Kein Anruf in Bremen

Die Corona Pandemie ist noch nicht vorbei, jedenfalls nicht in Bayern und auch nicht in München. Selbst wenn Inzidenzen und Krankenhausbelegungen zur Zeit rückläufig oder stabil sind, gehen Experten davon aus, dass mit Beginn der kalten Jahreszeit die Belastung des Gesundheitssystems noch einmal erheblich zunehmen wird, vgl. beispielsweise den Podcast von Prof. Drosten zu diesem Thema.

Vor diesem Hintergrund war ich auf den aktuellen Sachstandsbericht zur Situation in München im heutigen Gesundheitsausschuss gespannt. Die CSU-Fraktion hatte zudem unter Federführung von Prof. Theiss einen „Masterplan“ für den zweiten Corona-Winter beantragt, damit Altenheime, Schulen und die Münchner Krankenhäuser besser als letzten Winter auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet sind.

Die entsprechende Vorlage aus dem Gesundheitsreferat war leider ebenso enttäuschend wie weite Teile der Diskussion im Ausschuss. Nach eineinhalb Jahren Pandemie ist die Datenlage in München immer noch unzureichend. Auf die Kernfrage, warum die Impfquote hier immer noch so niedrig ist, gibt es keine Antworten. Neue Initiativen der Stadt sind nicht erkennbar und wurden von der Mehrheit der Stadträtinnen und Stadträten auch nicht angestoßen. Dabei ist die Lage auf den Intensivstationen schon jetzt besorgniserregend.

Am Anfang der Ausschusssitzung hat der Leiter des städtischen Krisenstabes, Wolfgang Schäuble, wieder einmal Zahlen zur Pandemielage in München vorgestellt, die man tagesaktuell auch hier finden kann. Danach bewegt sich die Inzidenz seit einigen Wochen zwischen 50 und 100. Die Entwicklung der Krankenhausbelegung zeigt folgendes Schaubild:

Quelle: muenchen.de

Das sieht auf den ersten Blick nicht dramatisch aus. Allerdings ist die Belegung jetzt, am Beginn des Herbstes, viel höher als vor einem Jahr. Wie sich die Situation weiter entwickeln wird, kann niemand seriös vorhersagen.

Um die aktuelle Lage auf den Münchner Intensivstationen besser zu verstehen, kam die Frage auf, wie viele Geimpfte und Ungeimpfte dort liegen. Dazu gab es keine klare Antwort aus dem Gesundheitsreferat. Auch die Frage nach der Altersverteilung konnte nicht beantwortet werden. Stattdessen wurde ausgeführt, dass das Durchschnittsalter der Infizierten aktuell bei etwa 38 Jahre liege und das „sei dann in etwa auch auf den Intensivstationen so„.

Einige Stadträtinnen der Grünen wollten damit gleich ein neues Argument zur Unterstützung der Impfkampagne ableiten („so jung sind die Patienten“ ). Das ist sicher gut gemeint, aber völlig falsch. Die Altersverteilung der Infizierten ist gerade nicht identisch mit der Altersverteilung der schwer Erkrankten – das ist einer der zentralen Aspekte der Coronapandemie. Da es aus München dazu keine Daten gibt, habe ich die bundesweite Altersverteilung von Covid-Erkrankten auf den Intensivstationen herausgesucht:

Quelle: www.intensivregister.de

Die meisten Patienten sind demnach zwischen 50 und 70 Jahre alt. Auch die zeitliche Entwicklung der bundesweiten Altersverteilung findet man auf intensivregister.de:

Quelle: www.intensivregister.de

Demnach ist der Anteil der unter 40-jährigen zwar im August deutlich angestiegen ist, aber liegt weiterhin bei unter 10%. Es erscheint mir schwer verständlich, warum solche Zahlen, wenn sie schon bundesweit erfasst werden, für München nicht zur Verfügung stehen.

Vielleicht sind aber die Informationen, die Prof. Theiss in der Debatte beisteuern konnte, viel relevanter. Danach sind die Kliniken in München, insbesondere die stadteigene MünchenKlinik besonders belastet. Hier werden viele Patienten aus dem Umland eingewiesen, weil die Klinik über besondere Behandlungsmöglichkeiten verfügt, die nicht jede Intensivstation in Bayern hat. Das lässt für die Auslastung in den nächsten Monaten keine Entspannung erwarten.

Ferner sei die Kapazität der Kliniken in München ausschließlich durch den Mangel an Pflegepersonal begrenzt. Gäbe es mehr Intensivpflegerinnen und -pfleger, stünden sofort 30% mehr Betten zur Verfügung. Der entscheidende Faktor dafür sei eine bessere Bezahlung, die von der CSU bereits vor mehr als einem Jahr beantragt worden wäre.

Auch hier machte das Gesundheitsreferat keine gute Figur. Der Analyse von Prof. Theiss wurde nicht widersprochen und erst für Dezember eine umfassende Vorlage zur Situation der (Intensiv-)Pflege angekündigt. Warum nicht früher, fragt man sich. Das Problem des mangelnden Intensivpflegepersonals ist ebenso lange bekannt wie die Lösung – eine deutlich höhere Bezahlung. Jedenfalls für die stadteigene MünchenKlinik hätte man das längst in Angriff nehmen müssen.

Richtig enttäuschend waren die Ausführungen aus dem Gesundheitsreferat zur Impfkampagne. Aktuell sind gerade mal 63% der Münchnerinnen und Münchner mindestens einmal geimpft – mehr als ein Drittel der Stadtbevölkerung also überhaupt nicht. Zum Vergleich: In Bremen liegt laut RKI die Quote der Erstimpfungen bei über 78% und damit satte 15% höher.

Ohne Zweifel hat das Münchner Gesundheitsreferat in den letzten Monaten große Anstrengungen unternommen, um dezentral eine Vielzahl von niederschwelligen Impfangeboten zu machen. Nur ist das Ergebnis eben keineswegs ausreichend. Denn erst bei Impfquoten um die 80% werden wir die Pandemie endlich los – so die zutreffende Einschätzung von Herrn Schäuble. Da wäre es doch naheliegend gewesen, einmal zum Telefonhörer zu greifen und bei den Kollegen in Bremen anzurufen, um zu erfahren, wie deren eindrucksvolle Impfquote erreicht worden ist. Selbst nach einer entsprechenden Anregung von Prof. Theiss in der Ausschusssitzung wurde dieser Gedanke von den Verantwortlichen im Gesundheitsreferat nicht aufgegriffen.

Insgesamt macht die Münchner Stadtverwaltung beim Thema Corona einen ermüdeten und kraftlosen Eindruck. Das ist nach eineinhalb Jahren maximaler Belastung zwar verständlich. Die Aussichten für den kommenden Winter werden damit aber nicht besser.

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