Digitalisierung in München – von der Wiege bis zur Bahre

Die Digitalisierung schreitet voran – auch in München. Das betrifft nicht nur interne Prozesse der Stadtverwaltung, sondern auch immer mehr Dienstleistungen („Services“) für Münchens Bürger. Wer sich eine Übersicht verschaffen möchte, findet hier eine Auflistung aller aktiven Online Services der Stadtverwaltung. Und wer einen Blick auf die visionären Pläne des IT-Referats werfen möchte, wird beispielsweise auf https://muenchen.digital/ mehr als fündig. Die Selbstvermarktung auf allen Social Media Kanälen ist dabei ein zentraler Bestandteil der Tätigkeit des Referats. Ein täglich twitternder Chef gehört ebenso dazu wie ein etwas rührseliges Youtube Werbevideo.

Zwei Digitalisierungsprojekte standen gestern auf der Tagesordnung des IT-Ausschusses des Stadtrats. Zum einen ging es um eine digitale Plattform, mit der freie Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen („KITA-Träger“) Fördermittel bei der Stadt beantragen können, zum anderen um eine neue Software für die Friedhofsverwaltung. Die Digitalisierung Münchens erfasst eben alles, von der Wiege bis zur Bahre. Die nachfolgende Betrachtung des ersten Projekts zeigt exemplarisch, welch enormes Potential in einer effizienten Datenverarbeitung steckt.

Bisher gestaltet sich die (analoge) Antragsstellung für freie KITA-Träger in etwa so:

Flussdiagramm der Beantragung von Fördermitteln für freie KITA Träger (Quelle: Vorlage des IT-Referats)

Das muss man nicht auf den ersten Blick verstehen. Die Komplexität ist Folge einer Vielzahl von Förderprogrammen. Beispielsweise übernimmt die Stadt nach der Münchner Förderformel (MFF) mit der sogenannten Faktorenförderung zusätzliche Personalkosten eines KITA-Trägers, wenn damit eine besondere Betreuungsqualität erreicht wird. Ferner gibt es eine Ausgleichszahlung dafür, dass der Stadtrat in 2019 die Entgelte der Eltern für die Betreuung pauschal abgesenkt hat. Schließlich werden mit der Differenzförderung die freien KITA-Träger entlastet, wenn Eltern mit niedrigem Einkommen und / oder Geschwisterkindern Anspruch auf eine zusätzliche Gebührenreduzierung haben. Das alternative Fördermodell EKI und seine Ergänzung EKI Plus seit 2019 sind kaum weniger komplex. Es liegt auf der Hand, dass eine manuelle Antragsstellung nach obigem Schema per Excel-Sheet und Email sehr arbeitsintensiv ist, sowohl bei den gegenwärtig 532 freien KITA-Trägern als auch bei der Prüfung der Anträge in der Stadtverwaltung.

Das IT-Referat hat daher mit höchster Priorität den Auftrag bekommen, eine digitale Lösung bereitzustellen. Die in der gestrigen Vorlage präsentierte Planung dafür sieht so aus:

Datenfluss in der geplanten digitalen Lösung zur KITA-Förderung (Quelle: Vorlage des IT-Referats)

Das sieht nun nicht einfacher aus als das Schaubild oben. Aber diese Komplexität verbleibt im Innern der Software, ohne dass sich die Anwender damit im Detail befassen müssen. Den Kern bildet ein sogenanntes Trägerportal, an dem sich die freien KITA-Träger online anmelden können. Dort werden die Förderdaten zentral verwaltet und die gesamte Antragstellung kann digital abgewickelt werden. Dazu werden Informationen aus der bereits bestehenden digitalen Verwaltung der KITA-Plätze im Kitafinder übernommen, Eingaben automatisch auf Plausibilität geprüft und berechnete Fördermittel unmittelbar an die Buchhaltungssoftware der Stadtkasse ausgegeben.

Für mich sieht das sehr überzeugend aus, auch wenn man den in der Vorlage ausgearbeiteten Kostenvergleich betrachtet. Zwar müssen zunächst mehr als 2 Mio EUR in die Umsetzung investiert werden. Wenn jedoch das neue System ab Ende 2025 läuft, sollen die Effizienzgewinne bei der Stadtverwaltung jährlich bei mehr als sechs Vollzeitstellen liegen (ca. 330.000 EUR). Dazu kommt die Zeitersparnis für die Mitarbeiter der KITA-Träger, denen mit der neuen Lösung die Antragstellung und die Planung ihrer Budgets erheblich erleichtert wird.

Fraglich ist nur, – wie bei jedem Softwareprojekt – ob die Anwender sowohl auf Seiten der Stadtverwaltung als auch auf Seiten der freien KITA-Träger bei der Entwicklung der Software frühzeitig ausreichend eingebunden werden. Die Vorlage enthält dazu keine Informationen. Es wäre schade, wenn hier eine technische Lösung entsteht, die am Ende von den Anwendern nicht leicht verstanden und vielleicht sogar abgelehnt wird. In der gestrigen Ausschusssitzung ist die Abstimmung der Vorlage ohne Behandlung in die nächste Sitzung vertagt worden. Es bleibt abzuwarten, ob der Ausschuss diesen und weitere Gesichtspunkte in seiner Diskussion noch aufgreift.