Die ungleich verteilten Lasten der Wärmewende

In einem früheren Beitrag habe ich über den Entwurf der Wärmeplanung für München berichtet. Die Sitzung des Stadtplanungsausschusses am vergangenen Mittwoch hat beispielhaft gezeigt, dass die Belastungen für den Aufbau einer CO2-neutralen Fernwärmeversorgung in München manche mehr treffen als andere.

Funktionsweise einer Geothermiestation (Quelle: SWM)

Warum das so ist, wird im folgenden Beitrag anhand der Pläne für einen neuen Geothermiestandort in Untermenzing erläutert.

Die Wärmewende betrifft nicht nur Hausbesitzer, sondern auch die Fernwärme der Stadtwerke München. Bislang wird die Fernwärme zum weitaus überwiegenden Teil durch die Verbrennung von Erdgas erzeugt. Allerdings wollen die SWM zunehmend Geothermie einsetzen. Der sogenannte Transformationsplan, den die Stadtwerke gegenwärtig in verschiedenen Veranstaltungen der Öffentlichkeit vorstellen, zeigt den geplanten Umstieg:

Die geplanten Veränderungen bei der Fernwärme (Quelle: SWM-Transformationsplan)

Aktuell erzeugen die Stadtwerke pro Jahr etwas mehr als 5 Terawattstunden (TWh) Fernwärme. Wie im obigen Diagramm zu sehen, liefert die Geothermie bis 2030 jährlich nur etwa 0,5 TWh, also ca. 10%. Danach soll der grüne Anteil der Fernwärme stark ansteigen.

Das Problem liegt darin, dass aus einer sogenannten Doublette, d.h. einer Geothermiebohrung, nur eine begrenzte Menge Fernwärme gewonnen werden kann. Die Stadtwerke benötigen daher zusätzliche Standorte im Stadtgebiet, wo sie das warme Tiefenwasser unterhalb Münchens anbohren können.

Nun ist in aller Regel die Begeisterung in einem Stadtteil gering, wenn dort eine neue Geothermieanlage errichtet werden soll. Zwar ist der Betrieb kaum mit Lärmemissionen verbunden. Anders sieht es jedoch in der mehrjährigen Bohrphase aus, wenn schweres Gerät zum Einsatz kommt.

Am vergangenen Mittwoch hat der Stadtplanungsausschuss dem Beginn einer Planung zugestimmt, um in Untermenzing neben dem Friedhof eine neue Feuerwehrwache und eine neue Geothermieanlage zu bauen.

Der Standort für die neue Feuerwache und die Geothermiestation am Pasinger Heuweg direkt neben dem Friedhof von Untermenzing (Bildquelle: Google Maps mit eigenen Hinzufügungen)

Erwartungsgemäß hat sich bereits Widerstand formiert. In einer Petition haben die Anwohner vorgetragen, dass durch den Bau und Betrieb der beiden Anlagen die Totenruhe auf dem benachbarten Friedhof gestört werde.

Unabhängig davon, ob es nicht eher um die Ruhe der noch lebenden Anwohner geht, hat das Stadtplanungsreferat in einer vorläufigen Stellungnahme dargelegt, wie die Lärmbelästigungen sowohl durch die Feuerwehr als auch beim Bau der Geothermieanlage minimiert werden sollen. Zudem werden in 2025 mehrere öffentliche Veranstaltungen des Planungsreferats stattfinden, auf denen die Pläne und die Bedenken diskutiert werden können.

Schon jetzt ist allerdings klar, dass die Anwohner in absehbarer Zeit von der neuen Geothermieanlage für ihre eigene Wärmeversorgung nicht profitieren werden. Denn anders als man vielleicht vermuten könnte, ist die dort erzeugte Fernwärme nicht für die angrenzenden Wohngebiete vorgesehen. Wie man auf der Karte zur Münchner Wärmeplanung sehen kann, ist in ganz Unter- und Obermenzing für die nächsten Jahre keine Fernwärmeversorgung geplant.

Auszug aus der Karte zur Wärmeplanung der Stadt München. Fernwärme gibt es in den nächsten Jahren nur in den orange bzw. rosa eingefärbten Bereichen. Der rote Kreis zeigt den Standort der neuen Geothermieanlage (Quelle: Geoportal der Stadt München)

Warum ist das so? Zum einen möchten die Stadtwerke die Wärmeleistung aus der neuen Geothermieanlage in erster Linie für den Ersatz der aktuellen Wärmeleistung durch die Erdgasverbrennung verwenden, vgl. das obige Schaubild. Die Gesamtmenge an zur Verfügung stehender Fernwärme wird nur langsam steigen.

Zum anderen handelt es sich bei der angrenzenden Bebauung zumeist um Einfamilienhäuser. Nach Auskunft der Stadtwerke kommt in solchen Wohngebieten ein Ausbau im Regelfall nicht in Betracht, da der Aufwand des Leitungsbaus im Verhältnis zur „verkaufbaren“ Fernwärme zu groß wäre. Im Ergebnis müssen die Anwohner der neuen Geothermieanlage einerseits den Baulärm ertragen und andererseits sich selbst darum kümmern, eine Wärmepumpe, einen Pelletkessel oder andere CO2-freie Wärmeerzeuger zu installieren.

Etwas unwohl war den Stadträtinnen und Stadträten diese Gemengelage schon. Zwar hat Prof. Hofmann von der FDP-Fraktion zu Recht darauf hingewiesen, dass jede neue Infrastruktur immer zu Lasten (und gegen den Widerstand) der unmittelbaren Anwohner errichtet wird. Dennoch halte ich die Anregung von Simone Burger von der SPD-Fraktion für bedenkenswert, die von den Lärmemissionen betroffenen Anwohner quasi zum Ausgleich bei der Wärmewende besonders zu unterstützen. Das könnte, so Simone Burger, durch eine beschleunigte Prüfung erfolgen, ob und wie gegebenenfalls kleinere Nahwärmenetze der Stadtwerke die Wärmeversorgung dieser Wohngebiete übernehmen könnten.

Denn ein hinhaltender Widerstand (gegebenenfalls vor Gericht) gegen den Bau einer neuen Geothermieanlage nützt niemandem und würde die dringend erforderliche Dekarbonisierung der Münchner Fernwärme nur verzögern.

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