Hohe Preise – sichere Versorgung

Das Thema Gaspreise kommt jetzt bei allen Münchner Gaskunden an. Die neuen Tarife ab dem 1. Januar 2023 sind in einem Preisblatt der Stadtwerke zusammengefasst, das vor wenigen Tagen veröffentlicht worden ist.

Damit steigt für typische Gasverbraucher im Vollversorgungstarif der Preis pro Kilowattstunde auf etwa 21,09 Cent. Das ist in etwa eine Steigerung auf das Doppelte der aktuellen Preise. Und doch wird damit noch nicht einmal die Hälfte der langfristigen Preissteigerungen für Erdgas an die Münchner Kunden weitergegeben. Warum das so ist, hat Dr. Florian Bieberbach, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Stadtwerke (SWM), am Dienstag in einem bemerkenswerten Vortrag im Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft erläutert. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus werden im Folgenden zusammengefasst und diskutiert.

Ausgangspunkt der Ausführungen von Herrn Dr. Bierbach war die Entwicklung am Terminmarkt für Erdgas.

Quelle: buv-consulting.de

Hier werden Preise für Gaslieferungen in der Zukunft ausgehandelt. So zeigt z.B. die rote Kurve die Preisentwicklung in 2021 für Lieferungen in 2022 und die dunkelblaue Kurve die Preisentwicklung von Anfang 2021 bis heute für Gaslieferungen in 2023.

Für große Gasversorger wie die Stadtwerke München ist dieser Terminmarkt entscheidend. Denn das an die Endkunden gelieferte Gas wird in aller Regel mehrere Jahre im Voraus eingekauft und daraus der Endkundenpreis berechnet. Das aktuell an die Münchner Gaskunden von den SWM gelieferte Gas ist also bereits in 2020 oder 2021 eingekauft worden und damit noch zu vergleichsweise niedrigen Preisen.

Nun könnte man auf den ersten Blick denken, dass eigentlich alles auf einem guten Weg ist, da die Gaspreise seit Ende August 2022 deutlich rückläufig sind. Das ist jedoch – so Dr. Bieberbach – nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich zeigt ein genauerer Blick auf die Preise des Terminmarktes für die Jahre 2024 – 2026, dass seit etwa fünf Wochen kaum noch Veränderungen zu erkennen sind. Betrachtet man beispielsweise das Lieferjahr 2025, hat sich das Preisniveau bei ca. 85 EUR / MWh eingependelt. Das ist immer noch mehr als das Fünffache des Ausgangsniveaus von Anfang 2021 von etwa 15 EUR / MWh.

Damit zeigt sich die ganze Dramatik des Problems: Selbst wenn den Stadtwerken eine perfekte Einkaufsstrategie gelingt, mit der die enormen Preisausschläge im obigen Diagramm vermieden werden, wird das Gas in den kommenden Jahren im Einkauf fünfmal so teuer wie vor der Krise.

Woher kommt dieser enorme Preisanstieg? Laut Dr. Bieberbach war der bisherige Verlauf der Gaspreise durch den russischen Lieferstopp Mitte 2022, die damit verbundenen Unsicherheiten, und durch die Einkaufsstrategie der europäischen Länder bestimmt, die unbedingt ihre Speicher füllen wollten und dafür alle anderen Kunden im Markt überboten haben. Lieferungen von billigem russischen Erdgas wurden durch teures LNG-Gas ersetzt, das Deutschland in den letzten Monaten über Leitungen aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich erreicht hat.

Inzwischen sind die Speicher allerdings gut gefüllt, sodass diese Sondernachfrage wegfällt. Die Preise haben sich daher seit einigen Wochen auf einem Niveau eingependelt, das auch andere Verbraucher, insbesondere in Japan und Südkorea, für LNG zahlen. Deutliche Rückgänge sind hier nicht mehr zu erwarten. LNG ist durch die erforderliche Infrastruktur (Verflüssigung, Schiffe und Terminals) eben viel teurer als das Erdgas aus Russland.

Was bedeutet das für Gasverbraucher in München? Die Antwort ist ganz einfach: Gäbe es keine Gaspreisbremse, müssten wir jedenfalls mittelfristig nicht doppelt so viel, sondern ungefähr fünfmal mehr für Gas bezahlen als Anfang 2021. Keine angenehme Vorstellung.

