Hochwasserschutz an der Würm – eine schwierige Aufgabe

Beim Thema Hochwasserschutz denkt man in München in erster Linie an die Isar. Mit dem Bau des Sylvensteinspeichers in den 50er Jahren ist die Gefahr durch zerstörerische Fluten sehr viel geringer geworden. Auch die Renaturierung der Uferlandschaft in den letzten Jahrzehnten hat dazu beigetragen, dem Hochwasser auf seinem Weg durch die Stadt mehr Raum zu geben.

Aber die Isar ist nicht der einzige Fluss auf Münchner Stadtgebiet. Vom Starnberger See kommend fließt die Würm fast 10 km durch die Münchner Stadtteile Pasing, Obermenzing und Allach. Anders als entlang der Isar verläuft sie größtenteils durch dicht bebautes Gebiet. Ereignisse wie im Ahrtal werfen die Frage auf, welches Hochwasserrisiko hier besteht. Erste Antworten darauf und Vorschläge für einen verbesserten Hochwasserschutz findet man in der Basisstudie des Wasserwirtschaftsamts München, die am vergangenen Dienstag im Bauausschuss zusammen mit einer Vorlage des Baureferats diskutiert worden ist. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung vorgestellt und die Vorlage kommentiert.

Im Jahr 2006 hat der Freistaat die bayrischen Wasserwirtschaftsämter beauftragt, für alle größeren Flüsse Bayerns zu untersuchen, welche Schäden ein hundertjähriges Hochwasser verursachen würde und wie hoch die Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen wären. Damit soll eine Prioritätsliste aufgestellt werden, wo vorrangig investiert werden muss.

Hochwasser an der Würm sind durch die Pufferwirkung des Starnberger Sees geprägt. Das führt dazu, dass die Pegel mit einer Vorwarnzeit von 12 – 24h zwar vergleichsweise langsam ansteigen, aber es mehrere Tage dauert, bis das Hochwasser deutlich zurückgeht.

Die dunkelblaue Linie zeigt den zeitlichen Verlauf des größten Hochwassers der letzten Jahre im Juli 1999. Die hellblaue Linie zeigt den daraus errechneten Verlauf für ein Jahrhunderthochwasser. In der Spitze fließen dann im Münchner Stadtgebiet mehr als 15 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Würm.
(Quelle: Basisstudie)

Die Folgen eines solchen Ereignisses wären erheblich: Von den 38 Brücken über die Würm wären 8 (!) „eingestaut“, d.h. die Wassermassen würde nicht mehr unter die Brücke passen. Im Ahrtal konnte man sehen, zu welchen enormen Schäden es führen kann, wenn eine Brücke den Fluss aufstaut und das Wasser sich einen anderen Weg sucht oder die Brücke wegreißt.

Anhand mehrerer Karten zeigt die Studie, welche Gebäude vom Hochwasser direkt betroffen wären. Hier ein Ausschnitt aus Pasing:

Auswirkungen eines Jahrhunderthochwassers in Pasing. Die grünen Linien zeigen den Verlauf möglicher Hochwassermauern an (siehe unten). (Quelle: Basisstudie)

Die blau schraffierten Bereiche zeigen das Überschwemmungsgebiet, die rot markierten Häuser wären davon betroffen. Darunter befindet sich das Helios Klinikum München-Pasing. Insgesamt identifiziert die Studie 116 Wohnhäuser, Betriebe und öffentliche Einrichtungen, die von einem Jahrhunderthochwasser der Würm voraussichtlich beschädigt würden.

Bei solch einer Anzahl erscheint mir die in der Studie genannte potentielle Gesamtschadenssumme von etwa 18 Mio EUR viel zu gering. Dieser Betrag wird jedoch nicht allein durch die Anzahl der betroffenen Gebäude, sondern auch durch verschiedene Risikofaktoren bestimmt, die sich anhand der Studie nicht ohne Weiteres nachvollziehen lassen. Offensichtlich wird hier ein standardisiertes Berechnungsverfahren angewendet, um die Situation an der Würm für die bereits erwähnte Prioritätsliste mit dem Hochwasserrisiko an anderen bayrischen Flüssen zu vergleichen. Sollte es tatsächlich zu einem Jahrhunderthochwasser kommen, liegen die realen Schäden sicher weit höher als die genannte Summe.

Schließlich hat das Wasserwirtschaftsamt auch verschiedene Möglichkeiten untersucht, wie der Hochwasserschutz verbessert werden könnte. Dazu wurde mehrere Varianten vorläufig betrachtet, beispielsweise eine Flutmulde, d.h. ein Entlastungsbett, mit dem das Hochwasser der Würm in weitem Bogen um Allach herumgeführt würde. Dort liegen die meisten der gefährdeten Gebäude. Eine andere Möglichkeit wäre ein Polder o.ä. südlich des Münchner Stadtgebiets. Allerdings kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass gegenwärtig eine Kombination aus Vergrößerungen des Flussbetts und dem Ausbau lokaler Überflutungsflächen zusammen mit traditionellem Hochwasserschutz durch feste und mobile Mauern die beste Alternative wäre.

Was das konkret bedeuten könnte, zeigt die folgende Karte von Allach aus der Studie:

Vorgeschlagener Verlauf der Hochwassermauern
(grüne Linien) entlang der Würm in Allach
(Quelle: Basisstudie)

Die Hochwassermauern erstrecken sich über weite Teile des Ostufers aber auch auf dem Westufer. Dazu heißt es in der Studie:

Die neu zu errichtenden Mauern verlaufen fast ausschließlich durch private Gärten oder öffentliche Flächen, was zur Folge hat, dass die erforderliche Fläche von den Grundstückseigentümern gekauft werden muss. [….]. Nicht nur die Auswahl der Trasse für die Hochwasserschutzwände und die voraussichtlichen Widerstände der Anwohner können zum Problem werden, sondern ebenso der Zugang zur geplanten Trasse für größere Baumaschinen kann sich an manchen Stellen als sehr aufwendig herausstellen.

Das zeigt das Konfliktpotential, das mit einem verbesserten Hochwasserschutz an der Würm verbunden ist.

Die Vorlage des Baureferats hat meines Erachtens die in der Basisstudie festgestellten Probleme mehr oder weniger „weichgespült“. Aus Sicht der Baureferats kann an der Würm der Hochwasserschutz in ähnlicher Weise wie an der Isar mit einer ökologischen Aufwertung und anderen städtebaulichen Zielen verbunden werden. Dazu soll eine Arbeitsgruppe des Baureferats zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt

„die Hochwassersituation, den Bedarf an Erholung am Fluss, die Tier- und Pflanzenwelt mit ihren Lebensräumen, Ökologie, Naturschutz sowie die stadträumliche Einbindung und mögliche Entwicklungen untersuchen und an die Würm im Münchner Stadtgebiet angepasste und ausgewogene Entwicklungsziele formulieren. Kein Einzelziel soll dabei zu Lasten eines anderen durchgesetzt werden.“

Die Stadträtinnen und Stadträte waren von diesem Arbeitsauftrag, insbesondere der Bezugnahme auf die erfolgreich renaturierte Isar, begeistert und haben der Vorlage ohne Ausnahme zugestimmt.

Aus meiner Sicht bleibt abzuwarten, wie gut – aber auch wie schnell – es gelingt, die widerstreitenden Interessen eines wirksamen Hochwasserschutzes, der Naherholung und der Ökologie an der Würm unter einen Hut zu bekommen. Zu hoffen bleibt, dass der Testfall des Jahrhunderthochwassers nicht schon eintritt, bevor diese anspruchsvolle Aufgabe gelöst worden ist.

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