Sektorale Bebauungspläne – Wundermittel der Wohnungspolitik?

Die Wohnungspolitik in München ist eine Sisyphosaufgabe. Kaum ist es mit viel Anstrengung und Geld gelungen, Investoren zum Neubau von günstigen Mietwohnungen zu bringen, fallen an anderer Stelle zahlreiche Wohnungen aus der Sozialbindung. Erhebliche Mietsteigerungen sind die Folge.

Informationsflyer der Stadt München mit Prognosen zum Wohnungsbau

Der hellblaue Balken des Bestands an Sozialwohnungen schrumpft automatisch durch Zeitablauf, so dass schon eine gleichbleibende Anzahl von Sozialwohnungen ständigen Neubau verlangt. Dauerhaft günstig sind nur die Wohnungen des Kommunalreferats und der städtischen Wohnungsbaugesellschaften.

Warum ist das so? Bislang sind private Sozialwohnungen zumeist durch eine Art Handel entstanden: Ein Investor bekommt ein Baurecht auf einem Grundstück und verpflichtet sich im Gegenzug, einen erheblichen Teil (in München 40%) der neuen Wohnungen einer Sozialbindung zu unterwerfen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in 2019 entschieden, dass die Sozialbindung in solchen Verträgen zeitlich begrenzt sein muss.

Mit dem sogenannten Baulandmobilisierungsgesetz hat sich die Lage jedoch geändert. Denn jetzt kann der Stadtrat für bestimmte Innenstadtgebiete einen „sektoralen Bebauungsplan“ beschließen, mit dem dauerhaft ein bestimmter Anteil an Sozialwohnungen festgeschrieben wird. In einer umfangreichen Vorlage hat das Stadtplanungsreferat für die gestrige Ausschusssitzung das neue Werkzeug der Wohnungspolitik erläutert und vorgeschlagen, wie es in Zukunft in München zur Anwendung kommen soll.

Grundsätzlich gelten nach dem (Bundes-) Baugesetzbuch für verschiedene Bereiche einer Gemeinde unterschiedliche Regelungen. Auf den Seiten der Bayrischen Landesregierung findet man dazu Folgendes:

Sektorale Bebauungspläne sind nach der neuen gesetzlichen Regelung nur in der dritten Kategorie, dem „unbeplanten Innenbereich“ möglich. Das sind typischerweise Stadtviertel mit einer bereits bestehenden dichten Bebauung. Der letzte Satz im obigen Zitat ist hier entscheidend. Wem dort ein noch unbebautes Grundstück gehört, der konnte bislang bauen was er wollte, solange sich das Bauvorhaben in die umgebende Bebauung einfügt.

Bereits hier lässt sich erkennen, dass sektorale Bebauungspläne den Bestand an Sozialwohnungen in den großen Neubaugebieten Münchens, beispielsweise in Freimann, nicht werden sichern können. Denn diese Gebiete sind kein unbeplanter Innenbereich, sondern unterliegen „normalen“ Bebauungsplänen, d.h. sie gehören zur zweiten Kategorie. Der räumliche Anwendungsbereich der neuen, sektoralen Bebauungspläne betrifft eher kleinere Projekte im innerstädtischen Bereich auf noch bestehenden Baulücken oder wenn anstelle eines ungenutzten Gewerbebaus eine Wohnbebauung entstehen soll.

Wird für solch ein Projekt vom Stadtrat ein sektoraler Bebauungsplan beschlossen, kann darin festgelegt werden, dass auf bestimmten Flächen

nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten.“ (§ 9 Abs. 2d BauGB)

Eine zeitliche Begrenzung dieser Verpflichtung gibt es nicht.

