Das Thema Pflege geht jeden an, ob man will oder nicht. Das betrifft nicht nur die Pflichtbeiträge für die Pflegeversicherung. Irgendwann wird man vielleicht selbst Pflegefall oder man muss die Versorgung bzw. die Unterbringung von Angehörigen organisieren. Spätestes dann stellen sich jede Menge Fragen.
Die aktuelle Situation der Pflegeheime und der ambulanten Pflegedienste in München wurde am vergangenen Donnerstag im Sozialausschuss vorgestellt. Wer sich ein vollständiges Bild verschaffen möchte, sollte die 42 bzw. 18 Seiten lesen, die das Sozialreferat jedes Jahr mit großem Aufwand zusammenstellt und die jede Menge Informationen enthalten. Im Folgenden können daraus nur auszugsweise ein paar Zahlen sowie Erkenntnisse aus der Diskussion im Ausschuss berichtet werden, die mir besonders wichtig erscheinen.
Wieviel Pflegeplätze gibt es in Münchner Pflegeheimen und wie ist deren Auslastung? Dazu liefern die Untersuchungen des Sozialreferats Folgendes:
Der Zunahme der Plätze folgt in etwa dem Bevölkerungswachstum Münchens im gleichen Zeitraum. Das wird auch durch eine gleichbleibende Auslastung in den letzten Jahren bestätigt, die mit geringen Schwankungen bei etwa 95% liegt. Während der Pandemie hat sich die Nachfrage kaum verändert. Wer ins Pflegeheim muss, hat in aller Regel keine Wahl, trotz Angst vor Infektion und Besuchsverboten.
Pflegeheime sind allerdings nicht gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt. In manchen Außenbezirken gibt es nur einzelne oder gar keine Einrichtungen.
Die Pflegeheime Münchens werden in der großen Mehrheit von der Stadt selbst (Münchenstift) und von gemeinnützigen Trägern wie der Caritas betrieben. Die räumliche Ausstattung der Pflegeheime ist in den letzten Jahren immer besser geworden. Über 80% der Plätze sind inzwischen in Einzelzimmern, Tendenz weiter steigend.
Die ambulante Pflege wird zumeist von privaten Pflegediensten erbracht, die mehrheitlich seit mehr als zehn Jahren im Geschäft sind. Insgesamt werden in München ungefähr 11300 pflegebedürftige Personen ambulant versorgt, eine Zahl, die seit 2015 um 41% (!) gestiegen ist. Trotz zunehmender Schwierigkeiten bei der Personalakquise geben immer noch fast die Hälfte der Pflegedienste an, neue Pflegefälle innerhalb von 24 Stunden zusätzlich versorgen zu können. Weitere 37% brauchen dazu nur wenige Tage. Wer also kurzfristig eine ambulante Pflegebetreuung in München sucht, sollte ohne Schwierigkeiten jemanden finden.
Insgesamt erscheint mir die Versorgung pflegebedürftiger Münchnerinnen und Münchner gesichert. Große Probleme gibt es jedoch bei der Finanzierung eines Pflegeplatzes in einem Heim. Denn anders als man vielleicht annehmen könnte, deckt die Pflegeversicherung keineswegs alle Kosten ab. Im Gegenteil, der Eigenanteil ist ganz erheblich und steigt ständig an.
Während die selbst zu zahlenden Kosten eines vollstationären Pflegeplatzes in München 2018 bei ca. 2500 EUR lagen, ist dieser Betrag in 2020 auf 2800 EUR angestiegen. Dieser Betrag ist pro Monat (!) zu bezahlen. Da kann sich jeder leicht ausrechnen, ob die eigenen Altersbezüge ausreichen und wann der Geldbeutel erschöpft ist. Zum Vergleich: Das monatliche Durchschnittseinkommen einer alleinstehenden Rentnerin in Deutschland liegt bei ca. 1600 EUR.
Wenn nichts mehr da ist und auch die Angehörigen nicht zahlen, springt die Stadt München ein. Der Anteil der Pflegefälle, die auf die sogenannte „Hilfe zur Pflege“ angewiesen sind steigt seit Jahren an, und liegt jetzt bei 36%. Das kostet die Stadt München nicht nur eine Menge Geld, es ist auch für den Pflegefall und die Angehörigen keine Freude, wenn am Ende des Lebens nur noch ein von der Stadt spendiertes „Taschengeld“ von ca. 160 EUR pro Monat übrigbleibt, von dem jedes Extra zu bezahlen ist.
Abhilfe könnte eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung schaffen, um den Eigenanteil im Pflegeheim deutlich zu verringern. Allerdings erscheint mir der dadurch entstehende Zielkonflikt zwischen niedrigen Beiträgen der Versicherten, guter Bezahlung des Pflegepersonals und einer hohen Deckungsleistung der Versicherung im Pflegefall kaum lösbar. In der Debatte im Ausschuss wurde auf diese Problematik nicht eingegangen. Jedoch haben Mitglieder fast aller Parteien des Stadtrates in der Sitzung bedauert, dass die im Juni 2021 verabschiedete kleine Reform der Pflegeversicherung nur eine geringe Entlastung des Eigenanteils um einige hundert Euro bringt.
Im Ergebnis sollte sich jede gesunde Münchnerin und jeder gesunde Münchner schon jetzt überlegen, wie der Eigenanteil der Kosten für einen Platz in einem Pflegeheim gegebenenfalls finanziert wird. Reichen muss es für ungefähr ein Jahr, denn länger dauert der Aufenthalt laut Angaben des Sozialreferats in aller Regel nicht.