Wann platzt der Knoten?

Schon mehrfach wurde auf diesen Seiten über den schleppenden Ausbau der Photovoltaik auf Münchens Dächern berichtet. Anblicke wie hier sieht man immer noch sehr selten im Stadtbild:

Solaranlage auf den Wohnungen des „Lilienhofs“ in der Au (Quelle: Fraunhofer Institut)

Seit 2020 sind nur wenige neue Anlagen errichtet worden, sowohl auf privaten Mietshäusern, als auch auf den Immobilien der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Einmal mehr hat sich gestern der Stadtplanungsausschuss mit diesem Problem befasst. Die Debatte hat leider wenig Erkenntnisse geliefert, warum das so ist. Beim genauen Studium der Vorlage des Planungsreferats kann man jedoch erkennen, dass sich zumindest die Rahmenbedingungen für einen zukünftigen Ausbau der Solarenergie in München verbessert haben.

Ausgangspunkt war eine schriftliche Anfrage der ÖDP-Fraktion, was seit 2020 passiert ist, und ein Antrag der Rathauskoalition aus Grünen und SPD, um die Energiewende zusammen mit finanziellen Entlastungen der Mieter der städtischen Wohnungsbaugesellschaften voranzubringen.

Die Antwort auf die Anfrage der ÖDP liest sich so:

„Die GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH (GWG) teilt mit, dass in den Jahren 2020 und 2021 keine Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) [….] realisiert wurden.“ (Vorlage, S.9, Hervorhebung hinzugefügt)

Bei der anderen städtischen Wohnungsbaugesellschaft, der GEWOFAG, sieht es kaum besser aus:

„Laut GEWOFAG kam im Jahr 2020 eine PV-Anlage mit einer Leistung von 60,3 KW (Haidelweg 34-38) zum PV-Bestand der GEWOFAG hinzu. Im Jahr 2021 wurde eine PV-Anlage mit einer Leistung von 46,92 KW (Innsbrucker Ring 42) zusätzlich installiert. (Vorlage, S. 10, Hervorhebung hinzugefügt)

Zum Vergleich: angestrebt ist laut Stadtratsbeschluss von 2020 eine jährliche Installation von Solaranlagen auf 10% der Dachflächen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Das entspricht, wie Dominik Krause, Fraktionsvorsitzender der Grünen, im Ausschuss vorgerechnet hat, etwa einer jährlichen Installationsleistung von 12MW und damit mehr als dem Hundertfachen des tatsächlich erfolgten Ausbaus in den letzten zwei Jahren.

Nun sind Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien häufig sehr ehrgeizig und schwer umzusetzen, gerade in Zeiten von Lieferkettenproblemen und mangelnden Fachkräften. Allerdings zeigt die – sehr erfreuliche – Entwicklung des Gesamtausbaus der Solarenergie in Deutschland, dass der Nahezu-Stillstand beim Solarausbau der Münchner Wohnungsbaugesellschaften andere Gründe haben muss.

Monatliche Zuwächse der Solarleistung in Deutschland in 2022

Waren 2019 im Gesamtjahr nur etwas weniger als 4GW Solarleistung deutschlandweit hinzugekommen, sind es im Gesamtjahr 2022 voraussichtlich knapp 7 GW, mit über die Monate steigender Tendenz, vgl. das obige Diagramm.

Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich inzwischen verbessert. So wird in der Vorlage erläutert, dass Solaranlagen auf Mietshäusern bislang nur als sogenannte Mieterstrommodelle möglich waren. Dabei müssen sich die Mieter des Hauses, auf dem die Anlage installiert wird, verpflichten, den dort produzierten Strom selbst abzunehmen. Das sogenannte „Osterpaket“ der Ampelregierung hat diese Hürde beseitigt. Höhere Vergütungen von mehr als 10 ct/kWh machen die „Volleinspeisung“, bei der der gesamte Solarstrom ins allgemeine Netz fließt, wirtschaftlich deutlich attraktiver als bisher.

Nun hätte ich erwartet, dass es vor diesem Hintergrund zu einer intensiven Diskussion mit den anwesenden Geschäftsführern der GWG und der GEWOFAG kommt, um zu aufzuklären, warum es seit zwei Jahren nicht oder kaum vorangeht. Die CSU-Fraktion fand es jedoch wichtiger, in mehreren Redebeiträgen anzumerken, dass man zwar grundsätzlich für den Ausbau der Solarenergie sei, es sich aber eigentlich um ein „Randthema“ handle (CSU-Stadtrat Alexander Reissl), da das Problem der Grundlast im deutschen Stromnetz damit nicht gelöst werden könne. Im übrigen seien die Ausbauziele völlig unrealistisch.

Aus meiner Sicht ist genau das die Einstellung, der wir die verpassten 10 Jahre in der Energiepolitik zu verdanken haben. Alle Fragen, die Herr Reissl zum Problem der Grundlast gestellt hat, sind längst beantwortet (vgl. beispielweise diese Analyse hier). Und ob die Zielsetzung für den jährlichen Ausbau zu hoch ist, erscheint mir nachrangig, solange von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften so gut wie gar nichts installiert worden ist. Auf die Gegenfrage von Dominik Krause, welche Ziele aus Sicht der CSU-Fraktion angemessen seien, gab es dann auch keine Antwort.

Leider hat sich die Debatte im Ausschuss an diesen Themen festgefressen und eine wirkliche Diskussion mit den Verantwortlichen der Wohnungsbaufirmen ist nicht in Gang gekommen. Der am Ende mit den Stimmen der Rathauskoalition gefasste Beschluss ist daher nicht viel mehr als eine Wiederholung von 2020. Neu ist lediglich, dass die beiden Wohnungsbaugesellschaften nunmehr zusammen mit dem Stadtplanungsreferat umgehend schriftlich erläutern sollen, woran der Ausbau hakt und wie diese Hemmnisse abgebaut werden können.

Dazu passt folgender Ausschnitt aus Wikipedia:

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt forderte Bahnchef Rüdiger Grube vor 2015 auf, für kostenloses WLAN in Fernzügen zu sorgen. Nachdem es bis Frühjahr 2016 keine nennenswerten Fortschritte gegeben habe, machte Dobrindt dessen Vertragsverlängerung von der Umsetzung bis Ende 2016 abhängig.“

Im Zuge der jüngst vom Stadtrat beschlossenen Fusion von GWG und GEWOFAG wird auch eine neue Geschäftsleitung bestellt werden. Klare Zielvorgaben sowohl für den jährlichen Wohnungsbau als auch für den Solarausbau auf den Dächern der neuen Gesellschaft wären möglicherweise hilfreich.

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