Kinderbetreuung – Muss man wirklich alles fördern?

Die Suche nach Krippen- oder Kindergartenplätzen ist in München nicht einfach. Zwar hat sich die Lage in den letzten Jahren deutlich verbessert, aber der Versorgungsgrad ist in vielen Stadtteilen immer noch unzureichend. Daher versucht die Stadtverwaltung ständig, ihre eigenen Betreuungskapazitäten zu steigern. Gleichzeitig werden Einrichtungen privater Träger mit erheblichen Mitteln gefördert. So standen am Dienstag auf der Tagesordnung des Ausschusses für Kinder- und Jugendhilfe zwei neue städtische Projekte sowie Zuschüsse für insgesamt vier private Neubauten. Schaut man sich die entsprechenden Unterlagen im Detail an, kann man jedoch ins Staunen kommen, wer mit einem Millionenbetrag in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte gefördert wird.

Bei den nicht-städtischen Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen gibt es verschiedene Anbieter. Beispielsweise betreiben die beiden Kirchen zahlreiche Kindergärten. Vielfach haben sich auch Eltern zusammengetan und selbst eine gemeinnützige Kita aufgebaut. Inzwischen gibt es aber auch eine wachsende Anzahl kommerziell betriebener Krippen und Kindergärten, darunter einige, die monatliche Gebühren im vierstelligen Bereich verlangen.

Dagegen ist aus meiner Sicht nichts einzuwenden. Kinderbetreuung und frühkindliche Erziehung sind Dienstleistungen, deren Preis, wenn sie von privater Seite angeboten werden, durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Wer sich beispielsweise als „bilinguale Premium-Kita“ versteht, ausgestattet mit „Bibliothek und Sauna“ für die Kleinen sowie einem eigenen Koch, der jeden Tag „Lebensmittel ausschließlich aus regionaler und biologisch-dynamischer Landwirtschaft“ frisch zubereitet, kann für eine Ganztagesbetreuung in München ohne Probleme weit über 1200 EUR verlangen, zzgl. einer Verpflegungspauschale von 161 EUR. Da bleibt man dann auch unter sich, wie mit entsprechenden „Testimonials“ zufriedener Eltern zum Ausdruck gebracht werden soll:

Als Unternehmerpaar bietet […..] genau den passenden Betreuungsansatz für uns: Absolute Flexibilität, anspruchsvolle Pädagogik und einen tollen Rundum-Service.

Die Kids sind bei […] einfach super aufgehoben. Es macht ihnen sehr viel Spaß jeden Tag. Und wenn ich es mal nicht ganz pünktlich schaffe, werde ich auch nicht schief angeguckt. Dr. [….] Geschäftsführerin.

Nur, muss solch eine Einrichtung mit einem Millionenbetrag durch Steuergelder gefördert werden, insbesondere in Zeiten, in denen jeder Euro zweimal umgedreht werden muss ?

Bei den Betriebskosten erfolgt eine Förderung durch die Stadt München nur dann, wenn die Gebühren abhängig vom Einkommen der Eltern gestaffelt sind und bestimmte Höhen nicht überschreiten oder es sich um eine gemeinnützige Eltern-Kind-Initiative handelt. Dem liegt der Grundgedanke zugrunde, dass öffentliche Fördergelder nur dann eingesetzt werden sollten, wenn eine Betreuungseinrichtung breiten Bevölkerungskreisen zugänglich ist. Kommerzielle Krippen bzw. Kindergärten, die aufgrund ihrer Gebührenhöhe den weitaus größten Teil der Elternschaft ausschließen, gehören nicht dazu.

Anders sieht die Situation bei den Investitionskosten aus. Gemäß einer der Vorlagen für die Sitzung am Dienstag soll die private Kinderbetreuungseinrichtung, von deren Website die obigen Zitate stammen, für einen Neubau in Harlaching einen Baukostenzuschuss von 1,7 Mio EUR erhalten. Dabei handelt es sich nicht um einen Kredit, sondern um eine direkte Auszahlung. Dafür verpflichtet sich die geförderte GmbH für 25 Jahre dort eine Krippe und einen Kindergarten zu betreiben. Damit bezahlt die Stadt München den größten Teil der Baukosten einer kommerziellen Betreuungseinrichtung, die aufgrund ihrer Gebühren nur einem ganz kleinen Teil der Münchner Bevölkerung zugänglich sein wird und deren Betreiber nach 25 Jahren frei über eine Immobilie in Bestlage verfügen können. In der Vorlage wird zwar darauf hingewiesen, dass Teile oder sogar der gesamte Betrag durch den Freistaat Bayern refinanziert werden. Doch auch dort sind die Mittel begrenzt, insbesondere in Zeiten einer Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Folgen.

Nun könnte man einwenden, dass mit dieser Förderung immerhin Betreuungsplätze geschaffen werden, von denen es immer noch zu wenige gibt, auch in Harlaching. Dem ist entgegenzuhalten, dass man mit dem genannten Betrag auch andere Träger unterstützen könnte, die Betreuungsangebote für Kinder schaffen, die nicht nur aus einer ganz exklusiven Bevölkerungsgruppe kommen. Aus meiner Sicht gilt hier nichts anderes als bei der Förderung von Wohnraum, der in München ebenfalls knapp ist. Da käme niemand auf den Gedanken, einem Investor 60% der Baukosten für Luxuswohnungen zu bezuschussen mit dem Argument, dass damit jedenfalls neuer Wohnraum geschaffen wird.

Möglicherweise ist der Grund für diese verfehlte Förderung, dass es bislang keine Regeln gibt, mit der ein Investitionskostenzuschuss für Kinderbetreuungseinrichtungen an eine sozialverträgliche Gebührenstruktur gekoppelt wird. Die Ablehnung der Förderung im Einzelfall durch den Stadtrat könnte daher rechtlich problematisch sein und vor Gericht scheitern. Im Ergebnis wird jetzt ein siebenstelliger Betrag für eine Einrichtung aufgewendet, die sicher nicht dazu dient, die Stadtgesellschaft zusammenzuführen. Denn die so wichtige soziale Durchmischung wird dort eher verhindert als gefördert.

Wirklich überraschend war für mich, dass keine der Stadtratsfraktionen im Ausschuss dazu Stellung genommen hat. Im Gegenteil, die Vorlage wurde ohne jeden Einwand einfach durchgewunken. Maßgeblich war wohl die Überlegung, dass bei einer kompletten Refinanzierung des Zuschusses durch den Freistaat die Stadt ohne eigenen Kosten zusätzliche Krippen- und Kindergartenplätze bekommt – egal welcher Art.