Über den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist auf diesen Seiten schon viel berichtet worden. Neben allen Anstrengungen beim Neubau ist die Erhaltung des Bestands an günstigen Mietwohnungen wichtig, damit die Mieten in München nicht noch schneller steigen. Das kann nur gelingen, wenn Umwandlungen in Eigentumswohnungen ebenso gebremst werden wie dauerhafte Zweckentfremdungen von Privatwohnungen für die Unterbringung von Touristen, vermittelt über Onlineplattformen wie AirBnB. Die Sitzung des Sozialausschusses am vergangenen Donnerstag hat jedoch gezeigt, wie begrenzt die rechtlichen Möglichkeiten der Stadt München sind.
Um das zu verstehen, muss man zunächst einen Blick auf das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum des Freistaats Bayern werfen.
Art. 1 lautet wie folgt:
„Gemeinden können für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf [….]“ (Hervorhebung hinzugefügt)
Das klingt vielversprechend. Liest man diese Formulierung genauer, stellt man jedoch fest, dass es einerseits um die Versorgung mit „Mietwohnungen“ geht, andererseits aber allgemeiner um „Wohnraum“ . Und genau da liegt der Knackpunkt bzw. die Schwäche des Gesetzes.
Mit einem Beschluss des Münchner Stadtrates vom 2. Oktober 2019 wurde in die Zweckentfremdungssatzung der Stadt München, die das Zweckentfremdungsgesetz des Freistaates in München zur Anwendung bringen soll, folgende Vorschrift eingefügt:
„Vermieteter Wohnraum darf nur durch Mietwohnraum ersetzt werden. Die Miethöhe hat sich dabei an der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem jeweils gültigen Mietspiegel für München zu orientieren.“
Damit hat eine rot-grüne Mehrheit im Stadtrat versucht, in Anbetracht der großen Probleme auf dem Münchner Wohnungsmarkt, für das gesamte Stadtgebiet die genehmigungsfreie Umwandung von Mietwohnungen in (teure) Eigentumswohnungen zu verhindern. Wer beispielsweise ein Mietshaus abreißen und neu bauen lässt, müsste nach dieser Satzung im Regelfall wieder Mietwohnungen bauen, die zudem nicht teurer sind als die Mieten aus dem Mietspiegel.
Daraus wurde jedoch nichts. Denn der Bayrische Verwaltungsgerichtshof hat mit einem Beschluss im Januar 2021 diese Vorschrift der Münchner Satzung gekippt, weil sie nach Auffassung des Gerichts über die oben zitierte Gesetzesgrundlage des Freistaats hinausgeht. In den entscheidenden Passagen der Entscheidung heißt es dazu:
„Die [oben zitierten] Sätze […] der Satzung der Landeshauptstadt München […] werden für unwirksam erklärt. […] Das Zweckentfremdungsverbot [des Gesetzes] erschöpft sich im Bestandschutz von Wohnraum […] Genügt ist dem Erfordernis neugeschaffenen gleichwertigen Ersatzwohnraums deshalb auch dann, wenn der […] Eigentümer den Abriss seines Wohngebäudes mit veralteten Mietwohnungen durch einen Neubau mit Eigentumswohnungen ausgleicht. Dass der Eigentümer dem Markt statt der [….] Mietwohnungen nunmehr Eigentumswohnungen anbietet, stellt deren Gleichwertigkeit nicht in Frage.“
Das überrascht zunächst. Denn im oben zitierten Gesetzestext steht ja ganz eindeutig, dass der Zweck des Gesetzes die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist. Der Verwaltungsgerichtshof erläutert aber in der Begründung seines Beschlusses, dass das geltende Gesetz einer Stadt nicht die Möglichkeit gibt, direkt in den Mietwohnungsmarkt einzugreifen. Verhindert werden kann lediglich, dass der insgesamt zur Verfügung stehende Wohnraum, „im Sinne einer Gesamtbilanz“ (Zitat aus der Entscheidung) verringert wird. Das hat dann bestenfalls indirekt dämpfenden Einfluss auf die Höhe der Mieten.
