München ist seit Jahren die wohlhabendste Großstadt Deutschlands. Das zeigt einmal mehr der aktuelle Wirtschaftsbericht der Stadt, der im Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft am vergangenen Dienstag vorgestellt worden ist.
Gleichzeitig ist die Haushaltlage der Stadt so schlecht, dass der Stadtrat in der vergangenen Vollversammlung ein Sparprogramm verabschiedet hat. Wie passt das zusammen?
Wie bereits hier erläutert muss die Stadt mit der laufenden Verwaltung Überschüsse erwirtschaften, um damit die Schulden für die erheblichen Investitionen (in Schulbau, neue U-Bahnlinien, etc.) zu finanzieren. Wenn diese Überschüsse kleiner als geplant ausfallen, besteht die Gefahr, dass die Regierung von Oberbayern den Haushalt der Stadt nicht mehr genehmigt und einen Sparkommissar schickt. Das wäre das Ende der kommunalen Selbstverwaltung.
Soweit wird es wohl nicht kommen. Im Folgenden wird zunächst auf einige Aspekte des Jahreswirtschaftsberichts 2024 eingegangen, bevor die jetzt beschlossenen Sparmaßnahmen sowie die kurzfristigen und langfristigen Ursachen der Haushaltsprobleme erörtert werden.
Die positive Lage der Münchner Wirtschaft spiegelt sich nicht nur in der hohen Kaufkraft wieder, sondern auch in den weiterhin steigenden Steuereinnahmen der Stadt.
Im Vergleich zu anderen Städten hat München sowohl eine höhere Beschäftigungsquote
als auch eine deutlich höhere Akademikerquote:
Getragen wird diese Entwicklung von der vielfältigen Wirtschaftsstruktur Münchens, die seit Jahren zu einem Wachstum der Wertschöpfung führt:
Neben den reinen Wirtschaftsdaten enthält der Jahreswirtschaftsbericht auch sogenannte „Wohlfahrtsindikatoren“. Dazu gehört unter anderem die Einkommensverteilung in München:
Die letzten beiden Schaubilder zeigen deutlich, wie stabil die Wirtschaftsstruktur in München ist. Weder hat es in den letzten Jahren einen tiefgreifenden Strukturwandel gegeben noch größere Veränderungen der Einkommensverteilung.
Warum ist nun der städtische Haushalt in Schieflage geraten? Anfang Juli hat der Stadtkämmerer Christoph Frey in einer detaillierten Vorlage ausgeführt, dass die Ausgaben im laufenden Haushaltsjahr 2024 deutlich stärker steigen werden als geplant. Begründet wird das durch unerwartet hohe Ausgaben für die nicht-städtischen Kindertagesstätten und andere Kosten der Jugendhilfe, die nicht oder nur zum Teil vom Freistaat erstattet werden. Daneben sind auch an anderer Stelle im Sozialbereich höhere Kosten angefallen als zunächst erwartet.
Nun ist es keineswegs ungewöhnlich, dass die Stadt einen Nachtragshaushalt im Laufe des Haushaltsjahres auf den Weg bringt, um Veränderungen der Finanzlage zu berücksichtigen. In den letzten Jahren haben zumeist die positiven Veränderungen überwogen – höhere Einnahmen standen geringeren Kosten gegenüber, insbesondere da geplante Einstellungen der Stadtverwaltung wegen des Fachkräftemangels nicht oder nur verspätet erfolgen konnten.
Dies ist in 2024 anders. Zwar liegen auch in diesem Jahr die Steuereinnahmen etwas höher als geplant. Von den Personalkosten kommt jedoch keine Entlastung, sondern ebenfalls eine Zusatzbelastung von 23 Mio. EUR, da für viele unbesetzte Stellen der Verwaltung schneller als erwartet neue Mitarbeiter gefunden werden konnten.
Von außen betrachtet mögen die genannten (Fehl-) Beträge eher als „Kleingeld“ erscheinen, wenn man bedenkt, dass das Haushaltsvolumen insgesamt etwa 8,5 Mrd. EUR (= 8500 Mio. EUR) beträgt. Das gesamte Zahlenwerk war allerdings extrem auf Kante genäht mit einem ursprünglich geplanten Überschuss von gerade einmal 133 Mio EUR zur Finanzierung der Investitionen. Im Ergebnis kippt der Verwaltungshaushalt der Stadt München bereits durch kleine Veränderungen ins Negative, d.h. die voraussichtlichen Einnahmen in 2024 können nicht einmal mehr die zu erwartenden Ausgaben decken.
