Wer fährt den Bus?

Für regelmäßige Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs in München ist es nichts Neues. Immer wieder fallen Busse, U-Bahnen oder Straßenbahnen aus, weil die Münchner Verkehrsbetriebe (MVG) Schwierigkeiten haben, Personal zu finden. Insbesondere Busfahrer sind absolute Mangelware. Auf einigen Linien kommt es deswegen nicht nur zu einzelnen Ausfällen, sondern auch zu geplanten Ausdünnungen des Taktes.

Ohne Fahrer kann der Bus nicht ausrücken (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Renardo_la_vulpo)

Ist das nun die Zukunft, auf die wir uns einstellen müssen, insbesondere wenn auch bei der MVG viele Boomer in Rente gehen? Im Februar haben die Stadtratsfraktionen der Grünen und der SPD angeregt, neue Wege bei der Personalsuche zu gehen. Die entsprechende Vorlage für den Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft am vergangenen Dienstag zeigt Lösungsansätze auf, die zum Nachdenken über das Thema Migration anregen.

Wie die Verwaltung in der Ausschusssitzung berichtet hat, werben die Verkehrsbetriebe schon seit Jahren Personal aus EU-Staaten an, beispielsweise aus Spanien. Allerdings ist die Arbeitslosigkeit dort (ebenso wie in vielen anderen EU-Ländern) rückläufig, sodass der Druck zur Auswanderung ins kalte München abnimmt. Die MVG haben daher bereits begonnen, außerhalb der EU ausgebildete Busfahrer direkt anzuwerben, beispielsweise in Serbien. Die Zahl der auf diese Weise gewonnenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reicht jedoch bei weitem nicht aus.

Seit 2017 gibt es ein weiteres Programm zusammen mit dem Jobcenter München und den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayrischen Wirtschaft. Dabei werden Migrantinnen und Migranten, die bereits in München wohnen, innerhalb von sechs Monaten durch die MVG zum Busfahrer ausgebildet. Neben der Fahrschule werden in Sprachkursen Deutschkenntnisse vermittelt. Bislang wurden mit diesem Programm 41 Busfahrerinnen und Busfahrer gewonnen.

Der Besitz eines PKW-Führerscheins war in der Vergangenheit eine der größten Hürden für den Einstieg in dieses Programm. Das ändert sich jetzt:

Der Erwerb des PKW-Führerscheins (Klasse B) war […] bisher nicht Teil der Ausbildung zum Busfahrer bei der MVG. Hier sollen nun neue Wege beschritten werden: In Zukunft werden keine Interessenten für den Fahrbetrieb Bus aufgrund eines fehlenden PKW-Führerscheins (Klasse B) abgewiesen. Unter Voraussetzung einer erfolgreichen gesundheitlichen Prüfung, [….] sowie mit der Verpflichtung seitens der Interessenten, neben der Ausbildung zur/zum Busfahrer*in eine Ausbildung bei der Münchener Tram oder U-Bahn zu machen, können die Interessenten einen PKW-Führerschein (Klasse B) in den kooperierenden Fahrschulen der SWM/MVG erlangen. Die Kosten für den Erwerb des Führerscheins der Klasse B sollen durch die MVG übernommen werden…“ (Zitat aus der Vorlage)

Durch den zusätzlichen Ausbildungsaufwand erschließt sich die MVG ganz neue Personalquellen. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft hat unterstützend eine Website „Make it in Munich“ erstellt, auf der Bewerberinnen und Bewerber Informations- und Fördermöglichkeiten bei der Arbeitssuche in München finden. Daneben werden in Zukunft gezielt Münchner Migrantenorganisationen angesprochen, um auch im Rahmen einer „aufsuchenden Arbeitsmarktintegration“, beispielsweise in Flüchtlingsunterkünften, neue Busfahrerinnen und Busfahrer für die MVG zu gewinnen.

Diese Vorgehensweise ist im Ausschuss auf große Zustimmung gestoßen. Auch die migrationskritische CSU-Fraktion hat daran keine Kritik geübt.

Was lernt man daraus? Mir drängen sich zwei Schlussfolgerungen auf:

  • Die Vorstellung, dass Deutschland nur den hochqualifizierten Programmierer aus Indien braucht, sind lange überholt. Der demographische Wandel nimmt in einer Weise Fahrt auf, dass jedenfalls in München Bedarf an arbeitswilligen Personen fast jeder Qualifikationsstufe besteht. Die Probleme der MVG, Busfahrer zu finden, deren Beruf in gerade mal sechs Monaten erlernt werden kann, verdeutlichen diesen Punkt.
  • Die Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt erfordert bislang nicht gekannte Anstrengungen zur Ausbildung. Konnten die MVG in früheren Zeiten fertige Busfahrer vom Arbeitsmarkt einstellen, müssen sie heute – notgedrungen – deren gesamte Ausbildung (PKW-Führerschein, Busführerschein, Deutschkurse, etc.) organisieren und bezahlen. Die MVG mit mehreren tausend Mitarbeitern können sich das leisten. Kleinere Unternehmen stellt das vor hohe Herausforderungen, die nur mit breiter Unterstützung durch den Staat gemeistert werden können. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft in München geht da mit gutem Beispiel voran.

Im Ergebnis braucht es ein neues Verständnis darüber, dass die zentrale Herausforderung nicht darin besteht, Migration zu verhindern, sondern Migrantinnen und Migranten für den deutschen Arbeitsmarkt auszubilden. Zuwanderung wird in der öffentlichen Diskussion zu oft nur als Belastung betrachtet. Sie ist aber schon jetzt und erst recht in Zukunft eine wesentliche Voraussetzung für den Fortbestand vieler Unternehmen und damit unseres gesamten Wohlstands.

Wer daran Zweifel hat, kann ja in Zukunft zu Fuß gehen.

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