Es wäre ein großer Wurf geworden. Anstelle des „Beton-Karstadt“ aus dem letzten Jahrhundert sollte in der Schützenstraße zwischen Hauptbahnhof und Stachus ein großer moderner Gebäudekomplex des britischen Stararchitekten David Chipperfield mit Läden, Büros und Wohnungen entstehen:
Daraus wird nichts. Denn seit der Pleite des Investors (SIGNA) im November 2023 ruhen sämtliche Arbeiten, sowohl bei der Renovierung des historischen Kaufhauses als auch beim Abriss der Betonburg aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Fertig geworden ist allein das neue Hotel Königshof.
Damit ist der erste Eindruck beim Gang vom Hauptbahnhof Richtung Stachus von Stillstand….
…. und Verwahrlosung geprägt:
Zudem hat sich der benachbarte Alte Botanische Garten (im ersten Bild im Hintergrund) zum Drogenhandelsplatz und zur Lagerstätte für Obdachlose entwickelt. Wer sich auskennt, vermeidet sowohl den Besuch des Gartens als auch den Gang durch die Schützenstraße.
Vor einigen Monaten hat Oberbürgermeister Reiter eine Taskforce gegründet, die schnell Abhilfe schaffen soll. Erste Ergebnisse und weitere Schritte wurden am vergangenen Dienstag in einer gemeinsamen Sitzung mehrerer Stadtratsausschüsse diskutiert.
Grundlage der Beratungen war ein umfangreicher Zwischenbericht der Taskforce. Hier die wichtigsten Punkte:
- Durch Rückschnitt des Unterholzes und die Installation einer modernen Beleuchtung wurde die Einsehbarkeit des Parkgeländes verbessert.
- Mit einer verstärkten Reinigung der Parkanlagen soll der Verwahrlosung dauerhaft entgegengewirkt werden.
- Der Bereich um den zentralen Neptunbrunnen wird ab sofort videoüberwacht.
- Mehrere mobile gastronomische Angebote (z.B. Eisverkäufer) sollen ebenso wie Sportveranstaltungen dazu beitragen, die Attraktivität des Gartens zu erhöhen.
- Langfristig sollen die Sportmöglichkeiten deutlich ausgebaut werden. So ist auf dem angrenzenden Karl-Stützel-Platz der Bau einer Skateranlage geplant:
Am westlichen Ende des Garten soll ein Kleinfußballfeld dauerhaft neue Nutzergruppen anziehen, beispielsweise die Schülerinnen und Schüler aus dem benachbarten Luisengymnasium.
In der Sitzung fand dieses Maßnahmenpaket einhellige Zustimmung. Lediglich die fehlenden Toilettenanlagen wurden angemahnt und die Verwaltung beauftragt, dazu ein Konzept auszuarbeiten. Allerdings hat Stadträtin Burneleit von der Linken /DIE PARTEI nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Obdachlose und Drogenabhängige durch die Aufwertung des Botanischen Gartens nur in andere Stadtviertel verdrängt werden.
Das sehe ich auch so. Die Verwaltung hat jedoch gleichzeitig für diesen Personenkreis neue Unterstützungsangebote geschaffen. So wurden die Öffnungszeiten des Drogennotdiensts L 43 im Bahnhofsviertel verlängert und die Übernachtungsmöglichkeiten im Wohnheim in der Pilgersheimer Straße modernisiert. Für Alkoholkranke gibt es bereits seit Jahren die Begegnungsstätte D3 gegenüber dem Hauptbahnhof. Problematisch ist allerdings weiterhin, dass der Freistaat – entgegen den wiederholten Forderungen auch der Münchner CSU – die Einrichtung eines Drogenkonsumraums in München nicht erlaubt, wie bereits hier ausführlich erläutert.
Im Ergebnis kann es mit den bereits getroffenen und zukünftigen Maßnahmen durchaus gelingen, den Alten Botanischen Garten so aufzuwerten, dass er wieder gerne von den Münchnerinnen und Münchnern genutzt wird.
Weit weniger erfolgversprechend erscheinen mir die Versuche zur Verbesserung der Schützenstraße. Dort sollen die Schankflächen vergrößert werden. Frisch bepflanzte Blumenkübel sowie ein Bauzaun mit farbigen Fotos sind bereits installiert worden. Das ist zwar alles sinnvoll, aber der trübe Gesamteindruck entlang der über zweihundert Meter langen Ruine des Karstadt-Komplexes wird damit nur geringfügig verbessert.
Auch in Zukunft wird kaum jemand hier im Café sitzen wollen oder gerne entlang flanieren auf dem Weg vom Hauptbahnhof zur Altstadt. Manch einer wird sich bei diesem ersten Eindruck fragen, warum München eigentlich eine attraktive Stadt mit hoher Lebensqualität sein soll.
Wie könnte man das ändern? Aus meiner Sicht wäre eine temporäre Verkleidung des Karstadtkomplexes eine Lösung, so wie sie beispielsweise während der jahrelangen Renovierung der Residenz zum Einsatz kam oder aktuell bei einer (deutlich kleineren) Baustelle am Gärtnerplatz zu sehen ist:
Über die Motive auf der Verkleidung könnte die Stadt kurzfristig einen künstlerischen Wettbewerb veranstalten. Das würde wahrscheinlich etwas Geld kosten und eine schwierige Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter der SIGNA Gruppe und / oder einem neuen Investor erfordern. Aber es wäre ein mutiger Schritt, um die Abwärtsspirale in diesem Bereich der Innenstadt zu durchbrechen und der Schützenstraße endlich wieder ein optisch ansprechenderes Gesicht zu geben. So wie es ist, sollte es nicht bleiben.