Eine ernstzunehmende Empfehlung

Art. 18 der Bayrischen Gemeindeordnung verlangt, dass in jeder Gemeinde mindestens einmal im Jahr eine Bürgerversammlung stattfindet. In München gilt das für jeden Stadtbezirk. Gemäß Art. 18 (4) müssen dort verabschiedete Empfehlungen vom Stadtrat behandelt werden.

Im Juli 2021 hat die Bürgerversammlung des Stadtbezirkes Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt Folgendes beschlossen:

„München hat den Klimanotstand ausgerufen [….] . Eine der wichtigen Transformationen ist die Umstellung von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energie, wie etwa durch Solaranlagen. Bei bereits bestehenden Gebäuden sind Bebauungspläne eine Voraussetzung, um Neubauten oder alte Gebäude bei Dachsanierungen mit Solaranlagen auszustatten. Der Bezirksausschuss möge daher die Verwaltung mit der Erstellung von Bebauungsanträgen für den Bezirk beauftragen, um im nächsten Schritt auf die weitflächige Durchsetzung von Solaranlagen hinzuwirken […] “

(Hervorhebung hinzugefügt)

In der Sitzung des Stadtplanungsausschusses am vergangenen Mittwoch hat die Verwaltung dazu Stellung genommen. Die Ausführungen in der entsprechenden Vorlage sind zwar zutreffend, aber letztlich ebenso enttäuschend wie die Tatsache, dass es dazu keine Debatte im Ausschuss gab.

Zunächst wird erläutert, dass Bebauungspläne nur Neubauten betreffen. Im Oktober 2021 hat der Stadtrat beschlossen, dass

zukünftig bei allen Bebauungsplanverfahren Photovoltaik-Anlagen festzusetzen [sind]. […]. Dabei wird der Anteil an Neubauten in den Stadtbezirken unterschiedlich sein; nicht häufig wird ein Stadtbezirk geprägt sein von Ersterrichtungen bzw. Neuerrichtungen.

Da liegt das Problem. Bebauungspläne spielen für den zügigen Ausbau der Solarenergie auf Münchens Dächern kaum eine Rolle, da der Anteil der Neubauten im Vergleich zum Bestand sehr gering ist ( ~1% pro Jahr). Viel wichtiger ist die Nachrüstung von Photovoltaik-Anlagen auf vorhandenen Dachflächen. Dazu klärt die Vorlage das grundlegende Missverständnis der Bürgerversammlung auf:

Solaranlagen sind [….] als isolierte Vorhaben verfahrensfrei. Das heißt, wenn sich z.B. ein Eigentümer*in dazu entschließt, eine Solaranlage auf dem Dach (nachträglich) zu errichten, so ist dies ohne Durchführung eines Baugenehmigungsverfahren möglich.

Das ist eine ganz wesentliche Feststellung. Wer eine Solaranlage auf sein Dach montieren will, kann dies sofort tun. Eine staatliche Genehmigung oder einen Bebauungsplan braucht es dafür nicht.

Ist damit alles gut? Keineswegs, denn die geforderte weitflächige Durchsetzung von Solaranlagen“ ist in München nicht einmal im Ansatz zu erkennen, weder auf Privathäusern noch auf Immobilien, die der Stadt oder ihren Wohnungsbaugesellschaften gehören. Wer das nicht glaubt, kann sich mit wenigen Klicks einen aktuellen Überblick auf dem Geoportal der Stadt München verschaffen.

Karte mit dem individuellen Solarpotential für jede Dachfläche in München (Quelle: Geoportal München). Die grüne Farbe zeigt eine sehr gute Eignung für Photovoltaik an, orange zumindest gute Ertragsmöglichkeiten. Genutzt wird davon kaum etwas.

