Neben den wieder ansteigenden Corona-Zahlen ist Klimaschutz das wichtigste Thema in diesen Tagen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, hat sich auch die Stadt München ehrgeizige Ziele gesetzt. Bereits 2035 soll Klimaneutralität erreicht werden. Nimmt man das ernst, kommt man nicht umhin, das Handeln der Verwaltung immer auch unter dieser Vorgabe zu betrachten. Der am Mittwoch vorgelegte Bericht über Flugreisen in 2020 im Ausschuss für Klima und Umwelt zeigt, wie schwer es immer noch fällt, gewohnte Verhaltensweisen zu ändern.
Seit 2010 zahlt die Stadt München für Flugreisen der Stadtverwaltung (einschließlich des Stadtrates) CO2-Kompensationen an die Firma atmosfair. In 2020 wurden knapp 2.200 EUR bezahlt, mit denen atmosfair Projekte der Entwicklungshilfe u.a. in Nepal und Indien fördert, die dort – so hofft man – zu entsprechenden CO-Reduktionen führen. Nun kann man trefflich darüber streiten, ob es sich dabei um einen modernen Ablasshandel zur Gewissensberuhigung handelt oder um eine sinnvolle Maßnahme zum Klimaschutz. Ein unbestreitbarer Vorteil ist der detaillierte Bericht über die geleisteten Zahlungen und die damit kompensierten Flüge. Darüber gab es in der Vergangenheit heftige Auseinandersetzungen, wenn sich die Stadtratsfraktionen gegenseitig Vorhaltungen gemacht haben, wer wohin geflogen ist.
In 2020 ist die Menge des durch Flüge der Stadtverwaltung verursachten CO2 von 942t auf 71t zurückgegangen. Das ist eine der wenigen positiven Wirkungen der Pandemie in München. Zum Vergleich: 942t entsprechen in etwa dem CO2-Ausstoß von 500 gut gedämmten Einfamilienhäusern in einer Heizperiode.
Vielleicht war der drastische Rückgang der Flugreisen der Grund, warum die Stadträtinnen und Stadträte den Bericht ohne weitere Diskussion zur Kenntnis genommen haben.
Nun ist nicht zu erwarten, dass es bei dem niedrigen Niveau an Reisetätigkeit bleibt. Es lohnt sich daher, die Angaben für 2020 etwas genauer anzuschauen, um zu sehen, ob inzwischen alle Anstrengungen unternommen werden, überflüssige Flugreisen zu vermeiden. Dabei stößt man auf folgenden Satz:
„Allein auf den drei häufigsten Verbindungen nach Wien, Thessaloniki und Berlin wurden bereits mehr als die Hälfte der Flüge getätigt (156 von 305). Die häufigsten Kurzstreckenziele waren Wien und Köln (107 der 112 Kurzstreckenflüge).“
(Quelle: Bericht 2020, Seite 4)
Das klingt nicht gut. Die Fahrzeiten der Bahn von München nach Wien und Berlin liegen bei vier Stunden, nach Köln bei etwa viereinhalb Stunden. Das ist, wenn überhaupt, nur wenig mehr als die entsprechende Flugreise dauert, einschließlich Anfahrt zum Flughafen, Check-In-Zeiten, etc. Für die Produktivität der Stadtverwaltung scheinen mir diese Kurzstreckenflüge nicht erforderlich. Wenn Klimaneutralität wirklich das Ziel der Stadtpolitik ist, bedarf es einer Dienstanweisung des Oberbürgermeisters, die solche Flüge in Zukunft ausschließt.