Wie viele Wohnungsbaugesellschaften braucht München?

Die – allmählich abklingende – Corona Pandemie bremst die Kommunalpolitik in München immer noch aus. Viele Ausschusssitzungen des Stadtrats entfallen und in der monatlichen Vollversammlung nimmt die Diskussion zur Pandemielage jedes Mal soviel Zeit in Anspruch, dass viele andere Themen vertagt werden müssen, beispielsweise die Beschlussfassung über die in diesem Bericht diskutierte Vorlage der Verwaltung.

Worum geht es dabei ? Für viele Münchner Haushalte wird es immer schwieriger, die hohen Mieten des freien Wohnungsmarktes zu bezahlen. Da kommt den beiden Wohnungsbaugesellschaften GWG und GEWOFAG große Bedeutung zu. Allerdings verfügen sie mit ca. 67.000 Wohnungen zusammen über nicht einmal 10% des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt. Zum Vergleich: In Wien sind fast 25% aller Wohnungen in der Hand des Wiener Gemeindebaus. Ein schnelles Wachstum der Anzahl günstiger Wohnungen in München ist nicht zu erkennen. Im Gegenteil, selbst bei der Bebauung von städtischen Grundstücken braucht es immer wieder private Investoren. Deren Neubauten stellen jedoch nur zum Teil günstigen Wohnraum bereit und das auch nur über einen begrenzten Zeitraum. Das wirft die Frage auf, ob nicht eine einzige, größere Wohnungsbaugesellschaft deutlich leistungsfähiger wäre. Die Vorlage des Stadtplanungsreferats, deren Diskussion am Mittwoch leider vertagt worden ist, erläutert das Für und Wider einer Fusion der beiden Gesellschaften.

Die gegenwärtige Situation mit zwei städtischen Gesellschaften, die beide das gleiche Ziel verfolgen ist – soweit für mich erkennbar – historisch bedingt. Während die GWG bereits 1918 noch zu Kaisers Zeiten entstanden ist, geht die GEWOFAG auf die Initiative des SPD-Stadtrates Karl Preis zurück, dem es in den zwanziger Jahren damit gelang, in wenigen Jahren 11.000 neue Wohnungen zu errichten. Heute sind beide Gesellschaften ungefähr gleich groß mit jeweils über 30.000 Wohnungen.

Die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften und ihre Tochterunternehmen (Quelle: Anlage 12 zur Vorlage)

Das Stadtplanungsreferat nennt als Vorteile zunächst die üblichen Kosten- und Effizienzgewinne, die man sich von jeder Fusion verspricht. Dazu zählt die Vermeidung von Doppelstrukturen in der Verwaltung und IT sowie mehr Gewicht im Markt und damit günstigere Konditionen, wenn von einer fusionierten Gesellschaft größere Bauvolumina nachgefragt werden. Das erscheint mir einleuchtend ebenso wie die vereinfachte Steuerung durch die Stadtverwaltung, die sich zur Umsetzung ihrer wohnungspolitischen Ziele nur noch mit einer Geschäftsleitung abstimmen muss.

Weniger relevant erscheinen mir hingegen Aspekte wie ein stärkerer Markenauftritt des vereinigten Unternehmens oder die Bündelung der Fachkompetenz in Fragen des modernen Wohnungsbaus, insbesondere beim Klimaschutz. Letzteres wäre auch ohne Fusion möglich. Die Stärke einer Marke mag für den Erfolg vieler Unternehmen von Bedeutung sein, aber wohl kaum hier, jedenfalls solange die Nachfrage das Angebot nach günstigem Wohnraum erheblich übersteigt.

Die Vorlage beleuchtet auch die Nachteile einer Fusion. Zunächst gibt es steuerliche Risiken, die geprüft werden müssen, beispielsweise ob und in welcher Höhe bei einem Übergang von Grundstücken auf eine andere Gesellschaft Grundsteuern anfallen. Zentrales Hindernis ist aber der Organisationsaufwand für die Zusammenführung der beiden Unternehmen. Manch eine Fusion ist genau daran gescheitert. Die Vorlage spricht dieses Risiko nur allgemein an, ohne in der Tiefe darzustellen, ob und gegebenenfalls wie die Strukturen der beiden Unternehmen zueinander passen. Hingewiesen wird lediglich darauf, dass in den beiden Unternehmen bislang unterschiedliche Tarifsysteme gelten. Das macht es nicht einfacher, auch wenn sowohl in der Vorlage als auch in den vorausgehenden Anträgen verschiedener Stadtratsfraktionen immer wieder betont wird, dass „eine Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse gegenüber dem Status Quo ausgeschlossen werden“ .