Konkret ausgedrückt kann nach der im Freistaat geltenden Rechtslage mit einer städtischen Satzung nur eine Umwandlung von Wohnraum in Büroflächen verhindert werden, mehr aber auch nicht. Damit kann der oben zitierte Art. 1 nur vor Entwicklungen schützen, die früher eine größere Rolle gespielt haben, wenn beispielsweise in Altbogenhausen viele Villen in Büroraum umgewandelt worden sind. Der aktuellen Problematik, dass günstige Mietwohnungen in München trotz aller Anstrengungen beim Neubau immer mehr zur Mangelware werden, kann ohne eine „ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung“ (Zitat aus dem Gerichtsbeschluss) mit einer städtischen Satzung nicht begegnet werden.
Soweit so schlecht. Und auch ein weiterer Versuch des Stadtrates, die Zweckentfremdung von Wohnraum in München effektiv zu bekämpfen, ist vom Bayrischen Verwaltungsgerichtshof verhindert worden. Dabei geht es um die dauerhafte Zweckentfremdung als Ferienwohnungen. Zwar ist es durchaus erlaubt, die eigene Wohnung bis zu acht Wochen im Jahr „für Zwecke der Fremdenbeherbergung“ zu nutzen, wie es in einer etwas altertümlichen Formulierung in § 4 der Satzung heißt. Für längere Zeiträume braucht es aber eine Genehmigung, die im Regelfall nicht erteilt wird, wenn dadurch dem angespannten Mietmarkt in München auf Dauer eine Wohnung entzogen wird.
Allerdings haben die städtischen Behörden nur geringe Kenntnisse darüber, welche Wohnungen wie lange vermietet werden. Die Zweckentfremdungssatzung der Stadt München enthält daher in § 12 einen Auskunftsanspruch der Stadt gegenüber Vermittlern, die Buchungen von Ferienwohnungen ermöglichen. Auf dieser Grundlage ist es zu einem Rechtsstreit zwischen der Stadt und AirBnB gekommen. AirBnB hatte gegen einen Zwangsgeldbescheid geklagt, mit dem eine umfangreiche Auskunft darüber erzwungen werden sollte, welche Wohnungen in München länger als acht Wochen pro Jahr über AirBnB vermietet werden. Zwar hat das Münchner Verwaltungsgericht der Stadt in 2018 in erster Instanz Recht gegeben und den weit gefassten Auskunftsanspruch bestätigt. Die zweite Instanz, der Bayrische Verwaltungsgerichtshof, hat jedoch die Berufung dagegen zugelassen und in seinem Beschluss vom 20. August 2019 festgestellt, dass ein allgemeiner Auskunftsanspruch gegen AirBnB aus Gründen des Datenschutzes nicht besteht. Nur im Einzelfall, bei einem begründeten Anfangsverdacht, kann die Stadt Daten zur Vermietung einer Wohnung von AirBnB anfordern.
Das wird es nicht einfacher machen, die illegale Nutzung von Wohnungen in München als Ferienwohnungen zu verhindern. Man fragt sich, wie es bei einem Wiederaufleben des Städtetourismus nach Corona gelingen soll, einen deutlichen Verlust von Wohnraum zu vermeiden. Schätzungen der Stadt im Verfahren mit AirBnB aus der Zeit vor der Pandemie gehen von bis zu 1000 zweckentfremdend genutzten Wohnungen aus. In jedem dieser Einzelfälle den erforderlichen Anfangsverdacht zu begründen, wird, vorsichtig ausgedrückt, schwierig werden.
In der Sitzung des Sozialausschusses am vergangenen Dienstag wurden die oben genannten Entscheidungen des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs nicht weiter diskutiert. Dies ist bereits in früheren Sitzungen erfolgt. Verabschiedet wurde entsprechend der Vorlage des Sozialreferats lediglich eine Neufassung der Zweckentfremdungssatzung, mit der die einschränkenden gerichtlichen Vorgaben des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs berücksichtigt werden. Im Ergebnis bleibt diese Satzung damit ein zahnloser Tiger, der auf den angespannten Münchner Mietwohnungsmarkt kaum Einfluss haben wird.