Wege zum Klimaschutz in München

Klimaschutz ist in aller Munde. Da überrascht es nicht, dass auch München ehrgeizige Ziele hat. Bis 2035 soll die Landeshauptstadt klimaneutral sein und damit weit früher als Bayern (2040) oder Deutschland (2045). Bei diesem Überbietungswettbewerb der Klimaziele fragt man sich, wie das gelingen kann. Denn Klimaneutralität bedeutet:

ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen.“ (Definition des Europ. Parlaments)

Da es in München nach offiziellen Zahlen immer weniger Bäume gibt, die als Kohlenstoffsenken dienen, lässt sich Neutralität nur erreichen, wenn bis 2035 fast alle CO2-Quellen stillgelegt werden. In der Sitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt am vergangenen Dienstag wurden dafür die ersten Grundlagen geschaffen. Gegenstand einer umfangreichen Vorlage des zuständigen Referats war die Einführung einer Klimasatzung und eines Klimarates für München. Daneben werden auch erste konkrete Maßnahmen erläutert, mit denen in München bis 2035 große CO2-Einsparungen erreicht werden sollen.

Mit der Klimasatzung gibt sich die Verwaltung ein internes Regelwerk, wie Klimaschutz in München umgesetzt werden soll :

  • Die Stadtverwaltung selbst will schon 2030 klimaneutral werden. Das wird schwierig. Laut Vorlage fallen pro Jahr für Heizung, Verkehr der Mitarbeiter, etc. 160.000 Tonnen CO2 an. 330.000 Tonnen CO2 verursachen beschaffte Güter und Dienstleistungen. Ob es realistisch ist, diese Zahlen auf Null zu bringen, wird man erst anhand der Entwicklung der nächsten Jahre abschätzen können.
  • Die Treibhausgasemissionen (THG) der gesamten Stadt München sollen fortlaufend erfasst werden. Das wurde auch bislang schon versucht, vgl. folgendes Schaubild:
Entwicklung der Treibhausgasemissionen in München pro Kopf seit 1990, 2030 und 2035 als Ziele (Quelle: Vorlage zum Monitoring aus 2020)

Allerdings sind die Regeln zur Erfassung von Treibhausgasen einer Gemeinde noch in der Entwicklung. Seit 2017 wird der sogenannte BISKO-Standard angewendet, der jedoch immer noch ergänzt wird. Richtig vergleichbar werden die THG-Zahlen erst, wenn der Standard endgültig festliegt.

  • Nach § 11 der Klimasatzung wird ein Klimarat geschaffen, der mit fünf Mitgliedern des Stadtrats und sechs Mitgliedern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft besetzt wird. Er „nimmt Stellung zu Grundsatzentscheidungen der Stadt im Klimaschutz und ist kritisch-konstruktiver Begleiter und Berater [….] bei der Fortschreibung der städtischen Klimastrategie“ . Das finde ich gut. Denn bei den komplizierten Fragen des Klimaschutzes ist Input aus Wissenschaft und Wirtschaft unbedingt nötig, um zügig Maßnahmen zu identifizieren, die in München bei geringstem Aufwand die größte Wirkung haben.

Die Diskussion in der Sitzung am Dienstag ging lange um die Frage, wie viele Stadtratsmitglieder im Klimarat vertreten sein sollen. Naturgemäß verlangen die kleinen Fraktionen mehr Mitglieder, damit auch sie eine Person dorthin entsenden können. Aus meiner Sicht geht es jedoch nicht darum, die Mehrheitsverhältnisse des Stadtrats genau abzubilden, sondern sicherzustellen, dass der Klimarat nicht losgelöst von den begrenzten Möglichkeiten der Kommunalpolitik arbeitet. Empfehlungen, die sich rechtlich nicht umsetzen lassen, helfen nicht weiter. Das wissen Stadtratsmitglieder aller Fraktionen.

