Große Straßenbauprojekte haben viele Leben. Werden sie nach einem längeren Diskussionsprozess abgelehnt und beerdigt, dauert es meistens nur ein paar Jahre bis zu ihrer Wiederauferstehung. So auch der Autobahn Südring um den Süden Münchens. Nach 2010 hat der Stadtrat zuletzt in 2015 bekräftigt, auf den Ringschluss der A99 zu verzichten.
Zur Wiederbelebung tragen insbesondere Wahlkämpfe bei. Daher wurde das Stadtplanungsreferat 2019 im Vorfeld der Kommunalwahl mit Anträgen konfrontiert, die sich unter der Führung der Münchner CSU Fraktion deutlich für den Südring ausgesprochen haben. Andere Anträge sind strikt dagegen gerichtet, jedenfalls bei einer Trassenführung ohne Tunnel. Die heutige Sitzung des Mobilitätsaussschusses hat sich daher erneut mit diesem Projekt befasst – und es einmal mehr beerdigt.
Zu Erinnerung: In 2010 wurde eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, die verschiedene Trassenverläufe für den Ringschluss miteinander verglichen hat.
Die gestrichelten Linien zeigen jeweils Tunnelstrecken. Alle Aspekte der damaligen Machbarkeitsstudie hier zusammenzufassen würde diesen Bericht sprengen. Wesentlich erscheinen mir allerdings die damals geschätzten Kosten der verschiedenen Varianten:
Man erkennt, dass bereits in 2010 die Kosten für die meisten Varianten bei weit über 1 Mrd. EUR lagen. Bei den inzwischen stark gestiegenen Baukosten wären das heute eher zwei Mrd. EUR. Die kostengünstigste Variante C8mA kommt ohne Tunnel aus. Allerdings sähe das Isartal dann in etwa so aus:
In der Vorlage der Verwaltung für die heutige Sitzung wurde die Studie aus 2010 so zusammengefasst:
„Aus der Untersuchung ging hervor, dass damit [dem Ringschluss] nur geringe Verkehrsentlastungen für das Münchner Hauptverkehrsnetz erreicht werden könnten. […..] Auf den heute bereits sehr hoch belasteten Abschnitten der A99-Nord und -Ost (zwischen den Autobahnkreuzen Nord und Ost) ergaben sich nur Entlastungen in einem Bereich unterhalb der täglichen Schwankungsbreiten (ca. 8.000 – 10.000 Kfz/24h, eine Reduzierung von lediglich 6,1 % bis 6,9 % des Verkehrsaufkommens). Erkennbare Entlastungen wurden auf den in der Bürgerversammlungs-Empfehlung genannten Strecken dargestellt, z.B. im Bereich des McGraw-Grabens um 20.000 Kfz/24h (-23 % bis -25 %) oder auf dem Abschnitt der Autobahn A995 zwischen dem Knotenpunkt Taufkirchen und dem McGraw-Graben um 12.000 bis 18.000 Kfz/24h (16 % bis -25 %).„
Der letzte Satz zeigt das eigentliche Problem: Die südlichen Stadtteile Münchens, insbesondere Obergiesing und Sendling, würden durch einen Ringschluss der Autobahn spürbar entlastet – und die Umlandgemeinden im Münchner Süden entsprechend belastet. Die heutige Diskussion im Stadtrat hat daher auch gezeigt, dass die Trennlinie der Befürworter und Gegner des Ringschlusses quer durch manche Parteien verläuft. Während die CSU in den Umlandgemeinden im Münchner Süden gegen das Projekt ist, sieht die CSU Fraktion im Stadtrat das ganz anders. Und die SPD Sendling-Westpark hat sich in 2019 für eine Tunnellösung ausgesprochen, während die SPD-Stadtratsfraktion heute zusammen mit den Grünen den Südring einmal mehr abgelehnt hat. Ungeteilte Zustimmung zum Südring fand sich in der heutigen Sitzung nur bei der FDP /Bayernpartei, allerdings ohne auch nur mit einem einzigen Wort auf die Kosten einzugehen.
Aus meiner Sicht ist der Südring, selbst wenn man ihn verkehrspolitisch befürworten würde, nicht finanzierbar – schon gar nicht in Zeiten einer Pandemiekrise. Für einen Bruchteil der zwei Milliarden, die eine Tunnellösung kostet, könnte man jedoch viele Maßnahmen wie eine Überdeckelung des McGraw-Grabens und Schallschutzmaßnahmen entlang des Mittleren Rings bezahlen, die die Lebensqualität in den vom Durchgangsverkehr besonders betroffenen Stadtteilen des Münchner Südens spürbar verbessern. Vielleicht würde es dann bis zur nächsten Wiederauferstehung des Projekts Südring etwas länger dauern.
Wer übrigens nach einem weiteren Untoten sucht, könnte die Planung der A98 aus dem letzten Jahrhundert wiederbeleben. Danach sollte eine West-Ost Autobahn mitten durch das ganze Allgäu und das Oberland verlaufen bis zum einem Anschluss an die A8 am Irschenberg. München würde damit weiträumig umfahren.