Medizinische Versorgung kostet Geld. Das erkennt man mit einem Blick auf die monatlichen Krankenkassenbeiträge. Aber was bedeutet das konkret? Was kostet die medizinische Infrastruktur in Deutschland und wer bezahlt das? Einige Antworten auf diese Fragen konnte man anhand des geplanten Neubaus des Harlachinger Krankenhauses in der heutigen Sitzung des Finanzausschusses im Münchner Stadtrat bekommen.
Zum Hintergrund: Die Stadt ist Gesellschafterin der München Klinik gGmbH, die insgesamt fünf Krankenhäuser betreibt, nämlich in Bogenhausen, Schwabing, Thalkirchen, Neuperlach und eben Harlaching.
Schon vor einigen Jahren hat der Stadtrat beschlossen, dieses Krankenhaus durch einen Neubau zu ersetzen. Die heutige Sitzung des Finanzausschusses bot die Gelegenheit, einen Blick auf die Rechnung zu werfen.
Im Dezember 2016 hat der Stadtrat für das Neubauprojekt eine Kostenobergrenze von 217 Mio EUR festgelegt. Allerdings ist der Begriff Kostenobergrenze nicht wörtlich zu verstehen. Definiert wird damit ein Maximalbetrag unter Bezugnahme auf den aktuellen Baukostenindex. Wird das Bauen in den Folgejahren teurer, steigt auch diese Kostengrenze. Die Entwicklung seit 2016 ist in der Vorlage der München Klinik für die heutige Sitzung aufgelistet:
Die rechte Spalte der Tabelle zeigt den Baukostenindex seit 2016. Danach ist Bauen seit 2016 um etwa 15% teurer geworden, wohl als Folge der hohen Nachfrage, wenn, wie in München zu beobachten, wirklich überall gebaut wird. Damit liegt die aktuelle Kostenobergrenze bei 249,7 Mio EUR.
Bis zur geplanten Fertigstellung des Neubaus Ende 2022 wird der Baukostenindex voraussichtlich noch weiter ansteigen. Hierzu liegen naturgemäß nur Schätzungen vor, ebenso wie für die Bauzeit. In der Vorlage wird die sogenannte Kostenobergrenze Projektende (KOG PE) mit 275 Mio EUR angegeben. Die gesamte Kostensteigerung von ca. 25% ist also nicht die Folge einer Fehlplanung, sondern liegt im Wesentlichen am ständig steigenden Baukostenindex während der Planungs- und Bauphase des neuen Krankenhauses.
Weitere Risiken für Kostensteigerungen haben nichts mit dem Baukostenindex zu tun. Insbesondere die erst zu ca. 60% fertige Detailplanung und mögliche Altlasten im Abrissmaterial der alten Klinik führen zu einem zusätzlichen Kostenrisiko, das aktuell auf weitere 13,5 Mio EUR geschätzt wird. Darauf hat die Stadtkämmerei die Mitglieder des Ausschusses in Abschnitt 3 der Vorlage deutlich hingewiesen. Bis auf eine kritische Stimme der FDP gab es dazu aber keine weitere Diskussion der Stadträte. Möglicherweise herrscht in erster Linie Erleichterung darüber, dass dieses Großprojekt bislang nicht aus dem Ruder gelaufen ist und die erfolgten Kostensteigerungen sich im Wesentlichen mit dem gestiegenen Baukostenindex erklären lassen.
Und wer bezahlt die Rechnung? Auch dazu liefert die Vorlage Erkenntnisse. Der Klinikneubau wird zum großen Teil von der Regierung von Oberbayern getragen. Zugesagt sind gegenwärtig ungefähr 160 Mio EUR, wobei auch hier Steigerungen aufgrund des gestiegenen Baukostenindex anwendbar sind. Der Restbetrag von ca. 90 Mio EUR verbleibt bei der Stadt als Gesellschafterin der München Klinik. Und damit auch das Risiko der genannten außergewöhnlichen Kostensteigerungen, die noch kommen könnten.
Wieviel Krankenhaus bekommt man nun für 250 Mio EUR ? Das war leider nur am Rande Gegenstand der Sitzung des heutigen Finanzausschusses. Eine Vertreterin des Seniorenbeirates der Stadt München, die der Ausschuss eingeladen hatte, bat nachdrücklich darum, die Stufe 3 der Notfallversorgung im neuen Harlachinger Krankenhaus sicherzustellen. Stufe 3 bedeutet gemäß einer 2018 eingeführten Klassifizierung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen eine „umfassende Notfallversorgung“ . Das ist das Maximum an medizinischen Fachabteilungen samt technischer Ausstattung, die für die stationäre Versorgung von Unfällen und schweren akuten Erkrankungen erforderlich ist.
Der Leiter der München Klinik hat die Stufe 3 in der Sitzung explizit zugesagt und darüber hinaus angekündigt, dass man auch während der jetzt beginnenden Bauphase noch Ergänzungen vornehmen könne, wenn neue Entwicklungen – z.B. Corona – dies nötig machten.
Für 250 Mio EUR bekommt man demnach ein Krankenhaus der Oberklasse, jedenfalls was die stationäre Notfallversorgung angeht. Für die Bewohner des Münchner Südens ist das eine erfreuliche Perspektive.