Nicht nur der Ausschnitt oben, sondern die Karte von ganz München zeigt, wieviel ungenutztes Potential zur Stromerzeugung vorhanden ist. Das liegt an einem weitverbreiteten Desinteresse der privaten Eigentümer und – leider – auch der Stadt und ihrer Wohnungsbaugesellschaften. Zwei Beispiele:

  • In Giesing hat vor einigen Jahren auf dem alten Agfa-Fabrikgelände ein Investor ein neues Wohnquartier gebaut. In der Solarpotentialkarte sieht das so aus:
Ausschnitt aus der Solarpotentialkarte für ein Neubauquartier in Giesing (Quelle: Geoportal München). Offensichtlich ein perfekter Standort für die Solarenergie

Die entsprechende Luftaufnahme lässt kein einziges Photovoltaikmodul erkennen. Stattdessen einfache Flachdächer mit spärlicher Dachbegrünung (Moosflechten auf Kies). Das nützt weder dem Stadtklima noch der regenerativen Stromversorgung.

Ungenutzte Dachflächen im Giesinger Neubauquartier (Quelle: Geoportal München)

Für eine erfolgreiche Energiewende müssten auf so einem großflächigen Idealstandort umgehend Solarmodule installiert werden.

  • Auch die GEWOFAG, eine der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, hat es bislang vielfach versäumt, Solarmodule auf ihren zahlreichen Häusern zu installieren, selbst dann, wenn die Dächer vor kurzem neu gedeckt worden sind. So wurden in Harlaching vor einigen Jahren die GEWOFAG Wohnungen auf der Südseite der Naupliastraße aufwändig saniert. Der Vergleich zwischen Solarpotentialkarte und Luftaufnahme zeigt einmal mehr, welche Möglichkeiten immer noch ungenutzt bleiben:
Solarpotentiale auf den Dachflächen der GEWOFAG-Wohnungen in der Naupliastraße. (Quelle: Geoportal München). Nach Südosten geneigte Dächer (grün) bieten ideale Voraussetzung für die Photovoltaik.

Das Bild oben illustriert zudem eine weitere Funktion der Solarpotentialkarte. Für das Haus mit der schwarzen Markierung wird per Mausklick angegeben, wieviel Strom pro Jahr produziert werden könnte. Hier sind es für ein einzelnes Mehrfamilienhaus immerhin mehr als 8500 KWh und damit der gesamte jährliche Stromverbrauch von 2 – 3 Familien.

Realisiert worden ist davon allerdings bei der umfangreichen Sanierung nichts, wie die entsprechende Luftaufnahme zeigt:

Renovierte Häuser der GEWOFAG auf der Südseite der Naupliastraße (Quelle: Geoportal München). Die silbernen Flächen sind die bei der Dachsanierung eingebauten Gauben. Photovoltaikmodule findet man keine.

Die beiden Beispiele zeigen, dass der schleppende Ausbau der Photovoltaik auf Münchens Dächern durchaus problematisch ist und eine Erörterung in der Vorlage des Planungsreferats verdient hätte. Anlässlich der Forderung der Bürgerversammlung nach einer „weitflächigen Durchsetzung von Solaranlagen“ hätte man im Ausschuss einmal gründlich über konkrete Ausbauziele der Photovoltaik auf Münchner Dächern debattieren können, zumindest für die Flächen städtischer Immobilien und der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaften. Denn ehrgeizige Zielvorgaben wie ein klimaneutrales München bis 2035 bringen nichts, wenn die konkrete Umsetzung des Umstiegs auf regenerative Energien weiterhin kaum vorangeht.

Das Thema betrifft aber nicht nur den Stadtrat und die Verwaltung. Mit der oben erläuterten Solarpotentialkarte verfügt jeder Eigentümer einer Immobilie über ein einfaches Tool, um den möglichen eigenen Beitrag für eine zügige Energiewende zu erfassen. Daraus ergibt sich aber auch die Verantwortung, bei diesem Thema die notwendigen Schritte endlich in Angriff zu nehmen.

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