Mehr als 4000 Euro Schulden pro Kopf

München investiert. Beispielsweise in Bildung. 8,675 Milliarden Euro werden seit 2016 ausgegeben, um über hundert Schulen zu renovieren und Plätze für mehr als 62.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Aber kann sich die Stadt das überhaupt leisten?

Leider nur mit vielen neuen Schulden. Das war die Erkenntnis, die man am vergangenen Dienstag in der Sitzung des Finanzausschusses gewinnen konnte. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Münchner Bevölkerung, die 2019 noch bei historisch niedrigen 1200 EUR lag, steigt 2024 voraussichtlich auf über 4000 EUR an.

Wie soll man diese Zahlen einordnen? Wird München in Zukunft von seinen Schulden erdrückt? Und wie entwickeln sich die Einnahmen der Stadt? Im folgenden Bericht werde ich versuchen, ein paar Antworten auf diese Fragen zu geben.

Jedes Vierteljahr legt die Stadtkämmerei einen ausführlichen Bericht über die Schulden der Stadt vor. Die aktuellen Zahlen sehen so aus:

Schuldenentwicklung in München, aufgegliedert nach den Schulden der Stadt (dunkelblau) und der städtischen Unternehmen (pink) (Quelle: Schuldenbericht IV 2023)

Während es von 2005 – 2019 gelungen ist, die Schulden um mehr als die Hälfte zu verringern, ist die Kreditaufnahme seit 2020 aufgrund der hohen Investitionen rasant angestiegen und wird schon 2024 fast sieben Milliarden erreichen.

Das Wort „Investition“ ist dabei wesentlich. Denn nur dafür kann die Stadt Schulden machen, vgl. Art. 71 der Bayrischen Gemeindeordnung:

„(1) Kredite dürfen [….] nur für Investitionen, für Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung aufgenommen werden“

Die normale Verwaltungstätigkeit einer Stadt, d.h. der fortlaufende Betrieb der Stadtverwaltung, muss jedes Jahr ohne Schulden aus den laufenden Einnahmen finanziert werden.

Aber auch Schulden für Investitionen, beispielsweise den Schulbau, sind nicht unbegrenzt möglich. Damit der Haushalt der Stadt München von der Regierung von Oberbayern genehmigt wird, darf die Höhe der Investitionsschulden die „dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde“ (Art. 71 (2) BayGO) nicht übersteigen. Mit anderen Worten muss die Gemeinde mit den erwartbaren Überschüssen der normalen Verwaltungstätigkeit die Zinsen und Tilgungen ihrer Schulden aufbringen können. Das ist genauso wie in einem Privathaushalt. Einen Immobilienkredit kann sich nur jemand leisten, dessen Einkommen nicht nur für den täglichen Bedarf ausreicht, sondern auch um Zinsen und Tilgungsraten des Kredits in Zukunft dauerhaft bezahlen zu können.

Was gerade noch zu finanzieren ist, hängt vom Zinsniveau ab. Während die Stadt vor einigen Jahren mit der Kreditaufnahme sogar Geld verdient hat – Stichwort Negativzinsen – , muss sie heute zwischen 3% und 4% Zinsen bezahlen.

Entwicklung der Zinsen und Tilgungen sowie des Schuldenstands der Stadt (ohne Eigenbetriebe) bis 2027 (Quelle: Schuldenbericht IV 2023)

Bis 2027 führt das zu jährlichen Belastungen von fast 400 Mio Euro. Kann die Stadt das bezahlen? Eine Frage, die auch Prof. Hoffmann von der FDP im Ausschuss gestellt hat.

Die richtige Antwort lautet wohl: Es kommt darauf an. 2019 lag der Haushaltsüberschuss bei über 340 Mio EUR, 2023 bei über 550 Mio EUR. Allerdings reduziert sich der geplante Überschuss in 2024 auf gerade einmal 51 Mio EUR. Die Schwankungsbreite ist also erheblich.

Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt hängt aber nicht nur von den Ausgaben, sondern auch von den Einnahmen ab. Dazu gab es ebenfalls Informationen in der Sitzung. Mit mehr als 3 Mrd EUR (bei einem Haushaltsvolumen von etwa 8 Mrd EUR) ist die Gewerbesteuer die wichtigste kommunale Geldquelle. In einer aktuellen Übersicht der Stadtkämmerei kann man sehen, welche Wirtschaftsbereiche wieviel beitragen:

Gewerbesteuervorauszahlungen der verschiedenen Wirtschaftsbranchen Münchens
(Quelle: Übersicht der Stadtkämmerei)

Banken und Versicherungen (Munich Re, Allianz, etc.) liegen mit etwa 900 Mio EUR seit 2021 unangefochten an der Spitze.

Käme es zu Ausfällen durch Probleme eines oder mehrerer großer Gewerbesteuerzahler, hätte das Folgen für den Haushalt, die viel schlimmer sein könnten als die steigenden Zinsbelastungen. Oberbürgermeister Reiter hat in der Sitzung wiederholt auf diesen Punkt hingewiesen und betont, wie wichtig es ist, dass die Kommunalpolitik die Münchner Unternehmen auch in Zukunft tatkräftig dabei unterstützt, so erfolgreich zu sein.

Welches Fazit kann man aus alledem ziehen? Ich denke, der Münchner Haushalt ist für die kommenden Jahre „auf Kante genäht“. Da darf nichts schiefgehen, weder bei der Zinsentwicklung, noch bei den Einnahmen. Investitionen in Schulbau sind gut angelegtes Geld, aber andere wünschenswerte Großprojekte (z.B. neue U-Bahnlinien oder Straßentunnel) können erst dann in Angriff genommen werden, wenn München die jetzt beschlossenen Investitionen hinter sich hat und der Schuldenberg wieder abnimmt.

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