Mit dem sektoralen Bebauungsplan wird das bislang bestehende Baurecht eines Grundstückseigentümers dauerhaft eingeschränkt. Und darin liegt neben der Beschränkung auf den unbeplanten Innenbereich der zweite Haken. Erlässt die Stadt solch einen Bebauungsplan, können sich daraus Entschädigungsansprüche ergeben, vgl. § 42 BauGB. Deren Höhe hängt unter anderen davon ab, ob das entsprechende Grundstück schon seit mehr als sieben Jahren unbebaut ist. Die Rechtslage zur Frage der möglichen Entschädigungen ist noch sehr unsicher, so dass der Erlass eines sektoralen Bebauungsplans mit erheblichen finanziellen Risiken für die Stadt verbunden ist.

Vor diesem Hintergrund hat das Stadtplanungsreferat einen engen Kriterienkatalog entwickelt, anhand dessen in Zukunft die Anwendbarkeit von sektoralen Bebauungsplänen geprüft werden soll. Alle Voraussetzungen hier zu erläutern, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen.

Schließlich ist die Möglichkeit einen sektoralen Bebauungsplan zu erlassen auch zeitlich begrenzt. Die neuen gesetzlichen Regelungen sind Mitte 2021 in Kraft getreten und gelten zunächst nur bis Ende 2024. Bis dahin muss das Verfahren für den jeweiligen sektoralen Bebauungsplan begonnen und bis spätestens Ende 2026 abgeschlossen worden sein. Dies spiegelt den experimentellen Charakter der neuen Paragrafen wieder.

Was ist nun von sektoralen Bebauungsplänen zu erwarten? Wird damit auf absehbare Zeit der Mangel an Sozialwohnungen in München spürbar verringert? Ich glaube kaum. Zwar hat der Stadtrat das neue Werkzeug der Wohnungsbaupolitik umgehend zur Anwendung gebracht und bereits fünf sektorale Bebauungspläne in den vergangenen eineinhalb Jahren beschlossen, mit denen jeweils ein Sozialwohnungsanteil von 40% festgelegt worden ist. Ganz grob überschlagen wird damit eine niedrige dreistellige Zahl an Sozialwohnungen gesichert. Allerdings nur dann, wenn die entsprechenden Bauvorhaben auch tatsächlich zur Ausführung kommen und die Investoren nicht wegen der gestiegenen Baukosten und den wirtschaftlichen Beschränkungen durch die sektoralen Bebauungspläne abspringen.

Zum Vergleich zeigt das folgende Schaubild die deutlich größeren Zahlen der in den letzten Jahren neu gebauten Sozialwohnungen in München:

Anzahl der fertiggestellten öffentlich geförderten Wohnungen (Quelle: Statista)

Und was haben die Mitglieder des Stadtplanungsausschusses dazu gesagt? Wie zu erwarten zeigte sich die SPD-Fraktion begeistert, ebenso die Grünen. Die Linke hat sogleich – ohne Erfolg – beantragt, in sektoralen Bebauungsplänen nicht nur für 40%, sondern für 80% der Wohnungen eine Sozialbindung vorzuschreiben. Die FDP hat jegliche Beschränkung des Baurechts von Investoren abgelehnt. Überraschend war eigentlich nur die Haltung der CSU. Auch hier war man kritisch gegenüber der Anwendung sektoraler Bebauungspläne, obwohl die Änderungen des Baugesetzbuchs im Bundestag noch zu Zeiten der großen Koalition mit den Stimmen von CDU/CSU beschlossen worden sind.

Aus meiner Sicht wird für die weitere Bedeutung dieses wohnungspolitischen Werkzeugs nicht nur eine Verlängerung über 2024 hinaus entscheidend sein, sondern ob eine Verpflichtung eines Anteils dauerhafter Sozialwohnungen in Zukunft auch in normale Bebauungspläne aufgenommen werden kann, die für den Wohnungsneubau die viel größere Bedeutung haben.

Der am Ende der Sitzung mit den Stimmen der Rathauskoalition aus Grünen und SPD gefasste Beschluss enthält eine entsprechende Forderung an die Bundespolitik. Ob sich die Ampelkoalition darauf wird einigen können, scheint mir aufgrund der Position der FDP jedoch mehr als fraglich.

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