Die zweitbeste Lösung – wenn überhaupt

Vor dem Auftreten des Coronavirus waren drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge eines der größten Aufregerthemen der Politik. Insbesondere in Stuttgart und München sind an vielbefahrenen Straßen die Belastungen mit Feinstaub und Stickoxiden immer noch zu hoch. Wie bereits an anderer Stelle berichtet, werden die Werte zwar allmählich besser. Sie liegen aber immer noch über den zulässigen Grenzen. In München gilt das unter anderem für die Landshuter Allee.

In der gestrigen Vollversammlung wurde von einem Forschungsprojekt berichtet, das in den nächsten Wochen beginnen soll. Große Filtersäulen entlang der Landshuter Allee sollen Stickoxide und Feinstaub aus der Luft herausfiltern. Im Stadtrat traf das auf allgemeine Zustimmung, nicht zuletzt, weil der Freistaat fast alle Kosten des Projekts trägt. Worum es dabei geht und was aus meiner Sicht davon zu halten ist, wird im Folgenden erläutert.

Ausgangspunkt ist die Prognose, dass der Grenzwert für die Stickoxidbelastung in der Landshuter Allee auch in den nächsten Jahren noch nicht eingehalten werden kann. In der schriftlichen Bekanntgabe für die Vollversammlung wird angeben, dass die Werte voraussichtlich erst in 2026 unter den erlaubten 40 µg/m³ liegen werden. Schaut man sich die gemessenen Daten seit 2015 an, könnte es vielleicht auch schon ein paar Jahre früher so weit sein:

Werte der Stickoxidbelastung in der Landshuter Allee in µg/m³; die gepunktete Linie zeigt den Trend (Quelle: Eigene Darstellung der Daten aus der Bekanntgabe)

Die Stadtverwaltung sieht sich dennoch in der Pflicht, gemäß den gesetzlichen Vorgaben im Bundes-Immissionsschutzgesetz den „Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten“ .

Bauliche Lösungen wie ein Tunnel oder die bereits im Stadtrat diskutierte Einhausung sind wegen der langen Bauzeiten nicht geeignet, schnell Abhilfe zu schaffen. Das nun beginnende Forschungsprojekt verfolgt daher einen anderen Ansatz. Mit zunächst sieben, später neun großen Filtersäulen sollen Stickoxide und Feinstaub aus der Umgebungsluft herausgefiltert werden. In einer Anlage zur Bekanntgabe kann man sehen, wie diese Filtersäulen aussehen werden:

Geplante Filtersäule für die Landshuter Allee

Mit einer Grundfläche von jeweils 1 m² werden die neun Säulen auf ehemaligen Parkplätzen aufgestellt. Das folgende Bild zeigt die geplante Verteilung entlang der Landshuter Allee:

Die geplante Verteilung der Filtersäulen (gelbe Punkte) und diverser Messstellen (rote Quadrate und blauer Punkt) entlang der Landshuter Allee (Quelle: Anlage zur Bekanntgabe des Forschungsprojekts)

An dem Forschungsvorhaben sind insgesamt vier Universitäten bzw. Hochschulen beteiligt, darunter die TU München und die Universität Augsburg. Letztere wird ein Netz aus Messstationen betreiben, um sowohl in der Landshuter Allee als auch in einigen Seitenstraßen zu untersuchen, ob der Betrieb der Filtersäulen zu einer spürbaren Verringerung der Stickoxidbelastung führt.

Allerdings ist das Münchner Forschungsprojekt – anders als man anhand der dem Stadtrat vorgelegten Dokumente vielleicht glauben könnte – im Grunde nur eine Neuauflage eines ähnlichen Projekts in Stuttgart Am Neckartor. Dort werden seit Jahren die deutschlandweit höchsten Stickoxidwerte gemessen. In einem Projektversuch kamen die oben gezeigten Filtersäulen von 2018 – 2020 zum Einsatz. Den Abschlussbericht dazu findet man hier.

Ein vollständige Darstellung des Stuttgarter Forschungsprojekts würde den Umfang dieses Berichts sprengen. Kernaussagen sind, dass die Reduktion der Stickoxidbelastung insgesamt nicht mehr als 9% beträgt. Die Wirkung der Filtersäulen ist dabei ungleichmäßig verteilt, wie dieses Bild zeigt:

Abbildung 6.3. aus dem Abschlussbericht des Stuttgarter Forschungsprojekts

Am besten ist die Filterwirkung in der unmittelbaren Umgebung der Filtersäulen (rote Bereiche). In den Nebenstraßen mit größerem Abstand zu den Filtersäulen (dunkelgrüne Bereiche) ist die Wirkung nahezu vernachlässigbar.

Auf der anderen Seite ist der Aufwand beträchtlich. Denn Am Neckartor in Stuttgart wurden nicht nur neun, sondern insgesamt 23 Filtersäulen aufgestellt, von denen jede im Betrieb 1 kW Strom verbraucht und deren Filterelemente alle 30 Tage gewechselt werden müssen. Hier eine grafische Darstellung der Stuttgarter „Filtersäulenallee“:

Verteilung der 23 Filtersäulen entlang der der Straße Am Neckartor in Stuttgart. (Quelle: Abschlussbericht des Stuttgarter Forschungsprojekts)

Im Ergebnis habe ich so meine Zweifel, ob mit den geplanten neun Filtersäulen die Stickoxidbelastung in der Landshuter Allee in relevantem Umfang verringert werden kann. Denn nimmt man in beispielsweise den Wert von 54 µg/m³ aus 2020 und zieht davon 9% ab, erreicht man etwa 49 µg/m³. Das entspricht ungefähr der Verbesserung, die sich ohnehin pro Jahr durch den abnehmenden Einsatz alter Fahrzeuge mit schlechten Emmissionswerten ergibt (vgl. die fallende Messkurve ganz oben).

In der Vollversammlung wurde in mehreren Redebeiträgen aus den großen Fraktionen des Münchner Stadtrats darauf hingewiesen, dass die richtige Lösung für die Landshuter Allee eigentlich eine andere ist. Für die CSU ist das weiterhin ein Tunnel, für Grüne und SPD ein beschleunigter Umstieg auf elektrische Antriebe und die Nutzung des ÖPNV. Die Filtersäulen seien daher nur die zweitbeste Lösung für die nächsten Jahre. Ich denke, das ist richtig. Es bleibt abzuwarten, ob sich damit überhaupt eine spürbare Verbesserung für die Anwohner der Landshuter Allee ergibt.

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