Solaranlagen auf Mietshäusern – ein modernes Bermudadreieck

Die Notwendigkeit der Energiewende ist inzwischen eine Binsenweisheit. Aber immer dann, wenn es um die konkrete Umsetzung geht, treten Schwierigkeiten auf. Neue Windkraftanlagen an Land werden kaum noch genehmigt und die Stromleitungen aus Norddeutschland will auch niemand in seiner Nähe haben. Solarparks auf der grünen Wiese sind zwar kostengünstig, haben aber einen hohen Flächenverbrauch. Einzig Solaranlagen auf Dachflächen sind weitgehend akzeptiert und stoßen kaum auf Widerstand der Anwohner. Da sollte man doch meinen, dass in München die Anzahl der Solaranlagen auf den Dächern der Stadt rasant steigen müsste.

Jedoch sieht München von oben über weite Teile immer noch so aus:

Eine typische Münchner Dachlandschaft, hier aus Sendling (Quelle: Google Maps)

Auch in ganz neuen Stadtteilen wie der Messestadt Riem ist es nicht besser:

Dächer in der Messestadt Riem (Quelle: Google Maps)

Solaranlagen findet man beim Blick auf München von oben etwa so häufig wie Eier an Ostern. Es gibt sie, aber man muss sie ernsthaft suchen.

Warum ist das so ? Die einfache Antwort lautet: Es liegt an der Eigentümerstruktur. Während die Stadt auf eigenen Gebäuden, beispielsweise Schulen, regelmäßig Solaranlagen installiert und auch auf vielen Privathäusern Solarstrom erzeugt wird, hinkt der Ausbau auf den großen Dachflächen von Mietshäusern deutlich hinterher. Und das gilt auch für die Gebäude der städtischen Wohnungsbaugesellschaften.

Es ist daher zu begrüßen, dass die Grünen und die CSU Anfang 2019 einen Antrag im Stadtrat eingebracht haben, der an Klarheit kaum zu überbieten ist:

Die Verwaltung wird beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, um auf den Dächern der städtischen Wohnungsbaugesellschaften Photovoltaikanlagen zu errichten und dabei die Mieterinnen und Mieter bzw. die Bürgerinnen und Bürger der Stadt mit einzubeziehen. Die Zielvorgabe dabei ist
• auf allen Neubauvorhaben PV-Anlagen zu installieren und
jährlich auf 10% der Bestandsgebäude PV-Anlagen nachzurüsten.
Bis 2030 soll der
gesamte Bestand an Wohngebäuden der GWG und GEWOFAG mit PV-Anlagen ausgerüstet sein.“ (Hervorhebung hinzugefügt)

In der Sitzung des Stadtplanungsausschusses vom vergangenen Mittwoch wurde dieser Antrag behandelt. Der daraufhin ergangene Beschluss erscheint mir jedoch völlig verwässert, so dass auch in Zukunft nicht mit einem schnellen Ausbau der Solarenergie auf den Dächern der Münchner Wohnungsbaugesellschaften zu rechnen ist. Um zu erklären, warum das so ist, muss ich etwas länger ausholen:

Grundsätzlich befassen sich die Verwaltung und die Stadtwerke München schon länger mit diesem Thema, auch aufgrund früherer Anträge aus dem Stadtrat. Weil die staatliche Förderung von Solaranlagen in den letzten Jahren erheblich zurückgefahren worden ist, hat die Stadtverwaltung zusammen mit den Stadtwerken einen Ansatz verfolgt, bei dem Solaranlagen auf Mietshäusern als sogenannte Mieterstromanlagen installiert werden. Dabei beziehen die Mieter ihren Strom vom Dach ihres Mietshauses und entlasten dadurch das allgemeine Stromnetz. Diese Art von Solaranlagen wird unter anderem dadurch bundesweit gefördert, dass die Abnehmer für den Mieterstrom kein Netznutzungsentgelt zahlen müssen, was den Strom spürbar günstiger machen soll.

