Der neue Klimafahrplan der Stadtplanung – ein kleiner Schritt in die richtige Richtung

Über die ehrgeizigen Ziele der Stadt München beim Klimaschutz habe ich bereits berichtet. Bis 2035 will München klimaneutral sein. Netto soll ab diesem Zeitpunkt kein CO2 mehr emittiert werden. Das erfordert enorme Anstrengungen auf allen Gebieten der Stadtpolitik. In der heutigen Sitzung der Stadtplanungsausschusses wurde dazu eine Vorlage zum „Klimafahrplan in der Stadtplanung“ mit „Maßnahmen in der Stadtentwicklungsplanung, Bebauungsplanung, Wohnungsbauförderung und Stadtsanierung“ diskutiert und verabschiedet. Das klingt nicht nur gut, es ist in der Tat ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Allerdings bleibt die Hauptfrage, wie die CO2-Emissionen der bereits vorhandenen Wohnungen in München auf Null gebracht werden soll, völlig ungeklärt.

Im Folgenden wird der neue Klimafahrplan der Stadtplanungsreferats kurz vorgestellt, bevor anhand einiger Zahlen dargelegt wird, warum der Weg zum klimaneutralen München noch sehr sehr weit ist.

Zentrale Aufgabe der Stadtplanung ist die sogenannte Bauleitplanung. Damit steuert die Verwaltung zusammen mit dem Stadtrat die Bautätigkeit in München, sowohl auf eigenen Flächen als auch auf Grundstücken privater Investoren. Dazu dienen Flächennutzungspläne, Aufstellungsbeschlüsse, städtebauliche Wettbewerbe und Bebauungspläne, in denen festgelegt wird, was wo wie in München gebaut werden darf. Gegenstand der Bauleitplanung ist in der Regel ein „Quartier“, d.h. ein Teilgebiet eines Stadtviertels.

Mit dem neuen Klimafahrplan soll der Klimaschutz auf sämtlichen Stufen der Planung berücksichtigt werden.

Verankerung des Klimaschutzes in der Bauleitplanung (graue Linien von links nach rechts)
(Quelle: Vorlage des Stadtplanungsreferats)

Ohne auf die Details einzugehen, kann man sehen, dass die Berücksichtigung des Klimaschutzes ebenso wie die Anpassung an den Klimawandel sich ab jetzt durch die gesamte Bauleitplanung zieht.

Ein konkretes Beispiel sind die gestiegenen Anforderungen an Teilnehmer eines städtebaulichen Wettbewerbs. Hier müssen ab sofort folgende Aspekte berücksichtigt werden:

– Dachflächenkonzeption (Energie- und Grünkonzept)
– Flächenbereitstellung für dezentrale Energie, Wärme-/ Kälteversorgung
– Energieeffizienz der Gebäude
– Konzept zur Durchlüftung und zu Freihaltezonen (Klimaanpassung)
– Großbaumstandorte
– Konzept zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung
– Flächenbereitstellung für den Umweltverbund, insbesondere für den ÖPNV
– Rad- und Fußwegekonzept
– Konzept Quartiersgaragen und Fahrradparken
– Konzept zur Reduzierung der öffentlichen und privaten Flächen für den motorisierten Individualverkehr

Noch konkreter ist die Anforderung, alle Neubauten auf städtischem Grund als sogenannte KfW Effizienzhäuser 40 (Plus) zu errichten. Solche Gebäude erzeugen durch die integrierte Photovoltaikanlage mehr Energie als sie verbrauchen.

All das wird beim Wohnungsbau Zeit und Geld kosten. Und genau darum hat sich die Diskussion im Ausschuss gedreht. Werden die zusätzlichen Anforderungen des Klimaschutzes die Fertigstellung der geplanten 8000 neuen Wohnungen pro Jahr verzögern und verteuern? Das waren die Befürchtungen von FDP und CSU, die die Vorlage letztlich abgelehnt haben – allerdings ohne irgendeine Alternative aufzuzeigen, wie der Klimaschutz beim Neubau verwirklicht werden könnte. Auch aus der SPD waren einige Bedenken zu hören, aber man möchte es in Anbetracht der Bedeutung des Klimaschutzes zunächst mit dem neuen Klimafahrplan versuchen und prüfen, ob sich Baugenehmigungen und Fertigstellungen in der Tat spürbar verzögern.

Aus meiner Sicht ist auf einen gewissen Gewöhnungseffekt zu hoffen. Bauträger und Architekten werden sich – auch mit Hilfe eines geplanten Leitfadens der Stadt – schnell an die neuen Anforderungen anpassen. Fraglich ist jedoch, ob es der städtischen Verwaltung gelingt, ihre eigenen Prüf- und Genehmigungsverfahren in allen beteiligten Referaten so effizient zu gestalten, dass der Klimaschutz den dringend erforderlichen Wohnungsbau nicht ausbremst.

In jedem Fall sind die zu erwartenden Wirkungen des heute verabschiedeten Klimafahrplans sehr überschaubar. Denn selbst wenn ab sofort jedes Jahr tatsächlich 8000 klimaneutrale Wohnungen gebaut werden, gibt es einen Bestand von über 800.000 (!!) Wohnungen in München, die in weiten Teilen alles andere als klimaneutral sind. Ohne zusätzliche Maßnahmen würde es 100 Jahre dauern, bis der Anteil der klimaneutralen Neubauten gerade einmal 50% des gesamten Wohnungsbestands erreicht. Es liegt daher auf der Hand, dass die energetische Sanierung des Wohnungsbestandes für das Erreichen der Klimaziele eine viel größere Bedeutung hat als der Neubau.

In der Vorlage findet sich dazu eher wenig. Nicht einmal eine klare Perspektive, wie in den verbleibenden 14 Jahren bis 2035 die etwa 67.000 Wohnungen der beiden stadteigenen Wohnungsbaugesellschaften so saniert werden, dass deren CO2-Ausstoß drastisch reduziert wird. Beschrieben wird lediglich die exemplarische Sanierung einer Handvoll Quartiere in den letzten Jahren, gefolgt von der Erkenntnis, dass für die angestrebte Klimaneutralität jährlich bis zu 30 weitere Quartierskonzepte entwickelt und in die weitere Umsetzung geführt werden [müssten]“. Das erscheint mit den bisherigen Ressourcen kaum vorstellbar.

Die heutige Debatte hat gezeigt, dass sich die Stadträtinnen und Stadträte und auch der Oberbürgermeister dieses (Riesen-) Problems durchaus bewusst sind. Von der Leiterin des Stadtplanungsreferats wurde zur Bestandssanierung eine separate Vorlage angekündigt. Vielleicht sind dann – mit dem Rückenwind der neuen Bundesregierung – erste Ansätze zu erkennen, wie die Stadt München den CO2-Ausstoß ihres eigenen und des privaten Wohnungsbestand innerhalb von 14 Jahren auf Null bringen will.

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