Nein, diese Überschrift ist kein Druckfehler und auch kein Aprilscherz im Oktober. Ganz im Gegenteil, dieses Thema war Gegenstand ernsthafter Beratungen im Mobilitätsausschuss und in der Vollversammlung am vergangenen Mittwoch. Worum geht es dabei?
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde München weitgehend autogerecht wiederaufgebaut, vgl. beispielsweise den damals geschaffenen mehrspurigen Altstadtring. In den 70er und 80er Jahren wurden erste Radwege angelegt. Die sahen (und sehen heute noch) häufig so aus wie hier in der Balanstraße:
Der weniger als einen Meter breite Radweg geht auf Kosten des ohnehin schmalen Bürgersteigs. Vielleicht war damals weniger die Förderung des Radverkehrs beabsichtigt als vielmehr, die gesamte Straßenfläche für den Autoverkehr freizuhalten.
Inzwischen haben sich die verkehrspolitischen Vorstellungen geändert und viele dieser alten Radwege liegen in Tempo 30 Zonen. Das bringt die Frage mit sich, ob ein Rückbau sinnvoll ist.
Handlungsbedarf besteht in der Tat. Denn solche Radwege sind nicht nur gefährlich, wenn beispielsweise im Bild oben ein Beifahrer die Tür öffnet oder ein Radfahrer an einer Kreuzung durch die parkenden Fahrzeuge verdeckt wird. Es entstehen auch Missverständnisse. Viele Autofahrer (und auch manche Radfahrer) meinen irrtümlich, solche Radwege müssten zwingend benutzt werden. Das ist falsch. Denn in der Straßenverkehrsordnung heißt es in § 2 (4) unzweideutig:
„Eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist.“
Diese Zeichen sehen so aus:
Wo diese Zeichen fehlen, so wie in der oben gezeigten Tempo 30 Zone der Balanstraße, können Radler den Radweg benutzen, müssen dies aber nicht, auch nicht, wenn sie durch hupende Autofahrer nachdrücklich auf den Radweg hingewiesen werden.
Gegenstand der Beratungen im Mobilitätsausschuss und der Vollversammlung war die Frage, welche Zukunft solche Radwege in München haben sollen. Eine richtige Antwort ist nicht einfach, denn es gibt auch andere Fälle. Dazu ein Beispiel aus der Säbener Straße, auf das CDU-Stadtrat Pretzl in den Beratungen im Stadtrat hingewiesen hat:
Hier hat der Radweg eine fast ausreichende Breite und ist durch einen Grünstreifen von der Straße getrennt. Der daneben liegende Gehweg ist vergleichsweise groß.
Nach kurzer Debatte hat der Stadtrat am Mittwoch gegen die Stimmen der AfD grundsätzlich den Rückbau der alten Radwege beschlossen. Die gewonnene Fläche soll in der Regel dem entsprechenden Gehweg zugute kommen. Allerdings gibt es im Beschluss zahlreiche Ausnahmen, bei denen der Radweg erhalten bleiben soll, beispielsweise wenn die Tempo 30 Straße besonders stark befahren ist. In jedem Fall erfolgt eine Einzelfallprüfung durch den zuständigen Bezirksausschuss. Das halte ich für die richtige Entscheidung.
Bei der Umsetzung des Beschlusses gibt es jedoch noch einiges zu berücksichtigen. Zum Beispiel muss die Geschwindigkeitsbeschränkung in einer Tempo 30 Straße auch tatsächlich durchgesetzt werden. Denn nur dann ist das Radeln ohne Radweg dort angenehm und sicher. Wird der Radweg beibehalten, kommt es nicht nur auf eine hinreichende Breite an, sondern auch auf ungestörte Sichtbeziehungen in den Kreuzungsbereichen. Hier ein gelungenes Beispiel in der bereits oben erwähnten Säbener Straße:
Durch Poller wird ein Zuparken des Kreuzungsbereichs zuverlässig verhindert. Radler auf dem separaten Radweg können daher von Autofahrern gut gesehen werden und das Risiko der häufig tödlichen Abbiegeunfälle bleibt gering.
Mit dem Beschluss des Stadtrats werden unbrauchbare Radwege wie in der Balanstraße nicht über Nacht, sondern erst allmählich nach gründlicher Prüfung beseitigt. Wie SPD-Stadtrat Gradl in der Debatte richtig angemerkt hat, liegt die höchste Priorität der Münchner (Rad-)Verkehrspolitik allerdings an anderer Stelle, nämlich endlich breite Radwege an Straßen zu bauen, in denen kein Tempo 30 gilt, beispielsweise entlang des bereits erwähnten Altstadtrings. Es ist zwar schon einiges passiert, aber bis zu einem fahrradfreundlichen München ist es immer noch ein langer Weg.