Am vergangenen Mittwoch war die geplante Nordtangente der Münchner Tram Thema im Mobilitätsausschuss.
Die neue Linie ermöglicht erstmals eine direkte Fahrt von Nymphenburg über Schwabing bis nach Bogenhausen – mit einer Kapazität von 18.000 Personen pro Tag und unter Umgehung der überlasteten Innenstadt. Die 13 km lange Strecke soll sieben U-Bahnlinien (!), sieben andere Straßenbahnlinien (!) und am Ende die S-Bahn zum Flughafen umsteigefrei miteinander verbinden. Mehr Vernetzung geht nicht.
Allerdings fehlen dafür 2,2 Kilometer Gleise vom Elisabethplatz bis zur Tivolistraße. In einer umfangreichen Vorlage hat das Mobilitätsreferat am vergangenen Mittwoch eine Planung für diesen Lückenschluss vorgelegt, die auf alle Einwände gegen eine Trasse durch den Englischen Garten eingeht. Die Diskussion im Mobilitätsausschuss hat deutlich gezeigt, dass es den Gegnern dieses Projekts weniger darum geht, Eingriffe in die Parklandschaft zu vermeiden. Vielmehr möchten CSU und FDP den Wegfall von zahlreichen Autoparkplätzen in der Franz-Josef-Straße im Verlauf der Trassenführung durch Schwabing verhindern.
Der Streit um die Tram durch den Englischen Garten ist über 30 Jahre alt. Seit 1991 ist die erläuterte Verbindung Bestandteil der ÖPNV-Planung der Stadt München. Jedoch sind diese Pläne bislang am Widerstand des Freistaats gescheitert, der als Eigentümer des Englischen Gartens einer Trasse durch den Park nicht zugestimmt hat. Daher fahren hier ausschließlich Busse, zu Stoßzeiten im Minutentakt und völlig überfüllt. Parallel dazu nutzen viele Radlerinnen und Radler die Ost-West-Verbindung durch den Park und fahren dann weiter auf der Franz-Josef-Straße durch Schwabing.
Bewegung ist in das ganze Projekt gekommen als 2018 der damalige bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer überraschend erklärt hat, sich eine oberleitungsfreie Akkutram durch den Englischen Garten vorstellen zu können. Der Stadtrat hat danach umgehend die Münchner Verkehrsbetriebe (MVG) beauftragt, entsprechende Planungen voranzutreiben.
Wer sich mit dem Ergebnis dieser Arbeiten vertraut machen will, kann entweder die 68 Seiten der Vorlage durcharbeiten. Einfacher ist es, zwei Filme der MVG anzuschauen, um virtuell im Führerstand einer Tram vom Elisabethplatz zur Tivolistraße zu fahren……
….und weiter durch den Englischen Garten:
Sowohl die Detailpläne in der Vorlage als auch der zweite Film lassen erkennen, dass die Veränderungen im Englischen Garten allenfalls marginal sind. Um diesen Punkt noch etwas deutlicher zu machen, zeigen die folgenden zwei Bilder einen unmittelbaren Vergleich des Istzustands der Busstrecke und der geplanten Straßenbahntrasse:
Baumfällungen sind bis auf einzelne, kleinere Exemplare nicht erforderlich. Auch bleiben alle Querungsmöglichkeiten uneingeschränkt erhalten. Damit ändert sich eigentlich nichts, bis auf die Tatsache, dass anstelle der vielen Busse in Zukunft Straßenbahnen fahren werden, von denen jede mehr als doppelt soviel Kapazität wie ein großer Gelenkbus hat.
Dementsprechend waren von CSU und FDP keine auf den Englischen Garten bezogene Einwände mehr zu hören. Der Widerstand richtet sich jedoch gegen den Umbau der Franz-Josef-Straße in Schwabing. Woran das liegt, wird aus dem folgenden Bildvergleich unmittelbar erkennbar:
Bislang finden sich auf beiden Seiten Parkplätze, die beim geplanten Umbau zugunsten von ca. 2m breiten Radwegen weitgehend entfallen. Die Planungen der MVG entsprechen den Anforderungen des Münchner „Radentscheids“ vom Dezember 2019:
„An für den Radverkehr gewidmeten Gemeindestraßen mit hohem Kfz-Aufkommen oder zulässigen Geschwindigkeiten über 30 km/h gibt es baulich geschützte Radwege. Diese haben eine nutzbare Mindestbreite von 2,30 Meter pro Fahrtrichtung, zuzüglich seitlicher Sicherheitsabstände… .“
Insgesamt gehen dadurch fast 250 Parkplätze in der Franz-Josef-Straße verloren. Zum Ausgleich gibt es etwa 70 von der Stadt geförderte Anwohnerstellplätze in zwei neuen Tiefgaragen, unter dem Elisabethplatz und in einem neuen Bauvorhaben in der Franz-Josef-Straße.
Dieser Planung muss man nicht zustimmen. Im Gegenteil, es scheint mir völlig legitim, dass man unterschiedliche Abwägungen trifft. Wer die Förderung des ÖPNVs und des Radverkehrs für wichtig hält, kommt zu einem anderen Ergebnis als jemand, der vorhandene Parkmöglichkeiten für den Autoverkehr innerhalb der verdichteten Innenstadt unbedingt beibehalten möchte.
Nicht in Ordnung scheint mir allerdings die von der CSU-Stadträtin Veronika Mirlach angedeutete Strategie, den Freistaat von seiner Zustimmung zur Tram durch den Englischen Garten wegen des Parkplatzverlustes in der Franz-Josef-Straße doch noch abzubringen. Wie viele Parkplätze in Schwabing für den Ausbau des ÖPNVs und der Radwege wegfallen, ist ausschließlich eine Entscheidung des Stadtrates der Stadt München.
Die Staatsregierung sollte sich daher bei ihrer finalen Entscheidung nur von Argumenten leiten lassen, die den Englischen Garten betreffen. Darauf bezogene Gründe für eine Ablehnung des Projektes sind im Lichte der jetzt vorliegenden Detailplanung weder vorgetragen worden noch irgendwie erkennbar.