In der Sitzung des Mobilitätsausschusses am vergangenen Mittwoch sind die Pläne für einen Tunnel in der Tegernseer Landstraße einmal mehr beerdigt worden. Grund dafür sind nicht nur die Kosten von >500 Mio EUR, sondern auch die großen Probleme, die der jahrelange Bau des Tunnels mit sich bringen würde. Im Folgenden werden die wichtigsten Aussagen aus einem neuen Gutachten zusammengefasst, das mit einer Vorlage im Ausschuss vorgestellt worden ist. Die Argumente für und gegen den Tunnelbau in der nachfolgenden Debatte zeigen, wie schwierig eine Entscheidung in dieser Frage ist.
Die Tegernseer Landstraße zählt mit etwa 120.000 Kfz/Tag zu den am meisten befahrenen Straßen Münchens. Hier treffen sich zwei Verkehrsströme: Zum einen verläuft der Mittlere Ring von der Chiemgaustraße kommend mit bis zu acht Spuren nach Westen Richtung Brudermühlbrücke.
Zum anderen leitet der McGraw-Graben den Transitverkehr von der Salzburger Autobahn auf diese Strecke:
Relevante andere Möglichkeiten, südlich des Münchner Stadtzentrums Richtung Westen zu fahren, gibt es nicht – jedenfalls solange die Pläne für einen Autobahn-Südring nicht doch noch irgendwann umgesetzt werden.
Bereits in ihrem Koalitionsvertrag haben sich Grüne und SPD darauf verständigt, die Planungen für einen Tunnel entlang der Tegernseer Landstraße nicht fortzuführen. Maßgeblich für diese Entscheidung waren die bereits oben erwähnten Kosten. Allerdings hat der Stadtrat bereits 2015 ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie eine realistische Bauablaufplanung für den Bau eines Tunnels aussehen könnte, und welche Beeinträchtigungen sich daraus ergeben würden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen jetzt vor.
Danach würden die Bauarbeiten insgesamt sieben Jahre dauern. Das Problem liegt insbesondere in einem auf (mindestens) 15 Monate geschätzten letzten Bauabschnitt, in dem der neue Tunnel an den bestehenden Candidtunnel angeschlossen würde. In dieser Zeit müsste die Kreuzung mit der Grünwalderstraße mit zwei Rampen und einer riesigen Behelfsbrücke auf Höhe des zweiten Stocks der Wohnbebauung überspannt werden.
Laut Gutachten würde trotz dieser massiven Konstruktion die Kapazität der Strecke um 36% reduziert. Fast 40.000 Fahrzeuge müssten sich andere Wege durch München suchen. Nicht nur das Mobilitätsreferat, sondern auch das Baureferat hat daher erhebliche Zweifel an der Umsetzbarkeit des Projekts:
„Aus Sicht des Baureferats ist die tatsächliche bauliche Ausführbarkeit der Maßnahme, wie in dem Ergebnisbericht untersucht, nicht ausreichend belegt und mit großen Risiken behaftet. [….] Die im Gutachten aufgestellten „theoretischen“ Möglichkeiten der Bauabwicklung unter möglichst großer Aufrechterhaltung der Verkehrskapazität scheinen mit den Erfahrungen aus den bereits durchgeführten Tunnelbaumaßnahmen am Mittleren Ring praktisch nur schwer bzw. nicht umsetzbar. Auf dieser Basis kann eine weitere Planung der Maßnahme durch das Baureferat nicht durchgeführt werden.“
Die Befürworter des Tunnels in CSU und FDP stellen diese Schwierigkeiten nicht in Frage. Sie haben in der Diskussion jedoch auf die ebenfalls im Gutachten genannten Zahlen hingewiesen, wonach mit einem fertigen Tunnel der Verkehr an der Oberfläche um etwa zwei Drittel reduziert würde. In der Tat würde ein fertiger Tunnel den Charakter der Tegernseer Landstraße völlig verändern. Die kilometerlange Verkehrsschneise wäre dauerhaft beseitigt und der südliche und der nördliche Teil Giesings würden wiedervereinigt.
Es geht also im Kern um die Frage, wieviel Geld sowie jahrelange Belastungen mit Lärm, Dreck und Staub durch eine riesige Baustelle man investieren möchte, um langfristig eine gute Lösung zu erreichen. Die Rathauskoalition wird das Projekt jedenfalls nicht weiter verfolgen. Stattdessen soll die Situation der Anwohner durch ein umfangreiches Programm zum Einbau von Schallschutzfenstern o.ä. verbessert werden. Die hohe Belastung mit Stickoxiden und Feinstaub wird ohnehin allmählich geringer, wenn immer mehr Fahrzeuge elektrisch unterwegs sind und alte Dieselfahrzeuge zunehmend stillgelegt werden. Das lässt der Verlauf der Schadstoffmessungen schon jetzt erkennen, wie bereits hier erläutert.
Bedenkenswert fand ich einen Gedanken des CSU-Stadtrats Hans-Peter Mehling: In etwa 15 Jahren wird der vorhandene Candidtunnel voraussichtlich das Ende seiner Lebensdauer erreicht haben. Dann wird es ohnehin zu einer Sperrung der Strecke oder einem Behelfsbauwerk wie der oben beschriebenen Brücke kommen müssen. Vielleicht wäre das der richtige Anlass, die Tunnelplanung noch einmal in Betracht zu ziehen.