14 Mio für einen bereits existierenden Radweg?

So oder so ähnlich sind die Schlagzeilen zum Umbau der Elisenstraße, die man gestern vielfach lesen konnte. In der Tat erscheint es auf den ersten Blick seltsam, wenn ein zwei Meter breiter Radweg nach wenigen Jahren schon wieder für viel Geld umgebaut werden soll.

Der Istzustand der Elisenstraße an ihrem östlichen Ende und der Einmündung in den Lenbachplatz
(Quelle: Google Maps)

Aber wie so häufig klärt sich manches auf den zweiten Blick. Dazu war Gelegenheit in der Sitzung des Mobilitätsausschusses am vergangenen Mittwoch. Wer die Gelegenheit hatte, dort zuzuhören und sich die Vorlage des Mobilitätsreferats genau anzusehen, konnte schnell erkennen, dass das meiste Geld voraussichtlich nicht für eine Verbesserung der zwei 400m langen Fahrradstreifen ausgegeben wird. Aufwändig ist in erster Linie der umfangreiche Umbau des Lenbachplatzes.

Im Folgenden wird die Planung der am Mittwoch beschlossenen „Variante 5“ des Mobilitätsreferats vorgestellt und kommentiert.

Die Elisenstraße ist eine der wichtigsten Verkehrsachsen in München, sowohl für Autos als auch für den Radverkehr. Möchte man von der Altstadt Richtung Westen, beispielsweise zum Hauptbahnhof, gibt es kaum Alternativen. Die Schützenstraße ist den Fußgängern vorbehalten. In der Prielmayerstraße und in der Bayerstraße fährt die Straßenbahn.

Vor der Corona-Pandemie gab es in der Elisenstraße überhaupt keinen Radweg, sondern jeweils zwei Spuren für den Autoverkehr in beiden Richtungen. Im Sommer 2020 wurde hier einer der ersten „Pop-up“-Radwege in München angelegt. Jeweils eine der beiden Fahrspuren wurde in einen Radweg auf dem Niveau der Fahrbahn umgewandelt. Dieses Provisorium wurde 2021 verlängert und die aufgeklebten gelben Streifen durch eine weiße Markierung ersetzt. Die Kreuzungen sind weitgehend unverändert geblieben, insbesondere der problematische Bereich auf der Nordseite des Lenbachplatzes.

Dort gibt es nur eine winzige Aufstellfläche für Fußgänger und Radfahrer, sowohl für diejenigen, die nach Süden Richtung Stachus wollen, als auch für diejenigen, die von der Sophienstraße in die Elisenstraße möchten. Hier ein Bild vom Mittwoch Vormittag, kurz vor 11, außerhalb der Stoßzeiten:

Istzustand am Lenbachplatz an der Ecke Sophienstraße, Elisenstraße

Radfahrer und Fußgänger teilen sich wenige Quadratmeter und stehen viel zu nah an den schnell vorbeifahrenden Autos. Kein Ort, an dem man mit Kindern oder Älteren unterwegs sein möchte.

Wie sieht nun die vom Mobilitätsreferat vorgeschlagene Lösung aus? Das kann man im folgenden Ausschnitt aus der – leider sehr unscharfen – Planungsskizze der Vorlage erkennen:

Die Neuplanung des Lenbachplatzes

Die wesentliche Veränderung besteht darin, dass der Bereich zwischen Sophienstraße und Ottostraße nach Süden verlängert wird. Das ermöglicht zwei fast drei Meter breite Radl-Aufstellungsbereiche (roter Pfeil im Bild oben), sowohl für die Fahrt nach Westen in die Elisenstraße, als auch nach Süden Richtung Stachus. Gleichzeitig entsteht viel mehr Platz für Fußgänger (grüner Pfeil), indem die Einmündung der Sophienstraße nach Osten verschwenkt und der Gehweg entsprechend verbreitert wird. Der Autoverkehr verengt sich dafür schon in diesem Bereich auf eine Fahrspur Richtung Westen, so wie bereits jetzt entlang der Elisenstraße. Richtung Stachus verbleiben zwei Fahrspuren.

