB AG die Frage der Bereitstellung von ausreichend Fahrradstellplätzen im Untergeschoss des Neubaus hätte verhandeln müssen und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Stadt vor der Bewilligung des Bebauungsplans in den Verhandlungen noch hätte Druck aufbauen können.

Zum jetzigen Zeitpunkt nützen diese Überlegungen leider nichts mehr. Der Vollversammlung blieb nur die Frage zu beantworten, wie wichtig es ist, an so einem attraktiven Standort nah an den Gleisen eine Fahrradabstellanlage errichten zu können. Im Ergebnis hat sich eine große Mehrheit des Stadtrats dazu durchgerungen, das Geld für die ersten 700 der 3000 Stellplätze auszugeben.

Das kann aber nur ein erster Schritt sein, um am neuen Hauptbahnhof die erforderliche Bike & Ride Infrastruktur bereitzustellen. Bei täglich über 400.000 Reisenden führen bereits geringe Zunahmen des Anteils derjenigen, die innerhalb der Stadt das Rad nehmen, zu einem weitaus höheren Bedarf als die in 2015 geschätzten 3000 Stellplätze. Notlösungen wie das schwimmende Parkplatzschiff am Bahnhof Amsterdam sind in München leider nicht machbar:

Fahrradparkplatz auf Schiff Amsterdam
Das schwimmende Fahrradparkhaus neben dem Bahnhof Amsterdam – leider keine Lösung für München

Es sind daher erhebliche zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um den Radlern genügend Stellplätze anzubieten und gleichzeitig die eingangs gezeigte attraktive Gestaltung des neuen Bahnhofsgeländes nicht zu beeinträchtigen.

Corona in München – die aktuelle Lage der Stadt

Wer sich über die Corona-Lage in München informieren will, findet auf muenchen.de gut aufbereitete Informationen. Der Verlauf der Infektionszahlen in der ersten und zweiten Welle lässt sich dort tagesgenau verfolgen, ebenso die lokale 7-Tage Inzidenz sowie die Altersverteilung der Infizierten und die Anzahl der an der Pandemie verstorbenen Mitbürger.

Wenn man jedoch genauer wissen möchte, wie sich die Situation in den Kindergärten, den Schulen und den Krankenhäusern der Stadt entwickelt, kommt man nicht weiter. Daher hat das Kreisverwaltungsreferat in der gestrigen Vollversammlung dem Stadtrat einen detaillierten Lagebericht präsentiert, dessen wichtigste Erkenntnisse und Schaubilder im Folgenden zusammengefasst und kommentiert werden:

Für den internen Gebrauch hat die Stadtverwaltung inzwischen ein sogenanntes Dashboard entwickelt, das den Stadträten exemplarisch mit den Werten des 20. Oktobers gezeigt worden ist:

Das interne Dashboard der Stadtverwaltung zur Corona Lage zum 20. Oktober

Die Mitarbeiter des Kreisverwaltungsreferats erhalten damit tagesgenau einen Überblick über die aktuellen Fallzahlen (aktuell ca. 100 – 200 Neuinfektionen), die Anzahl der Tests (gegenwärtig etwa 1000 – 2000 pro Tag), die Entwicklung des R-Wertes (zur Zeit deutlich über 1) und Detailinformationen zur Belegung von Krankenhausbetten und der Infektionslage in KITAs und Schulen.

Die Situation in Münchens Kliniken zeigt folgendes Schaubild:

Belegung der Münchner Krankenhäuser mit COVID Patienten zum 31. Juli (blau) und 20. Oktober (rot)

Danach liegen gegenwärtig 97 COVID-Patienten in normalen Krankenhausbetten und 17 Patienten in Intensivbetten der Münchner Krankenhäuser, davon 14 mit Beatmung (jeweils einschließlich Verdachtsfälle). Um diese Werte in das richtige Verhältnis zu setzen, ist die Aussage des Kreisverwaltungsreferats zu berücksichtigen, wonach die Münchner Kliniken insgesamt über 498 Intensivbetten mit Beatmung verfügen. Damit gibt die Lage in den Krankenhäusern Münchens zur Zeit „nicht einmal im Ansatz Anlass zur Besorgnis“ (O-Ton des Referenten).

Eine der weiteren Kernfragen betrifft die Lage an den Schulen:

Das aktuelle Infektionsgeschehen in Münchens KITAs, Schulen, Pflegeheimen, Krankenhäuser, etc. Bei Schulen und KITAs wird in dieser Darstellung jeweils die Anzahl der betroffenen Klassenverbände bzw. Gruppen angegeben und nicht der gesamten Einrichtungen.

