Die letzte Kommunalwahl in München liegt fast vier Jahre zurück. Mehr als die Hälfte der Wahlperiode ist um. Da stellt sich die Frage, wieviel seit 2020 von der versprochenen Verkehrswende in München, insbesondere zugunsten des Radverkehrs, erreicht worden ist. Denn es gibt in München immer noch viele Radwege, die einfach im „Nichts“ enden, beispielsweise hier in der Gebsattelstraße bergab Richtung Westen:
Offensichtlich ist auch der grün-roten Stadtratsmehrheit bewusst, dass die Umsetzung ihrer Ideen und Pläne länger als erwartet dauert. Bereits im vergangenen Oktober wurde die Verwaltung daher per Stadtratsbeschluss angewiesen
„…..bei der Realisierung aller geplanten Radentscheidungsmaßnahmen prioritär jene zuerst umzusetzen, die für den Radverkehr am schnellsten und effektivsten mehr Verkehrssicherheit ermöglichen. Dabei sind dem Stadtrat auch Lösungen vorzuschlagen, die mit vergleichsweise einfachen, kostengünstigen Maßnahmen geschützte –provisorische – Radfahrstreifen schaffen … .“
Am vergangenen Mittwoch hat nun das Mobilitätsreferat mit einer Vorlage eine aktuelle Übersicht zu den verschiedenen Projekten vorgelegt und erklärt, warum vieles so lange dauert.
In der Vorlage wird zunächst in Erinnerung gerufen, welche hohen Qualitätsanforderungen an neue Radwege vom Radentscheid 2019 aufgestellt worden sind:
„An für den Radverkehr gewidmeten Gemeindestraßen mit hohem Kfz-Aufkommen oder zulässigen Geschwindigkeiten über 30 km/h gibt es baulich geschützte Radwege. Diese haben eine nutzbare Mindestbreite von 2,30 Meter pro Fahrtrichtung, zuzüglich seitlicher Sicherheitsabstände und sind baulich so gestaltet, dass unzulässiges Befahren und Halten durch Kraftfahrzeuge unterbleibt. (…).“ (Hervorhebung hinzugefügt)
Vor 2019 gebaute Radwege in München bestanden häufig nur aus einem dünnen Streifen auf Höhe des Bürgersteigs, wie man ihn beispielsweise in der Lindwurmstraße findet. Häufige Konflikte zwischen Fußgängern und Radlern sind die Folge.
Für neue, „radentscheidskonforme“ Radwege gilt hingegen:
„Diese Maßnahmen sollen „prioritär durch Umwidmung von Flächen für Kfz-Fahrspuren oder Kfz-Parkplätze und gegebenenfalls auch zu Lasten der Leistungsfähigkeit des Kfz-Verkehrs […], in der Regel jedoch nicht auf Kosten der Flächen für den Fußverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr und des Stadtgrüns umgesetzt werden.“ (Hervorhebung hinzugefügt)
Der ebenfalls geplante Ausbau des ÖPNVs erschwert die Planungen genauso wie die erwünschte Zunahme an Bäumen im Straßenraum, um die Aufheizung der Stadt in den immer heißeren Sommermonaten zu bremsen.
Wie schwierig es ist, alle diese Anforderungen unter einen Hut zu bringen, konnte man beispielhaft in der Sitzung am Mittwoch anhand einer weiteren Vorlage erkennen, die unter anderem den Umbau der Kreuzung zwischen Dachauer Straße und der Schweren Reiter Straße betrifft. Bislang sieht es dort so aus:
Besonders problematisch ist hier der sogenannte „freilaufende Rechtsabbieger“ (vgl. den roten Pfeil im Bild). Autos können dadurch wie auf einer Autobahnauffahrt ohne jede Ampel in die Dachauer Straße abbiegen. Dabei wird allerdings zweimal der Rad- und Fußweg gekreuzt, was erhebliche Unfallrisiken mit sich bringt.
Schaut man sich die Neuplanung des Kreuzungsbereichs an, erkennt man wie kompliziert der Umbau ist. Denn es soll nicht nur der gefährliche Rechtsabbieger zurückgebaut werden, sondern unter anderem
- mehr als 10 zusätzliche Bäumen (hellgrüne Kreise) gepflanzt,
- die Trambahnhaltestelle barrierefrei ausgebaut (hellblaue Bereiche), und
- Teile der Infrastruktur im Boden erneuert werden (vgl. beispielsweise die kleine rote Angabe in der Bildmitte unten „Isolierung der Bestehenden Wasserleitung erneuern (SWM).“
Es liegt auf der Hand, dass solch eine gründliche Planung Zeit braucht und eine detaillierte Abstimmung zwischen Stadtverwaltung, den Verkehrsbetrieben, den Stadtwerken und nicht zuletzt mit den betroffenen Anwohnern erfordert.
Bei den Stadträtinnen und Stadträten im Ausschuss gab es daher Verständnis für die Ausführungen des Mobilitätsreferats, dass die Planungen für den Radwegeausbau aufgrund der damit verbundenen Komplexität kaum zu beschleunigen sind.
Und dennoch bleibt die Frage, ob nicht viele Verbesserungen für den Radverkehr in München auch kurzfristig durch einfaches Abmarkieren von Radwegen auf Fahrspuren des Autoverkehrs möglich wäre. Mir scheint es, als ob insbesondere die Anforderung, dass jeder neue Radweg – auch als Provisorium – ein „geschützer“ Radweg sein muss, schnellen Maßnahmen im Wege steht.
So könnte man beispielsweise in der ganz oben gezeigten Gebsattelstraße die Parkplätze auf der Nordseite (vgl. das Bild oben) innerhalb eines Tages in einen abwärts führenden Radweg umwandeln. Eine solche Fahrradspur wäre zwar ungeschützt, da nicht baulich von der Fahrbahn der Autos getrennt. Es ist aber offensichtlich, dass auch ohne solch eine Trennung die Situation für den Radverkehr sofort erheblich verbessert würde. Jedenfalls als Zwischenlösung wäre damit viel Sicherheit gewonnen.
Wenn bis zur nächsten Kommunalwahl mehr sichtbare Fortschritte für den Radverkehr erreicht werden sollen, braucht es dazu vielleicht einen neuen Ansatz des Mobilitätsreferats. Provisorische Lösungen sollten mit mehr Mut als bislang realisiert werden. Gelegenheiten dazu gibt es leider im Münchner Stadtgebiet noch jede Menge.