Der Entwurf des Mobilitätsreferats löst auch ein weiteres Problem: Bislang lässt sich der Karlsplatz bzw. der Lenbachplatz nur auf Höhe des Brunnens am Stachus bzw. beim Wittelsbacherbrunnen überirdisch überqueren. Der Übergang am Stachus ist fast immer völlig überfüllt. Wie man im Plan oben sehen kann, soll östlich der Einmündung der Ottostraße eine neue Querungsmöglichkeit entstehen.

Der Umbau der eigentlichen Elisenstraße ist demgegenüber recht einfach: Auf der gesamten Stecke wird der Radweg auf drei Meter verbreitert, um den Anforderungen des hier in Zukunft verlaufenden Radschnellwegs in den Münchner Westen gerecht zu werden. Das kostet auf der Nord- und der Südseite zusammen etwa 70 Parkplätze. Die baulichen Aufwendungen sind – jedenfalls in der letzten Fassung des Mobilitätsreferats – vergleichsweise gering. Anders als zunächst geplant soll auch der neue Radweg niveaugleich zur Fahrbahn der Autos bleiben und nur durch einen kleinen Bordsteinbereich davon abgegrenzt werden:

Schnittzeichnung und Foto (einer anderen Straße) der geplanten Radwegkonstruktion für die Elisenstraße (Quelle: Vorlage des Mobilitätsreferats)

Die Kostenschätzung von knapp 14 Mio € bezieht sich allerdings noch auf eine frühere Fassung der Variante 5, bei der über die gesamte Länge der Elisenstraße der Radweg auf das Niveau des benachbarten Gehwegs angehoben worden wäre. Dafür hätten auf beiden Seiten die Abflusskanäle und andere Infrastruktur unterhalb der Straße angepasst werden müssen. Das fällt jetzt weitgehend weg. Allerdings sah sich das Mobilitätsreferat nicht im Stande, in der Vorlage oder in der Debatte im Ausschuss anzugeben oder zumindest abzuschätzen, wie groß die Kostenreduktion durch diese vereinfachte Bauweise ausfallen wird.

Das ist ärgerlich. Dem Ausschuss und der Öffentlichkeit ist damit letztlich eine unfertige Vorlage präsentiert worden. Denn die bauliche Ausführung des Radwegs im größten Teil der Elisenstraße kann nicht ohne erheblichen Einfluss auf die Kosten bleiben.

Die Ausschussmitglieder haben sich in der Debatte am Mittwoch allerdings nicht daran gestört. Zu groß war bei den Befürwortern von Grünen, SPD/Volt und ÖDP die Begeisterung über dieses Projekt und bei den Gegnern in der CSU die Freude, mit dem Argument der verschwendeten 14 Mio € Stimmung gegen eine Verkehrswende machen zu können, die einmal mehr zahlreiche Parkplätze kostet. Für Zwischentöne gab es da wenig Raum. Nur Fritz Roth von der FDP hat sich differenziert geäußert, indem er die Planung für den Lenbachplatz begrüßt, den Umbau der Elisenstraße aber abgelehnt hat – auch er mit Hinweis auf die überholte Kostenschätzung von 14 Mio €.

Aus meiner Sicht machen sich die Befürworter des Großprojekts „Verkehrswende in München“ das Leben selber schwer, wenn mit unzureichenden Unterlagen und einer fehlenden Kostenschätzung bei Gegnern und in der Öffentlichkeit Angriffsflächen entstehen. Hätte man darüber hinaus von Anfang erklärt, dass es sich bei dem vorliegenden Projekt in erster Linie um den Umbau des Lenbachplatzes handelt, wäre der öffentliche Gegenwind jetzt deutlich geringer.

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