Der ab März 2023 wirksame Subventionsmechanismus reduziert jedoch den Preis für Endkunden auf 12 Cent /KWh für 80% des bisherigen Verbrauches. Bei der Umsetzung der Gaspreisbremse in München gibt es, so Dr. Bieberbach, noch jede Menge Detailfragen. Das betrifft beispielsweise Neubürger, die gerade erst zugezogen sind und daher keine Verbrauchswerte aus den Vorjahren haben, oder auch Kunden, die von anderen Gasanbietern zu den Stadtwerken wechseln.

Mir stellt sich allerdings eine ganz andere Frage. Nach den Preisen im oben gezeigten Terminmarkt wird Gas auch in 2025 und 2026 etwa 60 – 85 EUR / MWh kosten. Die mit 200 Milliarden (dem „Doppelwumms“) finanzierte Gaspreisbremse reicht aber nur bis Anfang 2024. Was dann? Soll der Staat auf Dauer die Gaspreise mit dreistelligen Milliardenbeträgen subventionieren? Zum Vergleich, der gesamte Bundeshaushalt beträgt ca. 500 Milliarden Euro. Ich glaube nicht, dass das auf Dauer durchzuhalten ist.

Die hohen Gaspreise sind wie das Coronavirus ein Problem, das nicht einfach wieder verschwindet. Mit einer Gaspreisbremse kann man zwar wie mit einem Lockdown etwas Zeit kaufen, um Überlastungen zu vermeiden. Mittel- und langfristig muss die Gesellschaft jedoch immun werden gegen die hohen Gaspreise. Leider gibt es für letztere keine Impfung. Helfen wird nur Sparen, Gebäudedämmung sowie der Umstieg auf andere Energiequellen sowohl für die Wärmeversorgung als auch in Gewerbe und Industrie. Das wird sehr teuer und schwierig werden.

Die aktuelle Situation bei den Strompreisen ist, so Dr. Bieberbach, nur unwesentlich besser. Auch dazu wurden im Ausschuss Daten präsentiert.

Quelle: buv-consulting.de

Die Ausschläge der Preiskurve für Stromlieferungen folgen ziemlich genau den oben gezeigten Gaspreisen. Das liegt daran, dass im Strommarkt die Preisfindung nach dem „Merit-Order-Prinzip“ stattfindet. Das muss man nicht im Detail verstehen. Entscheidend ist, dass die teuerste Stromerzeugung den Preis bestimmt. Und damit sind wir wieder beim Gas. Denn wenn auch der meiste Strom in Deutschland aus regenerativen Energien, Braunkohle und Steinkohle erzeugt wird, braucht es immer noch ein paar Gigawatt aus der Verstromung von Erdgas. Das liegt insbesondere an den Stromexporten nach Frankreich, wo aktuell mehr als die Hälfte aller Atomkraftwerke nicht in Betrieb ist. Im Ergebnis treibt die Erdgasverstromung die Strompreise enorm in die Höhe. Das Diagramm oben zeigt, dass beispielsweise Verträge für Strom in 2025 seit einigen Wochen etwa das Vierfache kosten wie Anfang 2021.

Auf Dauer scheint mir beim Strom die Perspektive aber deutlich besser zu sein als beim Gas. Denn mittelfristig werden viele der defekten Atomkraftwerke in Frankreich wieder ans Netz gehen und auch der Ausbau der billigen (!) erneuerbaren Energien in Deutschland wird jedenfalls langfristig dazu führen, dass immer weniger Gas verstromt werden muss. Damit wird sich der Strompreis wieder vom Gaspreis entkoppeln.

Es gab auch gute Nachrichten vom Leiter der Stadtwerke. So schätzt er das Risiko eines Blackouts in München in diesem Winter nicht größer ein als in der Vergangenheit. Und wirtschaftlich scheinen die hohen Gas- und Strompreise den SWM keine größeren Probleme zu bereiten. Das liegt wohl daran, dass die SWM im Energiemarkt nicht nur als Händler auftreten, sondern auch auf der Erzeugerseite vielfältig investiert sind. So gehören den Stadtwerken 25% des weiterlaufenden Atomkraftwerks Isar 2, Anteile an einem britischen Gasfeld und Beteiligungen an mehreren Windparks. Gewinne aus diesen Unternehmungen ermöglichen nicht zuletzt die Finanzierung eines Notfallfonds, der laut Dr. Bieberbach von den SWM mit 20 Millionen Euro ausgestattet wird. Damit sollen Münchner Haushalte, die ihre Gas- und Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können, in enger Abstimmung mit dem Sozialreferat unterstützt werden.

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