Es ist soweit, seit 17:03 Uhr findet man auf www.muenchen.de das vorläufige Ergebnis der Stadtratswahl. Ausgezählt sind danach 1.160 von 1.274 Stimmgebieten, so dass sich an der endgültigen Zusammensetzung des Stadtrates nicht mehr viel ändern wird. Und die sieht so aus:
Nach starken Verlusten von SPD und CSU sind die Grünen mit 23 Sitzen nunmehr stärkste Fraktion. Neben den bereits bislang im Stadtrat vertretenen kleineren Parteien wie der ÖDP, der FDP und der Linken ist nun auch die AFD mit drei Mandaten in den Stadtrat eingezogen sowie fünf weitere kleine Parteien mit jeweils einem Sitz.
Was bedeutet das nun für die Zukunft Münchens in den nächsten sechs Jahren? Welche kommunalpolitischen Projekte werden Mehrheiten finden? Ein paar erste Gedanken dazu – immer unter der plausiblen Annahme, dass die Stichwahl in zwei Wochen Dieter Reiter als Oberbürgermeister im Amt bestätigt und sich damit auf Seiten der Stadtverwaltung nichts grundlegend ändert:
In der Verkehrspolitik dürfte München auch mit dem neuen Stadtrat die erst vor kurzem begonnene Verkehrswende fortsetzen. Denn bereits Grüne und SPD haben zusammen 41 Stimmen und damit eine Mehrheit, die in diesen Fragen in aller Regel noch durch die Stimmen der ÖDP unterstützt werden wird. Damit steht beispielsweise der zügigen Umsetzung des bereits durch den alten Stadtrat angenommenen Radlbegehrens nichts mehr im Wege. Die Neuverteilung des Straßenraumes zugunsten von Radfahrern, Fußgängern und dem ÖPNV wird damit in den nächsten Monaten und Jahren endlich in Gang kommen.
In Hinblick auf den Bau bezahlbarer Wohnungen könnte es schwieriger werden. Zwar haben fast alle Münchner Parteien im Wahlkampf das Problem der hohen Mieten und des fehlenden Wohnraums benannt. Bei den Entscheidungen zu einzelnen Projekten zur Nachverdichtung, z.B. in Forstenried, hat sich aber gezeigt, dass die Grünen im Zweifelsfall eine Abwägung für den Natur- bzw. Landschaftsschutz und gegen zusätzliche Wohnungen treffen. Hier kommt es darauf an, ob die SPD zu ihrem Kernthema andere Verbündete finden kann. Die CSU, die den verstärkten Wohnungsbau in der Vergangenheit mitgetragen hat, wird dazu nicht reichen. Kommt aber noch die Linke dazu und / oder einige der kleineren Parteien, könnte es auch weiterhin einen expansiven Wohnungsbau in München geben.
Allerdings hängt dies auch davon ab, ob der alte und voraussichtlich neue Oberbürgermeister gewillt ist, mit wechselnden Mehrheiten im Stadtrat zu arbeiten oder ob es zu regelrechten Koalitionsvereinbarungen mit inhaltlichen Absprachen auf mehreren Politikfeldern kommt. Letzteres wäre beispielsweise zwischen Grünen und SPD denkbar, die wie bereits erwähnt mit 41 Stimmen eine knappe Mehrheit haben. Dabei müssten sich beide Partner allerdings an eine neue Rollenverteilung gewöhnen. Stärkste Fraktion sind nun einmal die Grünen und nicht die SPD. Rechnerisch ergäbe natürlich auch eine grün-schwarze Koalition eine solide Mehrheit von 43 Mandaten. Hier erscheinen aber die inhaltlichen Differenzen, insbesondere im Hinblick auf die Verkehrspolitik, nahezu unüberwindbar.
Der gesamte Bereich der Stadtentwicklung wird wahrscheinlich in etwa so weiterlaufen wie bisher. Hier ist die Zielrichtung vielfach durch das Stadtplanungsreferat vorgegeben, das in seinen Vorlagen schon in den letzten Monaten deutlich auf der Linie einer zukünftigen grün-roten Mehrheit im Stadtrat lag.
Allerdings wird vieles, was die Parteien im Wahlkampf ihren Wählern versprochen haben, durch eine veränderte finanzielle Situation in Frage gestellt sein. Bereits vor Beginn der Corona-Krise ist durch nachhaltige Hinweise der Stadtkämmerei klar geworden, dass die fetten Jahre einer goldenen Finanzlage mit Schuldenabbau vorbei sind. Viele Bauplanungen und Einzelprojekte, die vom alten Stadtrat trotz millionenschwerer Kosten flott durchgewunken worden sind, werden in den nächsten Jahren nicht mehr finanzierbar sein, außer man nimmt einen exzessiven Anstieg der Schulden in Kauf. Wie sich der neue Stadtrat dazu verhält, ist gegenwärtig nicht vorherzusagen.
Und dann ist da natürlich noch die alles beherrschende Corona-Krise. Normale Kommunalpolitik wird es bis auf Weiteres nicht geben, sondern nur Notfallplanung von Tag zu Tag. Was der Stadtrat dazu berät, finden Sie ab jetzt auf diesen Seiten. Schauen Sie rein!