Über die schlimmen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise für die Münchner Gastronomie hat der Stadtrat schon mehrfach beraten. Bereits im Mai war daher folgender Auftrag an die Verwaltung ergangen:
„Das Kreisverwaltungsreferat unterbreitet im nächsten Kreisverwaltungsausschuss einen Vorschlag, dass die Gastronomie so gering wie rechtlich zulässig mit Freischankflächengebühren belastet wird.“
Was das nun konkret bedeutet, ist gar nicht so einfach und gab heute Anlass zu einer heftigen Diskussion zwischen dem Leiter des Kreisverwaltungsreferats (KVR) und den Stadträten im Kreisverwaltungsausschuss. Es geht darum, ob die Stadt (zeitlich begrenzt) auf die Gebühren für Freischankflächen komplett verzichten kann, oder ob dem die geltende Gesetzeslage entgegensteht, insbesondere Art. 62 der Bayrischen Gemeindeordnung.
Dort findet sich folgende Regelung:
„Sie [die Gemeinde] hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen soweit vertretbar und geboten aus besonderen Entgelten [ = Gebühren] für die von ihr erbrachten Leistungen [….] zu beschaffen.“
In der strittigen Vorlage des KVR werden die Begriffe „vertretbar und geboten“ umfangreich erörtert. Danach ist ein vollständiger Verzicht auf die Gebührenerhebung für die Nutzung einer öffentlichen Fläche unzulässig, wenn diese Nutzung nur einem Einzelnen dient (dem Gastwirt). Aufgrund der geltenden Einschränkungen wegen der Corona Pandemie wird abgeschätzt, dass der Umsatz der Gastwirte erheblich reduziert ist und daher ein ermäßigter Gebührensatz von 25 % vorgeschlagen.
Nun bin ich kein Experte auf dem Gebiet des Kommunalrechts, aber die Begründung für eine angebliche Pflicht zur Gebührenerhebung in der KVR-Vorlage erscheint mir aus mehreren Gründen nicht überzeugend:
In der Vorlage wird nicht einmal der Versuch gemacht, Art. 62 GO direkt auszulegen. Es wird lediglich auf analoge Überlegungen zu einem anderen Artikel der Gemeindeordnung verwiesen, der aber auch keine klare Aussage dazu enthält, was „vertretbar und geboten“ bei der Gebührenerhebung bedeutet.
Auch das Bayrische Straßen- und Wegegesetz, das in Art. 18 den konkreten Anspruch einer Gemeinde auf Gebühren bei einer Sondernutzung des Straßenraumes definiert, formuliert nur eine Möglichkeit – keine Pflicht – dafür Gebühren zu erheben. Darauf wurde in der Sitzung von der CSU Fraktion zu Recht hingewiesen.
Der aus meiner Sicht entscheidende Gedanke ist jedoch, dass eine solche Sondersituation wie die gegenwärtige Corona Pandemie ihre eigenen Maßstäbe setzt, was „vertretbar und geboten “ ist. Überlegungen, die den Normalfall der Gebührenerhebung betreffen, sind zur Einordnung sicher hilfreich aber können gegenwärtig nicht allein herangezogen werden. Im Gegenteil, es erscheint durchaus „vertretbar und geboten“ in dieser völligen Ausnahmesituation, wo viele Wirte auch bei geöffnetem Lokal bislang keinen Gewinn machen, auf eine Gebührenerhebung vollständig zu verzichten. Denn eine lebendige Gastronomie in München ist eben nicht nur für die Wirte sondern auch für die städtische Bevölkerung insgesamt von Interesse.
Das haben die Stadträte im Kreisverwaltungsausschuss im Ergebnis auch so gesehen. Daher wird es in der Vollversammlung morgen voraussichtlich eine neue Vorlage geben, mit der die Gebühren für die Freischankflächen auf Null gesetzt werden.