Ein großes Softwareprojekt

Wer in einem Unternehmen in der IT- oder Finanzabteilung Verantwortung trägt, kennt die enormen Herausforderungen, die der Umstieg auf eine neue Software mit sich bringt. Bereits in 2019 hat sich der Stadtrat mit einem Grundsatzbeschluss und einem Umsetzungsbeschluss entschieden, im Rahmen des Projekts „digital4finance“ das 20 Jahre alte SAP-System der Stadt durch die aktuelle SAP S4/HANA Software zu ersetzen. Bei über 6000 städtischen SAP-Anwendern ist offensichtlich, welche Bedeutung dieses Projekt für die Münchner Stadtverwaltung hat.

Im Finanzausschuss am vergangenen Dienstag war es daher eine gute Nachricht, dass der Softwareumstieg bislang im Zeitplan liegt. Mit knapp 154 Mio EUR wird es vielleicht noch ein paar Millionen günstiger als zunächst geplant. Dabei kann München leider nicht auf die Erfahrungen anderer Städte zurückgreifen. Im Umsetzungsbeschluss heißt es dazu:

….im Rahmen des Städtetages [wurde] bei den Großstadtkämmerern der aktuelle Stand der eigenen Planungen für S/4HANA abgefragt. Derzeit existieren jedoch noch keine Vergleichsprojekte, die bereits eine belastbare Kostendarstellung zur Verfügung stellen könnten.

München ist somit für die neue Software eine Art Referenzkunde. Wenn der Umstieg hier scheitert, so der Kämmerer, scheitert damit auch SAP S4/HANA, jedenfalls im öffentlichen Sektor.

Wo steht nun die Einführung des neuen Systems ? Wie bei jedem Umzug ist ein erster Schritt das Entrümpeln. Ineffiziente Prozesse in der Verwaltung werden nicht dadurch besser, dass man sie mit einer neuen Software abbildet. Mit ca. 150 sogenannten „Fit-2-Standard“ Workshops wird gegenwärtig untersucht, inwieweit Vorgänge in der Münchner Stadtverwaltung durch Standardprozesse der neuen Software abgebildet werden können.

Flussdiagram der Workshops zur Konfiguration der neuen Geschäftsprozesse; Quelle: Sachstandsbericht der Stadtkämmerei

Soweit das nicht der Fall ist, wird entschieden, ob der Verwaltungsvorgang vereinfacht werden kann oder ob tatsächlich individuelle Anpassungen der Software benötigt werden:

Auswertung der Workshops und Anpassung der Prozesses bzw. der Software; Quelle: Sachstandsbericht

Und was hat der Münchner Bürger davon ? Zunächst einmal die Hoffnung auf eine effizientere Verwaltung. Beispielsweise gelingt es dann vielleicht, fällige Beiträge ohne große Zeitverzögerung in Rechnung zu stellen und nicht erst Jahre später wie früher für den Unterricht der städtischen Musikschule.

Darüber hinaus soll das neue System auch modernere Formen der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen ermöglichen. Im aktuellen Sachstandsbericht wird als Beispiel („Show Case“) die Anmeldung eines neuen Hundes bei der Stadtverwaltung gezeigt, ein Vorgang, der bei über 36.000 Hunden in München eine gewisse Bedeutung hat. Bislang funktioniert die Online-Anmeldung so:

Ablaufdiagramm der bisherigen Vorgänge zur Anmeldung eines neuen Hundes in München; Quelle: Sachstandsbericht

Ohne auf die Details einzugehen erkennt man, dass der Anmelder bislang jede Menge Tastatureingaben in Onlineformulare vornehmen muss und in der Verwaltung noch Papierakten dazu geführt werden.

In Zukunft soll ein mit künstlicher Intelligenz versehener Computer den Anmelder in einer Art Gespräch( Fachbegriff „Chatbot“) mit einer entsprechenden App durch den Anmeldevorgang führen:

Chatbot für die Anmeldung eines Hundes bei der Stadt München, einschließlich automatischer Erkennung der Hunderasse; Quelle: Sachstandsbericht

Zweifelsohne eine intelligente Lösung, insbesondere wenn die erzeugten Daten in Zukunft auch innerhalb der Verwaltung nur noch digital bearbeitet werden. Man fragt sich allerdings, ob ein erheblicher Teil der Hundehalter wirklich mit solch einer App umgehen kann und will oder nicht weiterhin einen persönlichen Ansprechpartner in der Stadtverwaltung bevorzugt.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass der Umstieg auf die neue Software weiterhin ohne Zeitverzug und Kostensteigerung funktioniert und das neue SAP-System wie geplant ab 2023 stufenweise in Betrieb gehen kann.

Was kostet ein neues Krankenhaus ?

Medizinische Versorgung kostet Geld. Das erkennt man mit einem Blick auf die monatlichen Krankenkassenbeiträge. Aber was bedeutet das konkret? Was kostet die medizinische Infrastruktur in Deutschland und wer bezahlt das? Einige Antworten auf diese Fragen konnte man anhand des geplanten Neubaus des Harlachinger Krankenhauses in der heutigen Sitzung des Finanzausschusses im Münchner Stadtrat bekommen.