Im Ergebnis halte ich die neue Klimasatzung und den Klimarat für sinnvolle Instrumente, um den Klimaschutz in München voranzubringen. Allerdings ist dies nur der erste Schritt. Entscheidend wird sein, welche konkreten Maßnahmen mit der bereits angekündigten „Grundsatzentscheidung II“ im Herbst auf den Weg gebracht werden. Die am Dienstag präsentierte Vorlage und die Klimasatzung lassen aber schon jetzt erkennen, worauf es ankommt:

  • Ein ganz wichtiger Punkt ist die Umstellung auf eine CO2-freie Wärmeversorgung der Münchner Haushalte. Zwar konnten in den letzten Jahren erhebliche Einsparungen erreicht werden, indem alte Öl- oder Gasheizungen durch modernere Gas-Brennwertkessel ersetzt wurden. Allerdings sind auch diese Geräte nicht CO2-neutral, sondern blasen pro Jahr und Haushalt mehrere Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Das kann unter dem Vorzeichen der angestrebten Klimaneutralität keine Zukunft haben. Viele Hauseigentümer in München sollten sich schon jetzt überlegen, wann sie bis 2035 die erforderliche fünfstellige Summe ausgeben, um ihre (möglicherweise gar nicht so alte Gas-) Heizung gegen eine Wärmepumpe auszutauschen, die mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden kann.
  • Die Stadt München wird ihre Fernwärme weiter auf Geothermie umstellen. Allerdings bin ich gespannt, ob der Ausbau tatsächlich so schnell geht, dass damit schon 2035 der gesamte Fernwärmebedarf gedeckt werden kann. Andernfalls bleibt es auch hier beim Einsatz von Gas oder Kohle und damit großen CO2 Emissionen. Die angekündigte Grundsatzentscheidung II sollte dazu mehr Klarheit bringen und vielleicht auch erste Schätzungen für die Kosten dieser Mammutaufgabe.
  • 100% grünen Strom für Wärmepumpen, Industriebetriebe, Elektrofahrzeuge, etc. in München kann es nur geben, wenn die regenerative Stromerzeugung massiv zunimmt. Die Vorlage des Referats verweist auf eine große Studie von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut, wie Deutschland bis 2045 klimaneutral werden könnte. Ein lesenswertes Dokument, das viel zu umfangreich ist, um hier weiter erläutert zu werden. Daher nur der folgende Ausschnitt aus Abbildung 10 der Studie:
Plan für den erforderlichen Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2045
(Quelle: Studie „Klimaneutrales Deutschland“)

Danach müssen die Kapazitäten der Windkraft an Land verdreifacht werden und in Nord- bzw. Ostsee mehr als verzehnfacht werden. München wird nur dann klimaneutral, wenn im Stadtgebiet die Nutzung der Solarenergie mindestens so steigt wie im Schaubild dargestellt, d.h. um einen Faktor acht. Und zwar kraft Münchner Beschlusslage bereits bis 2035, also zehn Jahre schneller als oben dargestellt.

Was dazu erforderlich ist, kann man aktuell in Baden-Württemberg sehen, wo die gesetzliche „Solarpflicht“ kurz vor der Einführung steht. Danach müssen Häuser nicht nur im Neubau, sondern auch im Bestand bei Dachsanierungen mit einer Solaranlage versehen werden. Die geschätzten Kosten pro Einfamilienhaus liegen wiederum im fünfstelligen Bereich, allerdings mit der Hoffnung auf Amortisation über 10 – 15 Jahre durch ersparte Stromkosten oder Einspeisevergütungen.

Wer nun meint, dass ihn als Mieter dieses Thema nicht betrifft, sollte auf seine nächste Nebenkostenabrechnung schauen. Die wird aufgrund der CO2-Steuer bereits in 2021 steigen. Der Aufschlag wird sich in den nächsten Jahren mehr als verdoppeln von 25 EUR pro Tonne CO2 auf 55 EUR und mehr ab 2025.

Allerdings – und das ist die gute Nachricht für viele Münchnerinnen und Münchner am Ende dieses Beitrags – hat der Stadtrat mit Ausnahme der FDP-Fraktion durchaus erkannt, dass die Lasten für die angestrebte Klimaneutralität angemessen verteilt werden müssen. Durch einen Änderungsantrag von SPD und Grünen wurde § 1 der neuen Klimasatzung wie folgt ergänzt:

„§ 1 (4) Klimaschutz ist immer mit sozialer Gerechtigkeit verbunden. München setzt seine Klimaziele nachhaltig um. Das heißt im Dreiklang der sozial, ökologisch und ökonomisch dauerhaft nachhaltigsten Weise.
[….].

§ 1 (5) Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Münchner Gewerbetreibenden werden entsprechend ihrer individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei der Erreichung der Klimaziele beteiligt.“ (Hervorhebungen hinzugefügt)

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