Der lange Weg zur Verkehrswende

Der Stadtplanungsausschuss hat sich am vergangenen Mittwoch nicht nur mit dem Wohnungsbau in München befasst, sondern auch mit dem Dauerthema Verkehr. Gegenstand der Beratung war die Vorstellung des Berichts über den KFZ-Bestand in München, den das Statistische Amt der Stadt jährlich erhebt. Vorgestellt wurde die Entwicklung im Zeitraum 2015 – 2018. Der vollständige Bericht findet sich hier.

Die Kurzzusammenfassung lautet, dass der KFZ-Bestand im Verhältnis zur Bevölkerung im Wesentlichen gleich geblieben ist. Der in einigen Medien verkündete Trend, dass junge Leute in großen Städten auf ein eigenes Auto zunehmend verzichten, ist jedenfalls für München nicht erkennbar, nicht einmal für die Bewohner in der Altstadt oder innerhalb des Mittleren Rings. Darauf wurde in der Sitzung von der neuen Stadtratsminderheit aus CSU und FDP zu Recht deutlich hingewiesen.

Die vorgelegten Zahlen sind in der Tat enttäuschend für alle, die auf einen schnelleren Bewusstseinswandel gesetzt haben. Zwar kann man, wie von einigen Stadträten der SPD und den Grünen versucht, feinsinnige Unterscheidungen anstellen zwischen dem Besitz eines Autos und seiner Benutzung. Letztlich führt jedoch kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass ein großer Teil der 1,5 Mio Münchner mit ihren über 800.000 Autos bislang für sich selbst noch keine rechte Verkehrswende vollzogen hat.

Umgekehrt ist aber auch die Antwort aus den Reihen der Grünen Stadtratsfraktion richtig, dass der Ausgang der Kommunalwahl als ein klarer Auftrag zu verstehen ist, die Verkehrswende in München nach Jahren des Stillstandes nunmehr energisch in Angriff zu nehmen.

Für mich war der Bericht Anlass, ein paar Überlegungen anzustellen, wie die Verkehrswende in anderen Städten gelungen ist und insbesondere welche Zeiträume dafür erforderlich sind. Zwei Schaubilder habe ich dazu gefunden, jeweils zu den Veränderungen in Wien und in Amsterdam. Beides sind Städte ähnlicher Größe wie München und können daher als Anschauungsobjekte dienen, auch wenn die Ansätze in der Verkehrspolitik völlig unterschiedlich sind.

Die zeitliche Entwicklung (Daten bis 2014, danach extrapoliert) in Wien sieht so aus:

Die erfolgreich vollzogene Verkehrswende ist unverkennbar. Bereits seit 1980 ist der Anteil des Autoverkehrs in Wien rückläufig, auf etwa 40% im Jahr 1993 und etwa 28% im Jahr 2014. Gleichzeitig steigt der Anteil des ÖPNV (in Österreich liebevoll „Öffis“ genannt) von unter 25% auf 39% im Jahr 2014 an. Der Radverkehr kommt allerdings kaum voran und liegt mit 7% weit abgeschlagen.

Betrachtet man die Zeitachse, sieht man jedoch, dass selbst in Wien die prozentualen Verschiebungen innerhalb von 6 Jahren ( = Dauer der Wahlperiode des Münchner Stadtrats) nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen. Mit anderen Worten ist die Verkehrswende in Wien wohl nur deshalb gelungen, weil es über Jahrzehnte hinweg Konsens des sozialdemokratisch dominierten Magistrats gewesen ist, eine Verkehrspolitik weg vom Auto hin zum ÖPNV zu verfolgen.

Den ganz anderen Verlauf der Verkehrswende in Amsterdam zeigt dieses Bild:

Entwicklung des Anteils verschiedener Verkehrsträger in Amsterdam. Quelle: www.ams-institute.org

Daraus lassen sich neben der Binsenweisheit, dass Amsterdam eine der Hauptstädte des Radfahrens ist, ebenfalls einige interessante Schlussfolgerungen ziehen:

– Auch hier geht nichts über Nacht. Der starke Rückgang des Autoverkehrs von 520.000 Fahrten pro Werktag im Jahr 1990 auf 280.000 Fahrten im Jahr 2010 setzt erst ab 1995 ein. Es braucht offensichtlich einige Jahre einer konsequenten Förderung des Radverkehrs, bevor die Bevölkerung diese Mobilitätsalternative wirklich annimmt.

– Auch die Nutzung des öffentlichem Nahverkehrs ist in Amsterdam rückläufig, von 368.000 Fahrten pro Werktag auf 244.000 Fahrten. Das finde ich überraschend. Offensichtlich ist auch hier ein Umstieg hin auf das Rad erfolgt. Ohne die Details in Amsterdam zu kennen, lässt sich jedenfalls vermuten, dass die Stadt dadurch viel Geld gespart hat, denn öffentlicher Nahverkehr war noch nie kostendeckend.

Interessanterweise führt eine erfolgreiche Verkehrswende – am Ende – auch zu einem geringeren KFZ-Bestand. Für Amsterdam findet man dazu folgende Zahlenentwicklung:

Anteil der Amsterdamer Bevölkerung über 18 Jahre, die mindestens ein Auto besitzen.
Quelle: Amsterdamse Thermometer Bereikbaarheid

Und damit schließt sich der Kreis zu den aktuellen Beratungen im Stadtplanungsausschuss zum KFZ-Bestand in München. Die wahre Aussage des Berichts zum KFZ-Bestand ist ganz einfach. Sie zeigt, dass wir im Vergleich mit Wien und Amsterdam 30 Jahre (!!) zurückliegen und die Verkehrswende bislang einfach verschlafen haben.