Corona und die Folgen (II)

Ende Mai ist hier ein erster Bericht zu den wirtschaftlichen Folgen der Corona Krise für München erschienen. In der heutigen Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft erfolgte eine weitere Anhörung der Verbandsvertreter aus Handwerk, Handel und Gastronomie über ihre aktuelle wirtschaftliche Lage, gefolgt von einer Diskussion der Ausschussmitglieder über die verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen der Stadt München.

Die gute Nachricht vorweg: Das Münchner Handwerk scheint von der Corona Krise nicht im Geringsten betroffen zu sein. Jedenfalls waren die einzigen Probleme, auf die der Vertreter der Handwerkskammer in seinem Referat hinweisen mochte, die fehlenden Parkplätze und die Staus bei der Anfahrt zu Kunden in der Innenstadt. Offensichtlich Business as usual und keine wirklichen Schwierigkeiten, weder bei der Auftragslage noch bei den Lieferketten.

Ganz anders die Lage im Handel und in der Gastronomie. Hier sieht es wirklich schlimm aus. Die klassischen Stärken der Stadt München verkehren sich momentan in ihr Gegenteil und machen eine schnelle wirtschaftliche Erholung besonders schwierig. Warum ist das so ? Drei Gründe:

Erstens wurde vor Corona der Umsatz der Geschäfte und Lokale in München, insbesondere in der Innenstadt, zu einem erheblichen Teil durch internationalen Tourismus getragen. Kaufkräftige Asiaten, Amerikaner oder Araber fallen jedoch bis auf Weiteres komplett aus, auch wenn die Infektionslage in Deutschland sich inzwischen enorm verbessert hat. Daran kann auch eine noch so engagierte Stadtverwaltung nichts ändern.

Zweitens hat auch der nationale Städtetourismus seit dem Ende des Lockdowns kaum angezogen. Ein Hotelier sprach von Auslastungsquoten (nicht Umsatzrückgängen!) zwischen 15% und 20%. Damit unterscheidet sich die Lage in München fundamental vom umgebenden Oberbayern, wo die Hotels inzwischen laut Verbandsvertreter wieder gut besucht sind. Shopping-Wochenenden in München erscheinen immer noch vielen Bürgern als ein riskantes Unterfangen, auch wegen der immer wieder warnenden Kommunikation der bayrischen Staatsregierung, wie von einigen Verbandsvertretern zu hören war. Ebenso wird die inzwischen umstrittene Maskenpflicht im Einzelhandel als spürbare Umsatzbremse empfunden. Auch das ein Aspekt, den die Politik des Münchner Stadtrates nicht beeinflussen kann.

Drittens hat es bislang ein aktives Stadtmarketing kaum gegeben, da München nach den Worten eines Verbandsvertreters ein „Selbstläufer“ war. Gezielte Werbeaktionen, um Kunden aus dem Umland zum Einkaufen nach München zu locken, gibt es bislang nicht. Und nur da, im weiten Münchner Umland, besteht die Chance in absehbarer Zukunft zusätzliche Kaufkraft abzuschöpfen, die der Handel und die Gastronomie in München dringend braucht.

Ansonsten drohen zahlreiche Insolvenzen und eine verödete Innenstadt wie man sie bislang nur aus dem Ruhrgebiet kennt. Wie in der Sitzung berichtet wurde, hat mit „Jeans Kaltenbach“ gerade ein weiteres Münchner Traditionsunternehmen Insolvenz angemeldet. Die Gefahr einer dauerhaften Beschädigung der gesamten innerstädtischen Wirtschaftsstruktur ist daher ganz real.

Um das zu verhindern, hat das Referat für Arbeit und Wirtschaft unter dem bereits bekannten Schlagwort „Sommer in der Stadt“ dem Ausschuss eine Vorlage präsentiert, mit der für die Sommermonate eine Vielzahl von Aktionen auf kleinen und großen Plätzen der Stadt angekündigt werden. Das gilt auch für die Theresienwiese, die über den Sommer zu einer Art Open-Air-Location umfunktioniert wird. Auch der Circus Krone wird dort präsent sein. Die Hoffnung ist, dass es zusammen mit den vom Kulturreferat geplanten Konzerten etc. gelingt, Besucher nicht nur aus München sondern auch aus dem Umland für die (Innen-)Stadt zu begeistern und damit beim Handel und der Gastronomie Umsätze zu generieren, die weitere Insolvenzen in großem Stil verhindern.