Das zwingt zum Handeln, denn im Verwaltungshaushalt darf die Stadt keine Schulden machen (vgl. Art. 64 der bayrischen Gemeindeordnung). Der Stadtkämmerer hat daher in der letzten Vollversammlung ein umfangreiches Sparpaket vorgelegt, das vom Stadtrat auch verabschiedet worden ist.
Mit einer Vielzahl von Maßnahmen sollen im laufenden Haushalt zusätzliche 133 Mio EUR eingespart werden. Weitere Kürzungen betreffen Zuschüsse an die städtischen Gesellschaften und Dritte. Um den Anstieg der Personalkosten zu dämpfen, werden Stellen im Regelfall nur noch intern durch Versetzungen besetzt. Der Stadtrat hat diesen Vorschlägen in der vergangenen Vollversammlung mit den Stimmen der grün-roten Mehrheit zugestimmt.
In der Debatte hat CSU-Stadtrat Hans Hammer darauf hingewiesen, dass bereits der ursprünglich für 2024 geplante Haushaltsüberschuss viel zu gering gewesen sei. Früher, zu Zeiten der schwarz-roten Rathauskoalition (2014 – 2020), hätte der jährliche Überschuss regelmäßig bei über 800 Mio EUR gelegen. Solche Beträge könnten heute nicht mehr erreicht werden, da die Personalkosten durch fortlaufende Stellenausweitungen zu stark gestiegen seien.
Ich glaube das stimmt. Die Stadtverwaltung hat in den letzten Jahren – wie viele Unternehmen und Organisationen mit guter Finanzlage – viel zu viel Personal aufgebaut. Schaut man in den Personalbericht 2023, findet man folgendes Schaubild:
Von 2008 bis 2023 hat die Personalstärke um mehr als 32% zugenommen, die Bevölkerung der Stadt aber nur um etwa 13%. Wäre das Personal nur proportional zur Bevölkerung gewachsen, wären die Personalkosten der Stadt, die aktuell bei etwa 2,4 Mrd. EUR liegen, um fast 500 Mio EUR geringer. Ein ausreichender Überschuss im Verwaltungshaushalt wäre dann kein Problem.
Da ist offensichtlich etwas aus dem Ruder gelaufen. Ein genauerer Blick auf das obige Diagramm zeigt allerdings, dass der Personalanstieg im Wesentlichen in den Jahren 2012 bis 2020 erfolgt ist. Damit richtet sich der Vorwurf von Stadtrat Hammer zuerst an seine eigene Partei, denn die CSU war zwischen 2014 und 2020 maßgeblich an der Stadtregierung beteiligt. Dem aktuellen Stadtrat unter grün-roter Führung kann man die verfehlte Personalpolitik nicht vorwerfen.
Auch der Kämmerer hat die Personalkosten im Blick. In seiner Vorlage steht dazu Folgendes:
„Der Anteil der Personalauszahlungen an den Gesamtauszahlungen in der laufenden Verwaltungstätigkeit beträgt im Haushalt 2024 rund 27 %. Mit Blick auf die Finanzplanjahre nimmt dieser Anteil stetig und spürbar zu. Ohne einem diesen Anteil gerecht werdenden, signifikanten Beitrag des Personal- und Organisationsreferats entfalten die zwingend erforderlichen Gegensteuerungsmaßnahmen zur Beseitigung des strukturellen Defizits in der laufenden Verwaltungstätigkeit keine Wirkung.“
(Hervorhebung hinzugefügt)
Mit anderen Worten nützen alle Sparmaßnahmen nichts, wenn es nicht gelingt, die Personalkosten in den Griff zu bekommen. Das erfordert keine Entlassungswelle, denn laut Personalbericht sind fast 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 60 Jahre und älter und werden demnächst in Rente gehen. Das sind mehr als 10% des Personals.
Natürlich werden die Aufgaben der Stadtverwaltung nicht gleichzeitig um 10% abnehmen. Was es daher braucht, ist ein deutlicher Produktivitätsschub. Hier liegt die Verantwortung beim Führungspersonal der Stadtverwaltung, d.h. bei den Referatsleitungen und ihren Abteilungsleiterinnen und -leitern. Sie müssen stärker als bisher danach suchen, wie sich ihre Abläufe vereinfachen lassen oder manches entfallen kann. Das wird nicht in jedem Bereich möglich sein. Aber der Einsatz moderner IT kann und muss dazu führen, dass mit weniger Personal von der Stadtverwaltung genauso viel oder sogar mehr geleistet wird als bisher. Dann wird der anhaltende Erfolg der Wirtschaft Münchens auch wieder zu solideren Finanzen der Stadt führen.