Auch hier ist die veränderte Lage durch die zweite Welle klar zu erkennen. Gab es kurz vor den großen Ferien nur eine Schulklasse bzw. sieben KITA-Gruppen mit Corona-Fällen, ist die Zahl inzwischen auf 74 Klassen bzw. 18 Gruppen angestiegen. Allerdings wird das Gesamtbild nur dann deutlich, wenn man die Werte ins Verhältnis zur Gesamtzahl von ca. 5000 Schulklassen und ca. 3000 KITA-Gruppen in München setzt. Damit sind etwa 1,5% der Schulklassen und 0.6% der KITA-Gruppen betroffen. Die Ankündigung der Stadt, in den Grundschulen bis auf Weiteres auf eine Maskenpflicht für die Kinder zu verzichten, wurde im Stadtrat mit allgemeiner Zustimmung aufgenommen.

Deutlich problematischer erscheint mir die Beobachtung, dass inzwischen wieder in sieben stationären Pflegeeinrichtungen und in zwei Einrichtungen des betreuten Wohnens Infektionen aufgetreten sind. Wenn man die exponentielle Altersabhängigkeit des mit der Krankheit verbundenen Risikos betrachtet, vgl. die dazu von Prof. Drosten empfohlene Metastudie, sind genau hier weitere Opfer zu erwarten.

Was ergibt sich jetzt aus den obigen Zahlen ? Ohne Zweifel ist die aktuelle Lage in München trotz hoher Infektionszahlen sehr entspannt, deutlich entspannter als bei gleichen Infektionszahlen in der ersten Welle. Das liegt, wie inzwischen allgemein bekannt, im Wesentlichen an zwei Gründen:

– es wird mehr getestet und damit stehen hohen Infektionszahlen im Verhältnis weniger tatsächlich Erkrankte gegenüber.

– die Altersstruktur der Infizierten ist – noch – günstiger als in der ersten Welle, da bislang weniger ältere Personen erkrankt sind.

Allerdings ist es eine der Lehren aus den vergangenen Monaten, dass sich die Situation sehr schnell ändern kann. Schaut man sich beispielsweise den Anstieg der Inzidenz in München an und vergleicht das mit der Auslastung der Intensivstationen, kann man eine grobe Abschätzung für den weiteren Verlauf bei unveränderter Infektionsentwicklung vornehmen:

Die 7-Tage Inzidenz hat sich in München innerhalb der letzten 15 Tage verdoppelt. Nimmt man an, dass sich die Belegung der Intensivstationen ausgehend von dem gegenwärtig sehr niedrigen Niveau (14 beatmete Patienten) in gleichen Zeiträumen verdoppelt, dauert es nur etwa 75 Tage, bis 450 beatmete Patienten auf den Intensivstationen der Münchner Kliniken liegen und die Kapazität damit quasi ausgeschöpft ist. Das ist in etwa der Zeitraum bis Weihnachten. Keine schönen Aussichten.

Ob das wirklich so eintritt, hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere den Verhaltensänderungen der Münchner, sei es durch Einsicht oder durch Zwang. Auch davon wurde in der Vollversammlung berichtet. 1,4 Mio EUR Bußgelder hat das Kreisverwaltungsreferat in den letzten Monaten verhängt. Ob das wirkt, bleibt abzuwarten.

Nicht abwarten sollte die Stadtverwaltung bei der zügigen Weiterentwicklung ihrer Teststrategie. Zwar wird das Personal zur Nachverfolgung der Infektionen bereits ebenso erhöht wie die Testkapazitäten. Die oben genannten Zahlen von 1000 – 2000 Tests pro Tag zeigen aber, dass eine regelmäßige Testung der etwa 6000 Mitarbeiter aller 70 Pflegeheime der Stadt in weiter Ferne liegt. Würde jeder Mitarbeiter zweimal die Woche getestet, wären das 12000 Test pro Woche, d.h. quasi die gesamte aktuelle Testkapazität in der Stadt. Die neuen Schnelltests, deren baldigen Einsatz das Gesundheitsreferat in der Vollversammlung angekündigt hat, können hier vielleicht Entlastung bringen und dazu beitragen, das Ansteckungsrisiko für Hochrisikopatienten in Pflegeheimen aber auch bei der häuslichen Pflege zu verringern.

Das wird entscheidend sein. Denn anders als es viele Äußerungen aus der Bundes- und Landespolitik glauben machen wollen, kann die Ausbreitung des Virus in der Gesamtbevölkerung mit all den getroffenen Maßnahmen wohl nicht mehr verhindert, sondern nur verlangsamt werden, vgl. dieses von Prof. Drosten empfohlene Interview. Auch ein Lockdown würde daran nur zeitweise etwas ändern – bei maximalem Schaden für Kindererziehung und Wirtschaft, um nur die wichtigsten Aspekte zu nennen. Das von der Pandemie verursachte Leid und die Belastung des Gesundheitssystems muss deshalb auch in München dadurch verringert werden, dass der Virus durch ständige und umfangreiche Tests von den besonders gefährdeten Münchnerinnen und Münchnern ferngehalten wird – jedenfalls solange, bis ein wirksamer Impfstoff verfügbar ist.