Die Auswirkungen des Klimawandels auf München

Die Kommunalpolitik der Stadt München befasst sich ständig mit dem Klimawandel. Zumeist geht es darum, die CO2-Emissionen der Stadt zu senken, sei es beim Wohnen, im Verkehr oder durch den Konsum der Münchner. Die Sitzung des Umweltausschusses am letzten Dienstag betraf die andere Seite der Medaille, nämlich wie sich der Klimawandel konkret auf München auswirkt.

Die Stadtverwaltung hat 2012 eine Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) begonnen, der mit einer Vielzahl von Messstationen die Entwicklung der Temperatur und anderer Parameter in der Stadt und im Umland verfolgt. Die wichtigsten Ergebnisse der vorgelegten Studie (im Folgenden “DWD Studie”) werden hier dargestellt.

Die Kurzfassung lautet, dass auch in München die zunehmende Erwärmung eindeutig messbar ist. Allerdings haben wir glücklicherweise mit dem lokalen Klimaphänomen des “Alpinen Pumpens” eine Art Klimajoker, der die Temperatur in der Stadt immer dann etwas dämpft, wenn es aufgrund der Wetterlage am meisten gebraucht wird. Im Einzelnen:

Der allgemeine Temperaturanstieg in München lässt sich an den Messdaten klar ablesen. Ein vielleicht von manchen Münchnern als angenehm empfundener Aspekt des Klimawandels ist die geringere Anzahl an Tagen mit Frost und der sogenannten Eistage, d.h. Tage, an denen die Temperatur überhaupt nicht über den Gefrierpunkt steigt:

Abnehmende Anzahl der Tage mit Frost (Quelle: DWD-Studie)

Abnehmende Anzahl der Eistage (Quelle: DWD-Studie)

Umgekehrt steigt die Zahl der Sommertage mit einer maximalen Temperatur über 25 Grad und der heißen Tage mit mehr als 30 Grad:

Zunehmende Anzahl der Tage mit einer maximalen Temperatur von >25 Grad (Quelle: DWD Studie)

Während mehr Sommertage vielleicht noch als positiv empfunden werden, hört die Freude bei mehr heißen Tagen in einer Großstadt definitiv auf:

Anzahl der heißen Tage in der Münchner Innenstadt mit Temperaturen > 30 Grad (Quelle: DWD Studie)

Vergleicht man diese Diagramme, scheint es so, als ob die Temperaturzunahme im Sommer stärker ausfällt als im Winter. Dies kann aber auch an den speziell gewählten Grenzen von 25 bzw. 30 Grad liegen.

Die Niederschlagsmenge bleibt bislang in etwa gleich, aber mit großen Schwankungen:

Die gemessenen Niederschläge in der Münchner Innenstadt (Quelle: DWD Studie)

Offen bleibt allerdings, wie gleichmäßig die Niederschläge über das Jahr verteilt sind. Subjektiv erscheint es mir so, als ob lange Trockenphasen und Starkregen zugenommen haben. Die Studie enthält dazu leider keine Angaben.

Im Vergleich mit dem Umland ist München wie jede Großstadt eine Wärmeinsel. Tagsüber heizt sich das Stadtgebiet stärker auf und nachts kühlt es weniger ab. Das folgende Diagramm zeigt diesen Effekt im Tagesgang für die Monate Mai bis August:

Temperaturdifferenzen zwischen einer Messstation am Münchner Flughafen und in der Innenstadt (Quelle: DWD Studie)

Wie man sieht, ist tagsüber die Temperaturdifferenz eher gering. In den Morgen- und den Abendstunden beträgt der Unterschied aber ein bis zwei Grad, stellenweise sogar noch mehr. Es liegt auf der Hand, dass in diesen Zeiträumen eine Luftströmung vom Umland Richtung Stadtzentrum eine kühlende Wirkung hat. Genau dies leistet für München das “Alpine Pumpen”.