Allerdings entsteht dadurch ein Bermudadreieck an Beteiligten, das im Ergebnis den Aufbau und Betrieb solcher Anlagen enorm schwierig macht:

  • Da sind zum Einen die Hauseigentümer, d.h. die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Ihnen gehören die Dachflächen. Diese Unternehmen haben keine Erfahrung und auch keine Ressourcen, um als Stromverkäufer aufzutreten und beispielsweise das Inkasso von Stromrechnungen bei ihren Mietern zu übernehmen. Zudem müssten sie, wenn sie selbst als Betreiber auftreten würden, Gewerbesteuer zahlen und das sogar für ihre Mieteinahmen.
  • Ferner gibt es den Betreiber einer solchen Dachanlage. Im München könnten das die Stadtwerke sein, die sich ja auf breiter Front für erneuerbare Energien einsetzen. Sie müssten dazu die Dachflächen pachten und den Bau und Betrieb der Anlage mit dem Hauseigentümer abstimmen, beispielsweise bei einer Dachreparatur.
  • Und schließlich braucht es in jedem Haus genügend Mieter, die bereit sind, sich auf dieses Modell einzulassen und tatsächlich solchen Mieterstrom zu beziehen.

Es liegt auf der Hand, dass die erfolgreiche Abstimmung aller Beteiligten nur im Ausnahmefall gelingen kann. Es überrascht daher auch nicht, wenn man in der Vorlage der Verwaltung folgenden Satz findet:

Die SWM haben zwischenzeitlich ein Konzept für Mieterstrom entwickelt, jedoch noch kein Projekt im Bereich Wohnen umsetzen können“ . (Hervorhebung hinzugefügt)

München steht dabei nicht alleine. Auch der Wikipediaeintrag zum Stichwort „Mieterstrom“ kommt zu dem ernüchternden Ergebnis:

Dieses Fördermodell hat sich bislang als nicht erfolgreich erwiesen.“

Warum das jetzt auf einmal ohne Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen anders werden soll, ist für mich nicht erkennbar. Vielleicht gelingt es ja in den nächsten Jahren, ein oder zwei weitere Anlagen auf diese Weise zu errichten. Ein spürbarer Beitrag zur Energiewende wird damit aber sicher nicht erreicht werden. Auch die Stadträte haben ihre Forderungen nach einem schnellen Ausbau der Solarenergie auf Mietshäusern offensichtlich mehr oder weniger begraben, wenn es im ergangenen Beschluss nur noch heißt:

Die SWM werden gebeten, zusammen mit der GWG und GEWOFAG und der Koordinierungsstelle für Solarenergie basierend auf der oben genannten Gebäudeliste zeitnah einen Umsetzungsplan zu erarbeiten, wie das Ziel der Zubauraten in Höhe von etwa 10% r.a. für die Nachrüstung der Bestandsgebäude mit Photovoltaik-Anlagen kurz- und mittelfristig erreicht werden kann. Der Umsetzungsplan soll im ersten Schritt konkrete Maßnahmen
und Zielvorgaben für die Jahre 2020 und 2021 enthalten. Über die Ergebnisse soll einmal jährlich berichtet werden
“ .

Zeitnah ist nicht mehr der Ausbau der Solarenergie, sondern nur die Erstellung eines Umsetzungsplans. Und das Ziel, bis 2030 den gesamten Bestand an Gebäuden der städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit Solaranlagen zu versehen, ist einfach aufgegeben worden.

Dass es auch anders geht, zeigt der Blick über den Stadtrand. Schaut man zum Beispiel auf das Quartier Vauban, einen neu erbauten Stadtteil Freiburgs, zeigt sich folgendes Bild:

Solaranlagen auf den Dächern von Häusern im Quartier Vauban in Freiburg (Quelle: Google Maps)

Ob hier ein Mieterstrommodell zum Einsatz gekommen ist, oder die Anlagen auf andere Weise entstanden sind, weiß ich leider nicht. Vielleicht sollten die Stadträte sich bei ihren Kollegen in Freiburg dazu informieren, damit es endlich auch in München mit der Solarenergie vorangeht.