Ein Webfehler der Bayrischen Gemeindeordnung ?

Vor einigen Wochen habe ich hier über die Übernahme des Bürgerbegehrens zum Schutz der Grünflächen durch den Stadtrat berichtet. Meine Befürchtung war, dass dadurch „Erwartungen entstehen können, die später vielleicht bitter enttäuscht werden.“ Genauso ist es gekommen. Insgesamt sechs laufende Bauprojekte wurden am Mittwoch in der Sitzung des Stadtplanungsausschusses diskutiert. Im Ergebnis ändert das übernommene Bürgerbegehren (fast) nichts an den erheblichen Eingriffen in bestehende Grünanlagen. Warum das so ist und welche Schlussfolgerungen sich damit über den Sinn von Bürgerbegehren zur Stadtplanung aufdrängen, wird im folgenden Beitrag erläutert.

Zur Erinnerung: Zentrale Forderung des Bürgerbegehrens war der Erhalt sämtlicher Grünanlagen in München. Auf der Website der Initiatoren findet sich folgende Erfolgsmeldung:

Das Bürgerbegehren „Grünflächen-erhalten.de“ wurde am 1. März mehrheitlich vom Münchner Stadtrat [….] übernommen! Damit muss die Landeshauptstadt München nun bei allen laufenden und auch künftigen Planungen sicherstellen, dass Allgemeine Grünflächen im Flächennutzungsplan sowie die Grünanlagen laut Grünanlagensatzung erhalten bleiben.

Das ist ein Irrtum. Denn wie bereits erläutert ist die einzige Folge der Übernahme, dass der Schutz der Grünanlagen als wichtiger Gesichtspunkt in die Abwägung bei der Stadtentwicklung einfließen muss. Und diese Abwägung kann auch in Zukunft zu einer Verkleinerung oder sogar dem Wegfall von Grünanlagen führen.

Um das Bürgerbegehren jedoch nicht vollständig zu ignorieren, hat das Stadtplanungsreferat alle laufenden Planungen noch einmal durchgesehen und sechs Projekte, die in der Tat zu spürbaren Eingriffen in Grünanlagen führen, dem Ausschuss in einer Vorlage erneut zur Entscheidung vorgelegt.

So gehen beispielsweise beim 5. Bauabschnitt der Messe Riem im gesamten Planungsgebiet von 24,5 Hektar etwa 2,1 Hektar Grünfläche verloren. Das ist mehr als die Fläche von zwei Fußballfeldern. Dafür können jedoch auf dem gesamten Planungsgebiet 2500 dringend benötigte Wohnungen errichtet werden. Die Vorlage schlägt daher im Ergebnis vor, an den Plänen festzuhalten. Das Bürgerbegehren findet lediglich mit folgenden Worten seinen Niederschlag:

„Bei Fortsetzung des Verfahrens wird jedoch die grundsätzliche Zielvorgabe („Erhalt der Allgemeinen Grünflächen“) in der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange bei der Aufstellung des Bebauungsplans aufgenommen.“

Diese Formulierung wird formelhaft für alle sechs Bauvorhaben verwendet, die das Stadtplanungsreferat fortsetzen möchte und denen der Ausschuss gestern mit der Mehrheit fast aller Fraktionen zugestimmt hat. Vorgesehen sind lediglich kleine Änderungen an einem der sechs Projekte.

Der eklatante Widerspruch zwischen den weitgehenden Forderungen des Bürgerbegehrens einerseits und der nahezu unveränderten Fortführung der Bebauungsplanung andererseits hat zu einer heftigen Debatte geführt. Prof. Hofmann von der FDP hat den Grünen und der CSU vorgeworfen, das Bürgerbegehren nur übernommen zu haben, um kurz vor der Landtagswahl Ärger mit weiten Teilen ihrer Wählerschaft zu vermeiden.

Da ist was dran. Alexander Reissl von der CSU hat diesen Punkt quasi zugegeben. Man habe ohnehin keine Chance gesehen, einen Bürgerentscheid gegen das Bürgerbegehren zu gewinnen. Ohne die Übernahme stünde man nach einer Abstimmung der Münchnerinnen und Münchner höchstwahrscheinlich vor der gleichen Situation wie jetzt. Im Klartext: Ganz egal, ob das Bürgerbegehren vom Stadtrat übernommen wird oder per Abstimmung der Münchner Bürgerschaft durchgesetzt wird, hat es im Ergebnis keine Auswirkungen. Denn die Stadtverwaltung und der Stadtrat wägen auch in Zukunft wie bereits in der Vergangenheit die wichtigen, aber widerstreitenden Ziele von Wohnungsbau und Grünflächenschutz gegeneinander ab.

SPD-Stadtrat Christian Köning hat daher zu Recht angemerkt, dass der gesamte Vorgang Anlass gibt, über die „demokratietheoretische Sinnhaftigkeit“ eines Bürgerbegehrens zur Bauleitplanung nachzudenken. In der Tat ist möglicherweise ein Großteil der 60.000 Münchnerinnen und Münchner, die für das Bürgerbegehren unterschrieben haben, schwer enttäuscht, wenn ihre erfolgreiche Initiative ohne greifbare Auswirkung auf die weitere Bautätigkeit in München bleibt.

Was ist der Grund für diese missliche Situation? Ich denke, die Initiatoren des Bürgerbegehrens hätten sich sofort gegen die sogenannte „Übernahme“ ihrer Forderungen durch den Stadtrat wehren müssen. Da ihr Ziel die Erhaltung aller aktuell bestehenden Grünflächen ist, hätten sie vor Gericht klären lassen müssen, ob solch ein absoluter Schutz als Rahmenvorgabe für die Bauleitplanung in München rechtlich unzulässig ist, so wie es die Stadtverwaltung behauptet. Wenn das der Fall ist – meine Zweifel daran habe ich bereits hier zum Ausdruck gebracht – hat die Bayrische Gemeindeordnung (insbesondere der Art. 18a) einen erheblichen Webfehler. Denn es ist nicht gut, wenn Bürgerinnen und Bürger glauben, mit ihrem Engagement und vielen Unterschriften direkt Einfluss auf die Kommunalpolitik nehmen zu können und sich dann herausstellt, dass diese Möglichkeit tatsächlich gar nicht besteht.

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