Wer schon einmal am Nordende des Gardasees gewesen ist, kennt das Phänomen. Morgens bläst der “ Vento”, der Wind von Norden, um gegen Mittag einzuschlafen. Am frühen Nachmittag beginnt pünktlich die “Ora”, der Südwind, der bis Sonnenuntergang anhält. Verursacht werden diese regelmäßigen Luftströmungen durch die unterschiedlich schnelle Erwärmung bzw. Abkühlung der Luft über Land und über Wasser.

Das Alpine Pumpen entsteht auf ganz ähnliche Weise: Wenn im Voralpenland (das bei dieser Betrachtung bis zur Donau reicht) kaum sonstige Luftströmungen herrschen, z.B. wenn ein großes Hochdruckgebiet ortsfest über Deutschland liegt, erwärmt sich tagsüber die Luft über den Alpen stärker als über dem Voralpenland. Die wärmere Luft steigt auf und aus dem Voralpenland strömt zum Druckausgleich Luft Richtung Süden. Abends und nachts dreht sich der Effekt um, da die Luft in den Bergen schneller abkühlt. Jetzt ist die ausgleichende Luftströmung nach Norden gerichtet. Hier eine schematische Darstellung aus der DWD Studie:

Schematische Darstellung des Alpinen Pumpens: Oben die Situation am Tag, unten in der Nacht (Quelle: DWD Studie)

Messbar ist dieses Phänomen an über 40 Tagen im Jahr, von denen die meisten im Sommer liegen, d.h. genau dann, wenn zur Abkühlung der Luftaustausch mit dem Umland besonders wichtig ist. Die dabei auftretenden Windgeschwindigkeiten sind allerdings nicht sehr stark, eher ein laues Lüftchen von einigen Metern / Sekunde. Dennoch geht die DWD-Studie davon aus, dass das Alpine Pumpen dazu beiträgt, die Temperaturen in München zu senken.

Was ergibt sich aus alledem für die Kommunalpolitik der Stadt München? Zwei Schlussfolgerungen drängen sich mir auf:

Zum einen muss der globale Klimawandel noch stärker als bisher bekämpft werden. Die Messungen des DWD lassen keine Zweifel aufkommen, wohin trotz des Alpinen Pumpens die Reise geht. Alle Anstrengungen sind erforderlich, wenn wir nicht in absehbarer Zukunft sehr viele Hitzetage mit mehr als 30 Grad in der Stadt haben möchten .

Zum anderen muss die Stadtplanung versuchen, alles zu vermeiden, was eine Abkühlung durch Luftströmungen aus dem Umland behindert und was zur zusätzlichen Aufheizung beiträgt.

Wie letzteres gehen kann, habe ich gerade mit eigenen Augen in Freiburg gesehen, einer Stadt, die aufgrund ihrer Lage im Oberrheingraben schon heute deutlich wärmer als München ist und damit einen Blick in unsere “Temperaturzukunft” ermöglicht. In dem in einem anderen Bericht bereits erwähnten Neubaugebiet Quartier Vauban ist seit den neunziger Jahren sozial geförderter, dichter Wohnraum geschaffen worden, der gleichzeitig geradezu extrem begrünt worden ist. Hier der Blick von oben:

Das maximal begrünte Quartier Vauban in Freiburg. Der grüne Streifen in der Mitte ist die Straßenbahn. Selbst die Pfosten der Oberleitung sind dort mit Efeu bewachsen (Quelle: Google Maps)

Zwischen den Häusern ist nahezu ausschließlich Grün. Große versiegelte Flächen, wie in manchen Münchner Neubaugebieten gibt es kaum. Freie Sichtachsen auf herausragende Architektur findet man allerdings auch nicht, da der Blick zumeist nur bis zum nächsten Baum reicht. Und anders als die kleinen Anpflanzungen, die man typischerweise auf Münchner Tiefgaragen findet, sind das wirklich große Bäume, die ihre Umgebung spürbar abkühlen. Ich denke, nur mit solch einer Vegetation können die Auswirkungen des Klimawandels auf München abgefedert werden, damit auch in den heißen Sommern der Zukunft das Leben in der Stadt halbwegs angenehm bleibt.