Wieviel Wahlplakate verträgt München?

Immer wenn eine Kommunal-, Landtags- oder Bundestagswahl ansteht, verändert sich das Münchner Stadtbild. Plakate der Parteien werden an allen nur erdenklichen Stellen aufgestellt, um die Aufmerksamkeit auf Kandidaten und politische Aussagen zu lenken. Nach der Wahl dauert es dann viele Wochen, bis alles wieder abgebaut ist und auch der letzte Ständer beseitigt ist.

Braucht es das wirklich? Und in welchem Ausmaß? Gleich drei Bürgerversammlungen in Nymphenburg, Schwanthalerhöhe und Schwabing haben in den letzten Monaten beantragt, das Plakatieren der Parteien zu beschränken, unter anderem, um „Müllmengen und eine Verschandelung des Stadtbildes zu vermeiden“ . Daher hat sich der Kreisverwaltungsausschuss des Stadtrates am vergangenen Dienstag damit befasst. Anlass für mich, ein paar Gedanken zu diesem Thema zusammenzustellen.

In seiner Vorlage erläutert das Kreisverwaltungsreferat, dass das Recht der Parteien auf Wahlwerbung Verfassungsrang hat. Abgeleitet wird das aus dem Grundgesetz, in dem – anders als in früheren deutschen Verfassungen – die Parteien explizit die Aufgabe haben, bei der politischen Willensbildung mitzuwirken. Gesetze Bayerns und Verordnungen der Stadt München müssen daher eine Wahlwerbung der Parteien ermöglichen, die für deren Selbstdarstellung notwendig und angemessen ist (vgl. zur Rechtsprechung beispielsweise BVerwGE 47).

Die geltende Plakatierungsverordnung Münchens erlaubt daher den Parteien, „bis zu drei Monate vor der Wahl Plakatständer und Plakate …[….] ….an[zu]bringen. Nach dem Tag der Wahl müssen die bis zum Tag der Wahl aufgestellten Plakatständer und Plakate innerhalb von 14 Tagen abgebaut werden.

In den drei Bürgerversammlungen wurde beantragt, die räumlichen und zeitlichen Möglichkeiten der Wahlplakatierung deutlich einzuschränken. Ausschließlich zentrale Flächen, deren Nutzung durch die Stadt verwaltet werde, sollten den Parteien für einen Zeitraum von zwei Monaten vor der Wahl zur Verfügung stehen.

Sowohl das Kreisverwaltungsreferat als auch die Mitglieder des Ausschusses haben das abgelehnt. Zum einen gibt es aus den oben genannten Gründen verfassungsrechtliche Bedenken, zum anderen Einwände gegen den Verwaltungsaufwand für eine städtische Vergabe der Werbeflächen.

Das halte ich für richtig. Denn die Bedeutung von Wahlplakaten ist nicht zu unterschätzen. Eine aktuelle Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, die auf einer repräsentativen Umfrage unter 4000 Personen nach der letzten Bundestagswahl beruht, hat ganz interessante Ergebnisse zu diesem Thema geliefert.

Deckblatt der aktuellen Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung

Eine der Kernaussagen der Studie findet sich in folgendem Absatz auf S. 11:

Mit Abstand am häufigsten nehmen die Menschen Wahlwerbung von Parteien auf Plakaten wahr. 92 Prozent berichten, von mindestens einer Partei ein Wahlplakat gesehen zu haben. An Postwurfsendungen von Parteien im Briefkasten erinnern sich 65 Prozent. Auch Straßenstände von Parteien hat eine Mehrheit (57 Prozent) gesehen. …[…] . Gedruckte Anzeigen von Parteien haben 39 Prozent gesehen und mit 33 Prozent erinnern sich ähnlich viele an Werbung online in sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter.“

Das finde ich überraschend. In Zeiten, in denen die Nutzung sozialer Medien bis weit in die ältere Generation hinein bei ein bis zwei Stunden pro Tag liegt, hätte ich erwartet, dass die Bedeutung „analoger“ Wahlwerbung weitaus geringer ist. Offensichtlich kommt jedoch traditionellen Wahlplakaten bei der Mobilisierung der Bevölkerung ganz entscheidende Bedeutung zu.

Vor diesem Hintergrund ist es richtig, die Plakatierungsverordnung der Stadt München nicht zu ändern. Was sich aber ändern sollte, ist die Durchsetzung der Pflicht, alle Plakate innerhalb von 14 Tagen abzuräumen. Da wäre etwas mehr Druck durch das Kreisverwaltungsreferat durchaus sinnvoll, gegebenenfalls auch mal mit einer Ordnungsstrafe, wenn viele Wochen nach der Wahl immer noch vergammelte Ständer herumstehen.

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