Zum Hintergrund: Die Stadt ist Gesellschafterin der München Klinik gGmbH, die insgesamt fünf Krankenhäuser betreibt, nämlich in Bogenhausen, Schwabing, Thalkirchen, Neuperlach und eben Harlaching.

Das marode Krankenhaus in Harlaching. Hier steht der Abriss bevor, aber erst, wenn der Neubau daneben fertig geworden ist.

Schon vor einigen Jahren hat der Stadtrat beschlossen, dieses Krankenhaus durch einen Neubau zu ersetzen. Die heutige Sitzung des Finanzausschusses bot die Gelegenheit, einen Blick auf die Rechnung zu werfen.

Im Dezember 2016 hat der Stadtrat für das Neubauprojekt eine Kostenobergrenze von 217 Mio EUR festgelegt. Allerdings ist der Begriff Kostenobergrenze nicht wörtlich zu verstehen. Definiert wird damit ein Maximalbetrag unter Bezugnahme auf den aktuellen Baukostenindex. Wird das Bauen in den Folgejahren teurer, steigt auch diese Kostengrenze. Die Entwicklung seit 2016 ist in der Vorlage der München Klinik für die heutige Sitzung aufgelistet:

Tabelle auf Seite 7 der Vorlage zur Kostenentwicklung des Klinik-Neubaus

Die rechte Spalte der Tabelle zeigt den Baukostenindex seit 2016. Danach ist Bauen seit 2016 um etwa 15% teurer geworden, wohl als Folge der hohen Nachfrage, wenn, wie in München zu beobachten, wirklich überall gebaut wird. Damit liegt die aktuelle Kostenobergrenze bei 249,7 Mio EUR.

Bis zur geplanten Fertigstellung des Neubaus Ende 2022 wird der Baukostenindex voraussichtlich noch weiter ansteigen. Hierzu liegen naturgemäß nur Schätzungen vor, ebenso wie für die Bauzeit. In der Vorlage wird die sogenannte Kostenobergrenze Projektende (KOG PE) mit 275 Mio EUR angegeben. Die gesamte Kostensteigerung von ca. 25% ist also nicht die Folge einer Fehlplanung, sondern liegt im Wesentlichen am ständig steigenden Baukostenindex während der Planungs- und Bauphase des neuen Krankenhauses.

Weitere Risiken für Kostensteigerungen haben nichts mit dem Baukostenindex zu tun. Insbesondere die erst zu ca. 60% fertige Detailplanung und mögliche Altlasten im Abrissmaterial der alten Klinik führen zu einem zusätzlichen Kostenrisiko, das aktuell auf weitere 13,5 Mio EUR geschätzt wird. Darauf hat die Stadtkämmerei die Mitglieder des Ausschusses in Abschnitt 3 der Vorlage deutlich hingewiesen. Bis auf eine kritische Stimme der FDP gab es dazu aber keine weitere Diskussion der Stadträte. Möglicherweise herrscht in erster Linie Erleichterung darüber, dass dieses Großprojekt bislang nicht aus dem Ruder gelaufen ist und die erfolgten Kostensteigerungen sich im Wesentlichen mit dem gestiegenen Baukostenindex erklären lassen.

Und wer bezahlt die Rechnung? Auch dazu liefert die Vorlage Erkenntnisse. Der Klinikneubau wird zum großen Teil von der Regierung von Oberbayern getragen. Zugesagt sind gegenwärtig ungefähr 160 Mio EUR, wobei auch hier Steigerungen aufgrund des gestiegenen Baukostenindex anwendbar sind. Der Restbetrag von ca. 90 Mio EUR verbleibt bei der Stadt als Gesellschafterin der München Klinik. Und damit auch das Risiko der genannten außergewöhnlichen Kostensteigerungen, die noch kommen könnten.

Wieviel Krankenhaus bekommt man nun für 250 Mio EUR ? Das war leider nur am Rande Gegenstand der Sitzung des heutigen Finanzausschusses. Eine Vertreterin des Seniorenbeirates der Stadt München, die der Ausschuss eingeladen hatte, bat nachdrücklich darum, die Stufe 3 der Notfallversorgung im neuen Harlachinger Krankenhaus sicherzustellen. Stufe 3 bedeutet gemäß einer 2018 eingeführten Klassifizierung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen eine „umfassende Notfallversorgung“ . Das ist das Maximum an medizinischen Fachabteilungen samt technischer Ausstattung, die für die stationäre Versorgung von Unfällen und schweren akuten Erkrankungen erforderlich ist.

Der Leiter der München Klinik hat die Stufe 3 in der Sitzung explizit zugesagt und darüber hinaus angekündigt, dass man auch während der jetzt beginnenden Bauphase noch Ergänzungen vornehmen könne, wenn neue Entwicklungen – z.B. Corona – dies nötig machten.

Für 250 Mio EUR bekommt man demnach ein Krankenhaus der Oberklasse, jedenfalls was die stationäre Notfallversorgung angeht. Für die Bewohner des Münchner Südens ist das eine erfreuliche Perspektive.