Dauerproblem Verpackungsmüll

Wer einmal in Kalabrien gewesen ist, weiß, wie es aussieht, wenn Müllentsorgung nicht funktioniert: Überall liegt Plastikmüll, ohne dass sich jemand dafür verantwortlich fühlt. Wertstoffinseln sind selten zu finden. Zudem ist unklar, ob ihr Inhalt nicht einfach wie anderer Abfall am Stadtrand verbrannt wird. Das ist in München anders. Aber auch hier gibt es – auf viel niedrigerem Niveau – ähnliche Probleme, nämlich die Beeinträchtigung des Stadtbilds durch vermüllte Wertstoffinseln und die Unsicherheit, was mit den dort gesammelten Wertstoffen passiert. Die Diskussion im Kommunalausschuss am vergangenen Donnerstag hat deutlich gezeigt, was sich ändern muss und wo bei diesem Thema die Grenzen der Kommunalpolitik liegen.

Grundsätzlich sind bei der Entsorgung von Wertstoffen zwei verschiedene Aspekte zu unterscheiden:

– Zum einen geht es darum, wie Wertstoffe eingesammelt werden. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob München nicht in Zukunft das System der Wertstoffinseln zugunsten einer gelben Wertstofftonne oder eines gelben Sacks für jeden Haushalt aufgeben sollte. Die im Ausschuss präsentierte Vorlage spricht sich dagegen aus. Gelbe Säcke auf der Straße verschandelten das Stadtbild und im Fall einer gelben Wertstofftonne seien die Entsorgungsunternehmen nicht bereit, diese an ihrem regulären Standplatz abzuholen, so wie es die städtische Müllabfuhr gegenwärtig für die drei anderen Münchner Abfalltonnen (Papier-, Bio- und Restmüll) übernimmt. Vor diesem Hintergrund fand der Antrag der FDP Fraktion, lokal begrenzt einen Pilotversuch mit einer gelben Wertstofftonne zu starten, keine Mehrheit im Stadtrat.

Aus meiner Sicht sind die Vor- und Nachteile der Verwendung von Wertstofftonnen / gelben Säcken bzw. Wertstoffinseln schwer gegeneinander abzuwägen: Neben dem Einfluss auf das Stadtbild ist auch die erreichte Recyclingquote zu berücksichtigen. So ist in anderen Städten mit gelber Wertstofftonne /gelbem Sack zwar der Anteil der Wertstoffe am gesamten Müllaufkommen höher als in München, aber die Sortenreinheit und damit die Recyclingmöglichkeiten sind in München besser, wo die Wertstoffe an den Inseln getrennt gesammelt werden.

Laut Stadtratsbeschluss am Ende der Sitzung bleibt es bis auf weiteres beim bisherigen System. Erst in 2023 stehen neue Verhandlungen mit den Entsorgungsunternehmen an, die zu einem Wechsel führen könnten.

Ändern soll sich allerdings ab sofort die Häufigkeit, mit der die Container für Kunststoffe geleert werden. So berichtet die Vorlage über neue vertragliche Regelungen mit den Entsorgern, sodass „nach Bedarf, ca. 2/3 der Behälter mindestens dreimal wöchentlich und ca. 1/3 der Behälter mindestens einmal wöchentlich“ geleert werden. Wenn das tatsächlich so umgesetzt wird, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings kommt es auch bei Glascontainern immer wieder zu Überfüllungen vgl. das nachfolgende Bild:

Überfüllte Glascontainer einer Wertstoffinsel in Obergiesing. Hier sieht es häufig so aus.

Die Schließung der Gaststätten wegen Corona wird dieses Problem in den nächsten Wochen noch verschärfen. Es bleibt abzuwarten, ob die von der Kommunalreferentin angekündigte nachdrückliche Ermahnung der Entsorgungsunternehmen solche Zustände verhindern kann.

Die bauliche Gestaltung der Wertstoffinseln soll ebenfalls verbessert werden. Dazu wird das Kommunalreferat den Kontakt mit den Bezirksbeiräten aufnehmen, um individuelle Lösungen für die einzelnen Standorte zu erarbeiten. Kaum Hoffnung gibt es dabei für die Verwendung von Unterflurcontainern, die das Stadtbild weniger beeinträchtigen als die gegenwärtigen Sammelbehälter, vgl. das obige Bild. Leider verhindert die geltende Gesetzeslage, dass die Stadt München entsprechende Anforderungen an die Entsorgungsunternehmen stellen kann. Dies gilt sowohl für die Installation als auch für den Betrieb von unauffälligeren Sammelanlagen unter der Erde.

– Zum anderen stellt sich die Frage, was mit den eingesammelten Wertstoffen passiert, insbesondere, wie eine hohe Recyclingquote für Kunststoffe sichergestellt werden kann. Die Einflussmöglichkeiten der Stadt sind hier begrenzt, da die maßgeblichen Regelungen in Verpackungsgesetz und einer Europäischen Richtlinie festgelegt sind. Zudem sind die Vertragspartner der Stadt zwei überregional tätige Entsorgungsunternehmen, die sich von den Vorstellungen einer einzelnen Kommune kaum beeindrucken lassen. Dennoch zeigt eine Vielzahl von Anträgen, dass der Münchner Stadtrat auch darauf Einfluss nehmen möchte, zumindest um transparent nachzuvollziehen, inwieweit das Recycling der Wertstoffe überhaupt funktioniert. Das gilt insbesondere für Verbundverpackungen aus mehreren Plastikmaterialien.

Zwar schreibt §16 des Verpackungsgesetz zu 65% eine stoffliche Verwertung der Kunststoffe vor. Die Vorlage des Kommunalreferats stellt jedoch ernüchternd fest, dass gegenwärtig allenfalls 20% der Kunststoffe aus den Wertstofftonnen stofflich wiederverwendet werden. Der Rest wandert zwar in der Regel nicht ins Meer, wie einige Stadträtinnen in der Sitzung vermuteten (was von einer Zeitung gleich als Schlagzeile aufgegriffen wurde), sondern wird im Inland und im EU-Ausland verwertet:

Die Kunststoffe aus der Landeshauptstadt München wurden, wie im gesamten Bundesdurchschnitt, weit überwiegend in Deutschland verwertet. Kleinere Mengen wurden in die Niederlande, nach Österreich, Italien und Frankreich in zertifizierte Verwertungsanlagen geliefert.“ (Auskunft der zuständigen Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR), in der Vorlage zitiert)

Verwertung bedeutet laut Vorlage primär das Verbrennen in einer Zementfabrik. Warum die Mindestgrenze einer stofflichen Verwendung von 65% nicht eingehalten wird, war leider weder der Vorlage noch der Diskussion im Ausschuss zu entnehmen. Aber auch jetzt schon ist es ohne Zweifel besser, Kunststoffe in den Wertstofftonnen zu sammeln und nicht in den Restmüll zu werfen, der sofort ohne jede stoffliche Verwertung verbrannt wird.

Das Thema Müll wird die Münchner Kommunalpolitik noch lange beschäftigen. Durchgreifende Änderungen, die zu einer spürbaren Verringerung der Menge an Plastikverpackungen und zu einem schöneren Stadtbild führen, sind erst dann zu erwarten, wenn sich die gesetzlichen Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene grundlegend verändern.