Als Stadtrat würde ich mir vor einer Zustimmung zu dieser Vorlage Stellungnahmen der Betriebsräte aus den beiden Unternehmen wünschen, die erkennen lassen, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die geplante Fusion sehen. Sollte es eine starke Ablehnung geben, müsste man ergründen, woran das liegt, und erst danach entscheiden, ob die oben genannten Vorteile es notfalls rechtfertigen, sich darüber hinwegzusetzen. Denn in einer Zeit, in der der Bau von günstigen Mietwohnungen in München dringend benötigt wird, ist eine leistungsfähige (Gesamt-) Wohnungsbaugesellschaft sicher ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Gelingen wird das aber nur, wenn das neue Unternehmen nicht zulange mit sich selbst beschäftigt ist.

Nachtrag am 12. Mai:

Schneller als von mir vermutet, ist dieses Thema von den Stadträtinnen und Stadträten diskutiert worden, nämlich bereits in der heutigen Sitzung des Stadtplanungsausschuss. Und das mit (zu) viel Emotionen, obwohl – bei ruhiger Betrachtung – die Positionen inhaltlich gar nicht so weit auseinander lagen:

Die oben erläuterte Vorlage endet mit einem Antrag, wonach die beiden Wohnungsbaugesellschaften unter Leitung des Stadtplanungsreferats Maßnahmen ergreifen sollen, damit

„dem Stadtrat bis zum 2. Quartal 2022 ein rechtlich und wirtschaftlich fundiertes Konzept für die [….] Zusammenführung [der beiden Unternehmen] vorgelegt werden kann.“

Diese am Ende der Sitzung so auch verabschiedete Beschlusslage wollten jedoch die Fraktionen der CSU, der FDP und der LINKEN auf keinen Fall mittragen. Man sei zwar nicht grundsätzlich gegen eine Fusion, aber vor einer Grundsatzentscheidung müsse das ganze Projekt unbedingt von externen Unternehmensberatern ergebnisoffen geprüft werden. Alles andere sei völlig verantwortungslos, sowohl gegenüber den Mitarbeitern der beiden Unternehmen als auch für die Mieter ihrer Wohnungen.

Von den GRÜNEN wurde entgegnet, dass eine detailliertere Untersuchung des Für und Wider erst möglich sei, wenn konkrete Pläne für das fusionierte Unternehmen vorlägen. Diese Sichtweise wurde – wohl unbeabsichtigt – von der Stadträtin der LINKEN bestätigt, die zugestand, dass beispielsweise eine Klärung der zentralen Frage, ob bei der Fusion Grundsteuer anfällt, nur dann möglich sei, wenn die gesellschaftsrechtliche Struktur des neuen Unternehmens bereits ausgearbeitet sei.

Auf einen weiteren Punkt wurde von Seiten der SPD hingewiesen: Für die Mitarbeiter sei die klare Ansage, dass unter Leitung der Stadtverwaltung ein neues gemeinsames Unternehmen geplant wird, weniger beunruhigend als eine jahrelange Ungewissheit, zu welchen Ergebnissen ein externer Unternehmensberater kommt. Das gelte erst recht, wenn, wie in der Sitzung nachdrücklich angekündigt, die Betriebsräte der beiden Unternehmen in die Gestaltung des neuen Unternehmens frühzeitig mit einbezogen würden und eine Verschlechterung der bestehenden Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen sei.

Hitzig wurde die Debatte, als der Vorwurf an die CSU ging, die Situation der Mieter sei ihr grundsätzlich egal. Das erscheint aus meiner Sicht, soweit es die Stadtratsfraktion angeht, in der Tat nicht gerechtfertigt. Allerdings tragen alle CSU-Mandatsträger Mitverantwortung dafür, dass der Freistaat 2013 mehr als 30.000 Wohnungen der BayernLB an die PATRICIA, ein kommerzielles Unternehmen, verkauft hat. Die Interessen der Mieter standen damals nicht im Vordergrund, sondern einzig die Sanierung der durch Fehlspekulation ihres Vorstands in finanzielle Schieflage geratenen BayernLB.

Aus meiner Sicht hat am Ende der zweistündigen Debatte der Oberbürgermeister zu Recht darauf hingewiesen, dass die Positionen der Rathauskoalition und der anderen Fraktionen kaum auseinanderliegen. Denn der heutige Beschluss dient nur dazu, die Verwaltung zu bevollmächtigen, ein detailliertes Konzept einer Fusion zu erarbeiten. Die eigentliche Entscheidung darüber wird erst in 2022 fallen, wenn klar ist, wie die fusionierte neue Wohnungsbaugesellschaft für München aussehen könnte.

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