Schwarzräumung mit Salz

Der Sommer ist vorbei. Wer mit dem Rad unterwegs ist, merkt die tieferen Temperaturen sofort. Viele beenden daher in diesen Tagen das Radfahren in der Stadt und steigen für die Wintermonate auf den ÖPNV oder das Auto um. Nach den Verkehrszählungen des Baureferats nimmt jedoch die Anzahl der Radlerinnen und Radler, die auch im Winter fahren, stetig zu. Mehrere Fraktionen des Stadtrats haben daher Anträge gestellt, die Sicherheit des Radverkehrs bei Schnee und Eis durch bessere Räumung der Radwege zu erhöhen. In der Sitzung des Bauausschusses am vergangenen Dienstag wurde eine Vorlage diskutiert, mit der das Baureferat vorschlägt, im Rahmen eines Pilotversuchs auf vielbefahrenen Radwegen Salzwasser zu versprühen. Im Folgenden wird der Vorschlag des Baureferats kurz vorgestellt und dann erörtert, ob damit die Sicherheit auf dem Rad im Winter tatsächlich verbessert werden kann.

Aktuell werden Radwege in München lediglich geräumt und mit Split gestreut. Damit kann jedoch die Glättebildung nicht vollständig verhindert werden. Insbesondere gefrorene Spurrillen gefährden den Radverkehr. Eine „Schwarzräumung“, d.h. die vollständige Freilegung der Asphaltoberfläche, gelingt häufig nicht, selbst wenn moderne Räum- und Kehrfahrzeuge verwendet werden. Dies liegt an der rauen Straßenoberfläche, in der Schneereste verbleiben und häufig zu einer Eisschicht werden. Eine Schwarzräumung ist nur mit Salz möglich.

Das Baureferat schlägt daher vor, einige Radlstrecken im kommenden Winter erstmalig mit Salzwasser zu besprühen, um den Schneebelag vollständig abzutauen. Für den Pilotversuch wurden mehrere Fahrradstraßen und Radwege ausgewählt, bei denen die Entwässerung nicht in den Grünstreifen, sondern über die Kanalisation erfolgt. Mit einem besonderen Piktogramm werden solche Strecken in Zukunft gekennzeichnet:

Langfristig soll damit ein Netz von Winterradwegen entstehen, die auch bei Schnee und Eis sicher befahren werden können.

Der Bauausschuss hat die Vorlage ohne große Debatte nahezu einstimmig angenommen.

Was ist nun davon zu halten? Wird das Radfahren im Winter in Zukunft spürbar sicherer? Ich glaube kaum. Denn auch mit den neuen Winterradwegen muss man als Radlerin oder Radler jederzeit damit rechnen, auf vereiste Strecken zu stoßen. So werden Radwege, die durch Grünanlagen verlaufen, nicht mit Salzwasser besprüht, um die Pflanzen nicht zu schädigen. Gleiches gilt für eine Vielzahl von nur selten geräumten Nebenstraßen, die auch in Zukunft nicht zum Winterradnetz gehören, aber bei fast allen Fahrten in der Stadt irgendwo vorkommen. Dann ist höchste Konzentration gefragt, denn wenn das Vorderrad erst einmal ins Rutschen gerät, ist ein Sturz kaum noch zu verhindern. Eine Strecke mit teilweise erfolgter Schwarzräumung wiegt die Radlerin und den Radler in einer trügerischen Sicherheit, die wenige Meter weiter plötzlich zu Ende sein kann.

Nach meiner Erfahrung gibt es wirkliche Sicherheit auf Schnee und Eis nur mit Spikes. Wer im Winter damit einmal unterwegs gewesen ist, möchte darauf nicht mehr verzichten. Schnee- und Eisglätte verlieren ihre Schrecken. Anders als bei Autos, sind Spikereifen für Radler erlaubt.

Die sicherste Variante besteht darin, ein zweites Fahrrad, vielleicht ein altes Mountainbike, vollständig umzurüsten, beispielsweise mit solchen Reifen:

Beispiel für einen Spikereifen. Viele Hersteller haben solche Modelle im Programm.

Mehrere hundert Nägel pro Reifen sorgen für sicheren Grip auf jeder Eisfläche. Montiert auf ein zweites Fahrrad, kann man im Winter jeden Tag kurzfristig entscheiden, ob die (vorhergesagte) Witterung den Einsatz des Spikerades verlangt oder ob die Straßenverhältnisse auch gefahrlos mit normalen Reifen befahren werden können. Denn leider haben die Spikereifen auf schneefreien Straßen einen höheren Rollwiderstand und machen unangenehmen Lärm.

Wer kein Zweitrad zur Verfügung hat, kann sich mit folgendem Kompromiss behelfen: Ein leicht austauschbares Vorderrad mit einem Schnellspanner wird mit einem Spikereifen versehen und je nach Wetterlage innerhalb weniger Minuten eingesetzt:

Austauschvorderrad für eisige Tage

Alternativ kann das Spike-Vorderrad auch den ganzen Winter am Rad verbleiben. Da weiterhin ein normales Hinterrad zum Einsatz kommt, steigt der Rollwiderstand nur geringfügig an. Die Kosten für diese Kompromisslösung liegen bei unter hundert Euro. Weil Unfälle auf Schnee und Eis zumeist vom Vorderrad ausgehen, ist auch hier der Sicherheitsgewinn erheblich. Wenn vorne die Haftung durch Spikes sichergestellt ist, führt auch ein Wegrutschen des Hinterrads nicht gleich zum Sturz.

Anstelle des Einsatzes von Salz auf ausgewählten Radwegen wäre es aus meiner Sicht erfolgversprechender, die Stadtverwaltung würde mit einer Kampagne über die großen Vorteile von Spikereifen auf vereisten Fahrbahnen und Radwegen werben. Genauso wie Autofahrer jedes Jahr erneut auf die Benutzung von Winterreifen hingewiesen werden, würden Radfahrer darauf aufmerksam gemacht, dass sicheres Fahren auf Schnee und Eis nur mit einem entsprechend angepassten Fahrrad möglich ist.

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