Einmal im Jahr führt die Stadt München in ihren Tagesheimen und den Einrichtungen des Kooperativen Ganztages eine Elternbefragung durch. Tagesheime dienen zur Betreuung von Schulkindern am Nachmittag und in den Ferien. Beim Kooperativen Ganztag arbeiten Grundschulen und Kindertageseinrichtungen bei der Bildung der Kinder eng zusammen.
Diese Einrichtungen werden vom Freistaat nach dem Bayrischen Gesetz zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern (BayKiBiG) gefördert. Voraussetzung ist u.a., dass der Träger (d.h. die Stadt München)
„… eine Elternbefragung oder sonstige, gleichermaßen geeignete Maßnahme der Qualitätssicherung jährlich durchführt.“ (Art. 19 BayKiBiG)
Die Münchner Elternbefragung 2024 wurde in einer Bekanntmachung für die Sitzung des Ausschusses für Kinder- und Jugendhilfe am vergangenen Dienstag veröffentlicht. Die Ergebnisse sind durchweg erfreulich. Allerdings drängt sich mir der Eindruck auf, dass wesentliche Fragen gar nicht gestellt worden sind.
Offensichtlich fühlen sich die Kinder in den Münchner Einrichtungen gut aufgehoben.
Das ist ein schönes Ergebnis, denn nur wenn Kinder sich wohl fühlen, kann Erziehung und Bildung gelingen. Selbst beim heiklen Thema Mittagessen gibt es fast nur gute Bewertungen.
Ein großer Abschnitt der Befragung betrifft den Bereich Pädagogik. Dabei liegt ein Schwerpunkt darauf, wie sich Eltern in die Einrichtungen einbringen können:
Abgefragt worden ist auch, welche Bildungsinhalte sich die Eltern wünschen:
Nun ist eine gute Zusammenarbeit zwischen der elterlichen Erziehung und den städtischen Einrichtungen von großer Bedeutung. Mindestens ebenso relevant erscheint mir allerdings, ob die Kinder in den Münchner Einrichtungen so gefördert werden, dass etwaige Lerndefizite während des Schulunterrichts zumindest teilweise ausgeglichen werden.
Man hätte beispielsweise fragen können, wie häufig und wieviel am Nachmittag mit den Kindern gelesen wird oder ob so grundlegende Kenntnisse wie das Einmaleins spielerisch eingeübt werden. Die Beurteilung der Münchner Tagesheime und der Einrichtungen des Kooperativen Ganztages sollte meines Erachtens nicht nur nach den abgefragten „Wohlfühlfaktoren“ erfolgen, sondern auch danach, wie gut die Kinder beim Erwerb der grundlegenden sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten unterstützt werden. Ein ganz wichtiger Punkt wäre die Frage nach der Verzahnung mit dem Schulunterricht, um zu klären, ob das Personal der Nachmittagsbetreuung überhaupt von individuellen Lernschwächen einzelner Kinder weiß und sie dementsprechend fördern kann.
Möglicherweise wären manche Eltern mit der Beantwortung solcher Fragen überfordert. Das lässt daran zweifeln, ob der oben zitierte Art. 19 aus dem BayKiBiG nicht grundsätzlich daneben liegt, wenn damit eine Elternbefragung als ein geeignetes Werkzeug zur Qualitätssicherung von Bildungseinrichtungen festgelegt wird.
Wie Qualitätssicherung im Bildungsbereich tatsächlich funktioniert, hat über Jahre der Hamburger Schulsenator Ties Rabe vorgemacht. Auf Wikipedia findet man dazu Folgendes:
„Qualitätsmanagement
In seiner Amtszeit wurde ein umfassendes Qualitätsmanagement für Hamburgs Schulen aufgebaut. Bausteine sind unabhängige Schulinspektionen, jährliche zentrale Lernstandsuntersuchungen in allen Klassen der Jahrgänge 2, 3, 5, 7, 8 und 9, zentrale Abschlussklausuren in fast allen Schulfächern und Schulabschlüssen sowie die Erfassung von Schuldaten wie Unterrichtsausfall, Personalsituation und Bewirtschaftung der Schulbudgets. Die Ergebnisse und Kennzahlen werden zwei Mal jährlich zwischen der Schulaufsicht (Schulrat) und jeder einzelnen Schulleitung erörtert, um die Entwicklung und Verbesserung der Schulen zu koordinieren.
Ganztagsangebote in Hamburg
Rabe reformierte 2012 die Ganztagsangebote. Seitdem haben alle staatlichen Schulen ein kostenloses Ganztagsangebot für alle Schülerinnen und Schüler von 8 bis 16 Uhr. Gegen eine geringe Gebühr können die Eltern zusätzliche Betreuungszeiten am frühen Morgen vor 8 Uhr und am späten Nachmittag nach 16 Uhr sowie Betreuung während der Ferienzeiten buchen. Obwohl die meisten Angebote freiwillig sind, nehmen knapp 90 Prozent aller Grundschulkinder das Angebot in Anspruch….“
In Bayern und München ist man von solchen Überlegungen weit entfernt. Stadträtin Alexandra Gaßmann (CSU) hat sogar angeregt, die Elternbefragung nur noch alle zwei Jahre stattfinden zu lassen. Das Selbstverständnis scheint über alle Stadtratsfraktionen hinweg ähnlich zu sein: Man hält – ohne jeden Nachweis – die städtischen Bildungseinrichtungen für so gut, dass es einer ernsthaften Qualitätssicherung nicht bedarf.
Aus meiner Sicht wären sowohl der Freistaat als auch das Referat für Bildung und Sport der Stadt München gut beraten, in allen Bildungseinrichtungen unabhängige Inspektionen durchzuführen. Freunde macht man sich damit nicht. Aber bei einem steigenden Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund ist es so wichtig wie nie zuvor, dass sie sich in den Münchner Tagesheimen und Einrichtungen des Kooperativen Ganztages nicht nur wohlfühlen, sondern bestmöglich beim Lernen unterstützt werden. Nur dann kann unabhängig vom Elternhaus ein erfolgreicher Start ins weitere Leben gelingen.