Bei den Stadträten stößt dieses Konzept auf eine breite Zustimmung und wurde daher am Ende der Diskussion einstimmig beschlossen. Allerdings gibt es in Teilbereichen durchaus strittige Punkte, die noch zu entscheiden sind:

So sind bislang an Sonntagen offene Geschäfte des Einzelhandels ebenso verboten wie geöffnete Souvenirstände. Beide Beschränkungen könnten fallen, wenn – an sich richtige – Bedenken insbesondere der SPD-Stadträte zurückgestellt werden. In der Abwägung erscheint mir das für einen begrenzten Zeitraum durchaus gerechtfertigt. Es liegt auch im Interesse der Mitarbeiter akut von Insolvenz bedrohter Betriebe.

Die Verkehrsfrage ist ungleich schwieriger. Wie bereits berichtet, hat Corona zu einem nachhaltigen Einbruch der Fahrgastzahlen im ÖPNV geführt, zugunsten des Radverkehrs aber eben auch des Autoverkehrs. Letzterer hat natürlich für die dringend erwünschten Kunden aus dem Umland eine wesentliche Bedeutung. Hier braucht es einen umfassenden Ansatz:

Zunächst ist es an der Zeit, den Bürgern die Angst vor der Benutzung des ÖPNV zu nehmen. Mir sind keine Erkenntnisse darüber bekannt, dass bei den niedrigen Infektionszahlen und bestehender Maskenpflicht 20 Minuten S-Bahnfahrt ein substantielles Infektionsrisiko darstellen. Millionenstädte in vergleichbarer Situation wie Tokio oder Seoul zeigen, dass die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in großem Stil möglich ist, ohne dass das Infektionsgeschehen wieder aufflammt. Wenn überhaupt, sind dort neue Infektionscluster an anderen Stellen entstanden, beispielsweise in Bars oder Clubs. Es wäre daher an der Zeit, dass die Münchner Verkehrsbetriebe – natürlich mit wissenschaftlicher Unterstützung – hierzu eine eigene Untersuchung starten und danach eine Aufklärungskampagne, um den anhaltenden Bedenken der Bürger entgegenzutreten.

Eine kurzfristige Umstellung der Verkehrspolitik, um sowohl den Radverkehr als auch den Autoverkehr aus dem Umland in die Stadt zu fördern, erscheint mir unmöglich. Man kann den Quadratmeter Straßenraum nur einmal verteilen und Gleisanlagen lassen sich kurzfristig weder als Radwege noch als Straßen nutzen. Allerdings ist die Notwendigkeit der großen Anzahl an Baustellen in der Stadt – wie von mehreren Verbandsvertretern angeregt – durchaus zu hinterfragen. Wäre es nicht möglich, hier einen (teilweisen) Baustopp für die nächsten Monate zu verhängen, selbst wenn sich dann das eine oder andere Projekt verzögert ?

Schließlich ist Kreativität gefragt, um einerseits den gewünschten Kunden eine Anreise mit dem Auto zu ermöglichen und andererseits die Straßen der (Innen-) Stadt nicht zu verstopfen. Denkbar wäre ein „Park and Bike“ Konzept, bei dem Besuchern an größeren Parkplätzen am Stadtrand Leihfahrräder (oder E-Scooter) angeboten werden, um damit München zu erkunden. Die Stadtwerke mit ihren zahlreichen Leihrädern könnten das kurzfristig umsetzen. Jedenfalls ein Teil der erhofften Städtetouristen fände es sicher ganz attraktiv, in den Sommermonaten München per Rad zu erkunden. Kombiniert mit einem Gutschein für die Gastronomie könnte so eine Aktion ein richtiger Erfolg des Stadtmarketings werden.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Kampf um den Erhalt der Münchner Innenstadt, so wie wir sie kennen und schätzen, gerade erst begonnen hat. Irgendwann ist auch der längste Sommer in der Stadt zu Ende und ich glaube nicht, dass der Virus pünktlich zum Herbstanfang verschwunden ist. Das Thema bleibt uns weiter erhalten und ich werde voraussichtlich noch in weiteren Folgen dazu berichten.